News

BMSVG: Neues Dienstverhältnis - Beginn der Beitragspflicht

Bearbeiter: Bettina Sabara / Bearbeiter: Barbara Tuma

BMSVG: § 6 Abs 1, § 14 iVm § 17

§ 6 Abs 1 dritter Satz BMSVG ist dahin auszulegen, dass in jenen Fällen, in denen innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten ab dem Ende eines Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber erneut ein Arbeitsverhältnis geschlossen wird, die Beitragspflicht bereits mit dem ersten Tag dieses Nachfolgearbeitsverhältnisses einsetzt, und zwar unabhängig von der Dauer des ersten Arbeitsverhältnisses und jener des Nachfolgedienstverhältnisses.

Wird demnach das Nachfolgedienstverhältnis noch während des ersten Monats auf eine anspruchsbegründende Art beendet (hier: durch Arbeitgeberkündigung), so hat der Arbeitnehmer, wenn er insgesamt schon drei Einzahlungsjahre an die BV-Kasse vorweisen kann, Anspruch auf die Auszahlung der gesamten Abfertigung Neu als Kapitalbetrag.

OGH 25. 5. 2016, 9 ObA 30/16a

Zu OLG Linz 12 Ra 82/15p, ARD 6491/14/2016 (Bestätigung)

Sachverhalt

Die Klägerin war von 12. 10. 2009 bis 30. 6. 2014 bei der Ö*** KG beschäftigt und beendete das Arbeitsverhältnis selbst durch Kündigung.

Danach war sie von 1. 7. 2014 bis 19. 7. 2014 bei der G*** GmbH beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis wurde innerhalb der Probezeit durch den Arbeitgeber aufgelöst. Von 21. 8. 2014 bis 17. 9. 2014 war sie neuerlich bei der G*** GmbH beschäftigt. Beendet wurde dieses Arbeitsverhältnis durch Arbeitgeberkündigung.

Die G*** GmbH hat keine Beiträge zur Betrieblichen Vorsorgekasse eingezahlt. Zu Gunsten der Klägerin besteht bei der beklagten Vorsorgekasse zum Stichtag 31. 12. 2014 eine Abfertigungsanwartschaft iHv € 1.366,81 netto. Die beklagte BV-Kasse verweigerte die Auszahlung der Abfertigung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinn einer gänzlichen Klagsstattgabe ab und erklärte die Revision zur Klärung der Frage für zulässig, ob die Beitragspflicht eines Nachfolgedienstverhältnisses innerhalb eines Jahres sofort oder erst nach einem Monat einsetzt.

Entscheidung

Gemäß § 6 Abs 1 BMSVG hat der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ab dem Beginn des Arbeitsverhältnisses einen laufenden Beitrag iHv 1,53 vH des monatlichen Entgelts sowie allfälliger Sonderzahlungen an den für den Arbeitnehmer zuständigen Träger der Krankenversicherung nach Maßgabe des § 58 Abs 1 bis 6 ASVG zur Weiterleitung an die BV-Kasse zu überweisen, sofern das Arbeitsverhältnis länger als einen Monat dauert (Satz 1). Der erste Monat ist jedenfalls beitragsfrei (Satz 2). Wird innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten ab dem Ende eines Arbeitsverhältnisses mit dem selben Arbeitgeber erneut ein Arbeitsverhältnis geschlossen, setzt die Beitragspflicht mit dem ersten Tag dieses Arbeitsverhältnisses ein (Satz 3).

Der OGH teilt - auch nach Auseinandersetzung mit der bestehenden Lit - aus folgenden Erwägungen die insbesondere am Wortlaut und Gesetzeszweck orientierte Auslegung des § 6 Abs 1 BMSVG durch das Berufungsgericht:

Auslegung nach dem Wortlaut

§ 6 Abs 1 erster Satz BMSVG legt zunächst - als Grundregel - fest, dass die Beitragspflicht des Arbeitgebers grundsätzlich mit dem ersten Tag des Arbeitsverhältnisses eintritt (vgl ErläutRV 1131 BlgNR 21. GP 50); dies allerdings nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis länger als einen Monat dauert. Die Beitragsfreiheit des ersten Monats des Arbeitsverhältnisses (§ 6 Abs 1 zweiter Satz BMSVG) wurde nach den Gesetzesmaterialien aus verwaltungstechnischen Gründen eingeführt, weil in den einzelnen KV unterschiedliche Probezeiten vorgesehen sind (ErläutRV 1131 BlgNR 21. GP 50).

§ 6 Abs 1 dritter Satz BMSVG verdrängt dann aber als speziellere Regelung für ein innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten ab dem Ende eines Arbeitsverhältnisses mit dem selben Arbeitgeber erneut abgeschlossenes Arbeitsverhältnis diese Grundregel und bestimmt seinem klaren Wortlaut nach, dass für das Nachfolgearbeitsverhältnis die Beitragspflicht bereits mit dem ersten Tag des neu geschlossenen Nachfolgearbeitsverhältnisses entsteht. Diese eindeutige gesetzliche Anordnung setzt weder für das Grundarbeitsverhältnis noch für das Nachfolgearbeitsverhältnis eine bestimmte Dauer voraus, stellt also weder auf ein beitragspflichtiges Grund- noch ein (für sich allein betrachtet) beitragspflichtiges Nachfolgearbeitsverhältnis ab.

§ 6 Abs 1 zweiter Satz BMSVG schlägt auf die Spezialregelung des § 6 Abs 1 dritter Satz BMSVG schon deshalb nicht durch, weil der Arbeitgeber am Beginn des Nachfolgearbeitsverhältnisses in den meisten Fällen noch gar nicht wissen kann, ob es länger als einen Monat dauern wird und daher das Zuwarten des Arbeitgebers mit der Beitragsentrichtung zur Regel machen würde. Dies würde aber wiederum der grundsätzlichen gesetzlichen Anordnung des § 6 Abs 1 dritter Satz BMSVG keinen Raum lassen, dass die Beitragspflicht schon mit dem ersten Tag des Nachfolgearbeitsverhältnisses eintritt.

Auch die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung des § 6 BMSVG sprechen für diese Auslegung. Danach bewirken (daher) mehrere Arbeitsverhältnisse zum selben Arbeitgeber innerhalb eines Jahres, dass für diese Arbeitsverhältnisse innerhalb dieser Zeit auf jeden Fall eine Beitragsleistung ab Beginn des Arbeitsverhältnisses einsetzt (ErläutRV 1131 BlgNR 21. GP 50).

Auslegung nach dem Gesetzteszweck

Mit der „Zwölf-Monate-Regel“ des § 6 Abs 1 dritter Satz BMSVG wollte der Gesetzgeber erkennbar eine Umgehung der Beitragspflicht durch Abschluss aufeinanderfolgender kurzer Arbeitsverhältnissen zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien verhindern (Resch in Mayr/Resch, Abfertigung neu - BMSVG² § 6 Rz 25; Lang, Abfertigung neu 55).

Eine andere Auslegung würde nicht nur dem Zweck der „Zwölf-Monate-Regel“ widersprechen, sondern auch der grundsätzlichen Beitragspflicht ab dem zweiten Monat. Die „Zwölf-Monate-Regel“ habe mit der einmonatigen Beitragsfrist überhaupt nichts zu tun. Schließlich wollte der Gesetzgeber mit der Neufassung des Abfertigungsrechts möglichst viele Beschäftigungsverhältnisse in das neue Abfertigungsrecht einbeziehen.

Somit spricht nach Ansicht des OGH auch die teleologische Interpretation für die Richtigkeit der vorstehenden Interpretation.

Anspruch auf Abfertigung

Im Anlassfall bestand daher schon ab Beginn des zweiten Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und der G*** GmbH von 21. 8. 2014 bis 17. 9. 2014 eine Beitragspflicht des Arbeitgebers zur BV-Kasse. Damit hatte die Klägerin als Anwartschaftsberechtigte bei Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses durch Arbeitgeberkündigung gemäß § 14 Abs 3 iVm § 17 Abs 1 Z 2 BMSVG einen Anspruch auf Auszahlung der bis zu diesem Zeitpunkt „gesperrten“, nunmehr klageweise geltend gemachten Abfertigung aus dem früheren Arbeitsverhältnis von 12. 10. 2009 bis 30. 6. 2014.

Gesetzliche Gründe dafür, dass der Anspruch auf Verfügung über die „gesperrte“ Abfertigung nicht besteht, liegen nicht vor: Das letzte Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde durch keine „verfügungsschädliche“ Beendigungsart iSd § 14 Abs 2 Z 1 bis 3 BMSVG beendet und es liegen auch nicht weniger als drei Einzahlungsjahre (36 Beitragsmonate) iSd § 14 Abs 2 Z 4 BMSVG vor.

Auf die von Mayr (in Mayr/Resch, Abfertigung neu - BMSVG² § 14 Rz 26) vertretene Ansicht, dass Auflösungen in einem beitragsfreien ersten Monat nicht zur Erfüllung des Tatbestands nach § 14 Abs 3 BMSVG ausreichen, braucht hier nicht eingegangen zu werden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21847 vom 22.06.2016