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Brexit-Begleitgesetz 2019 (BreBeG 2019) – RV

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

Bundesgesetz, mit dem ua das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Studienförderungsgesetz 1992, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Integrationsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das EIRAG und das Marktordnungsgesetz 2007 geändert werden sowie ein Bundesgesetz zur kollisionsrechtlichen Beurteilung von im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland registrierten Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Österreich erlassen wird (Brexit-Begleitgesetz 2019 – BreBeG 2019)

RV 30. 1. 2019, 491 BlgNR 26. GP

Gesetzwerdung bleibt abzuwarten

Hauptziel des Brexit-Begleitgesetzes 2019 ist die Schaffung entsprechender Vorkehrungen durch die Bundesgesetzgebung für den Fall, dass das Großbritannien ohne Austrittsabkommen gem Art 50 Abs 2 EUV aus der EU austritt.

Haupgesichtspunkte der Regelungen:

1. Abschnitt (Öffentlicher Dienst)

Im Bereich des Dienstrechts sind va Regelungen für die mehr als 250 britischen Staatsbürger zu treffen, die zumeist im Englischunterricht als sogenannte „Native Speaker“ eingesetzt und weiterhin dringend benötigt werden.

2. Abschnitt (Arbeit)

Ein neuer § 32b AuslBG soll UK-Bürgern, die zum Austrittszeitpunkt bereits ihre unionsrechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit in Anspruch genommen haben und in Österreich beschäftigt sind oder waren, den unbeschränkten Arbeitsmarktzugang bis zum Erhalt einer Rot-Weiß-Rot – Karte plus bewahren. Ohne eine solche Übergangsregelung hätten sie nach § 3 Abs 7 AuslBG lediglich die Möglichkeit, beim selben Arbeitgeber weiter zu arbeiten. Da der Großteil der britischen Staatsbürger im qualifizierten Bereich beschäftigt ist, erscheint es arbeitsmarktpolitisch sinnvoll, sie bis zum Erhalt eines Aufenthaltstitels nach dem NAG ungehindert in Österreich weiter arbeiten zu lassen und ihnen auch einen Arbeitgeberwechsel zu ermöglichen.

Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs ohne Austrittsabkommen verlieren britische Staatsangehörige und deren Familienangehörige auch ihr bisheriges unionsrechtliches Aufenthaltsrecht (4. Hauptstück des NAG). Begleitend zur vorgeschlagenen Übergangsregelung im AuslBG sind daher Sonderregelungen im NAG vorgesehen, die britischen Staatsangehörige unter deutlich vereinfachten Bedingungen die Möglichkeit einräumen, einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erhalten, um so ihren weiteren Aufenthalt und ihren freien Arbeitsmarktzugang zu bewahren. Konkret können britische Staatsangehörige und deren drittstaatsangehörige Familienangehörige ein weiteres Aufenthaltsrecht in Form eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ beantragen, wenn sie zum Austrittszeitpunkt bereits über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Österreich verfügt haben, ihr Aufenthalt nicht den öffentlichen Interessen widerstreitet, dh sie keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen, und der Antrag binnen sechs Monaten (ab Austritt) gestellt wird. Bei rechtzeitiger Antragstellung besteht ein Aufenthaltsrecht bis zur rechtskräftigen Entscheidung. Dieses Aufenthaltsrecht kann gegebenenfalls auf Antrag von den Aufenthaltsbehörden mittels Feststellungsbescheid bestätigt werden.

In Bezug auf den Bereich der sozialen Sicherheit bestehen nach Auffassung der EU-Kommission va in zwei Bereichen Verpflichtungen für die EU27 Mitgliedstaaten:

-Zum einen sind Versicherungs-, Beschäftigungs-, Wohnzeiten und Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit, die vor dem Austrittszeitpunkt im Vereinigten Königreich zurückgelegt wurden, auch bei einem späteren Leistungsantrag mit den in den EU27 Mitgliedstaaten zurückgelegten Zeiten zusammenzurechnen. Das ergibt sich daraus, dass dieses Recht unmittelbar mit der Ausübung der unionsrechtlichen Freizügigkeit der betroffenen Personen in der Vergangenheit zusammenhängt (so zB auch EuGH 12. 10. 1978, Rs 10/78, Belbouab). Für die Umsetzung dieser Verpflichtung sind unmittelbar die Grundsätze des Unionsrechts anwendbar, insb die VO (EG) 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit idgF.
-Zum anderen werden die EU27 Mitgliedstaaten von der Eu-Kommission aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass Alterspensionen weiterhin auch bei Wohnort der berechtigten Personen im Vereinigten Königreich gewährt werden. Dieser Verpflichtung entspricht das nationale österreichische Recht, indem bei sämtlichen Leistungen der Pensionsversicherung kein Ruhen bei Auslandsaufenthalt vorgesehen ist (zB § 89 ASVG). Daher sind für den Bereich der sozialen Sicherheit aus derzeitiger Sicht keine ergänzenden gesetzlichen Maßnahmen erforderlich.

3. Abschnitt (Bildung)

Das Vereinigte Königreich soll in der Aufzählung jener Länder ergänzt werden, in denen Studien mit Mobilitätsstipendium gefördert werden können (§ 56d Abs 1 StudFG).

Zudem soll eine Übergangsregelung geschaffen werden, wonach § 4 Abs 1a StudFG auch nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU auf jene britischen Staatsbürger Anwendung findet, die bereits vor diesem Zeitpunkt auf der Grundlage einer Gleichstellung gem § 4 Abs 1a StudFG Studienbeihilfe beziehen.

4. Abschnitt (Finanzen)

Bei einem Austritt ohne Austrittsabkommen wären Kapitalanlagefonds einer britischen Kapitalanlagegesellschaft, die von einer Betrieblichen Vorsorgekasse im Vermögen einer Veranlagungsgemeinschaft gehalten werden und als „OGAW“ die Voraussetzungen der RL 2009/65/EG erfüllen, ab dem Zeitpunkt des Austritts als Alternative Investmentfonds (AIF) gem der RL 2011/61/EU zu qualifizieren sein und unter die Veranlagungsgrenze des § 30 Abs 3 Z 7a BMSVG fallen (nur mehr bis zu 1 vH des Vermögens der Veranlagungsgemeinschaft). Damit solche Veranlagungen nicht bis zum Austrittsdatum möglicherweise mit Verlust veräußert werden müssen oder zu einer Sanktion der FMA wegen Verletzung der Veranlagungsvorschriften führen, muss eine vemögenswahrende Abschichtung über einen Übergangszeitraum (bis 1. 1. 2021) ermöglicht werden. Es sollen daher im Übergangszeitraum bezüglich dieser Veranlagungsgrenze weder Verwaltungsstrafen noch Pönalezinsen verhängt werden.

5. Abschnitt (Inneres und Integration)

In diesem Bereich werden vereinfachte Regelungen zur Erteilung von Aufenthaltstitel für ehemalige Unionsbürger und deren Familienangehörigen nach dem Austritt eines Mitgliedstaats aus der EU geschaffen.

In § 28 Abs 2 IntG wird weiters eine Verordnungsermächtigung für den Fall des EU-Austritts eines Mitgliedstaats geschaffen: Die BMEIÄ soll diesfalls durch Verordnung Ausnahmen von der Pflicht zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung (Modul 1 und Modul 2 gem den §§ 9 und 10 IntG) für Staatsangehörige dieses Landes und deren Familienangehörige festlegen können.

Anmerkung: Die Ausnahmeregelungen in NAG und IntG sind zwar neutral formuliert (Austritt „eines Mitgliedstaats“ aus der EU ohne Austrittsabkommen). Die jeweiligen Übergangsbestimmungen stellen das Inkrafttreten dieser Ausnahmeregelungen allerdings unter die Bedingung, dass Großbritannien ohne Austrittsabkommen austritt („tritt mit dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Austritts des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union unter der Bedingung in Kraft, dass der Austritt ohne Austrittsabkommen gemäß Art 50 Abs 2 EUV erfolgt“).

6. Abschnitt (Justiz)

6.1. Rechtsanwälte

Im Berufsrecht der Rechtsanwälte müssen jene Konstellationen geregelt werden, in denen ein Staatsangehöriger des Vereinigten Königreichs vor dessen Austritt aus der EU

-in die Liste der Rechtsanwälte oder Rechtsanwaltsanwärter einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen worden ist oder
-in Ausschöpfung der Möglichkeiten der RL 98/5/EG [zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat...], der RL 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und des EIRAG einen Antrag auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte nach dreijähriger effektiver und regelmäßiger Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Österreich oder auf Ablegung der Eignungsprüfung nach dem EIRAG gestellt hat.

Die RV sieht dazu vor, dass der Betreffende (nur) in den genannten Fällen und unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit auch nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Österreich (bzw zu einer Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter) befugt sein soll, dies gegebenenfalls mit den Besonderheiten und Einschränkungen gem dem 3. Teil des EIRAG. Zur Vermeidung einer Schlechterstellung von österreichischen Staatsangehörigen oder Staatsangehörigen eines anderen EU-Mitgliedstaats/EWR-Vertragsstaats oder der Schweiz soll das insofern im EIRAG vorgesehene Regime auch für solche (natürlichen) Personen gelten, die bis zum Austritt Großbritanniens zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft im Vereinigten Königreich unter der Berufsbezeichnung „Advocate“, „Barrister“ oder „Solicitor“ berechtigt waren oder – bezogen auf die Eignungsprüfung – über einen Ausbildungsnachweis verfügt haben, der zum unmittelbaren Zugang zu einem dieser Berufe berechtigt, und die bereits vor dem Austrittszeitpunkt die „Vollintegration“ initiiert haben.

Hinsichtlich der Ausübung der Rechtsanwaltschaft in einer Gesellschaft wird vorgesehen, dass eine in die Liste der Rechtsanwalts-Gesellschaften eingetragene Gesellschaft britischen Rechts zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft auch nach dem Austritt Großbritanniens für einen Zeitraum von einem Jahr zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Österreich berechtigt sein soll (ebenso eine Rechtsanwalts-Kommanditgesellschaft, an der als einziger Komplementär eine Gesellschaft britischen Rechts beteiligt ist, bzw auch Zweigniederlassungen von Rechtsanwalts-Gesellschaften mit Hauptsitz im Vereinigten Königreich).

In den EB wird ausdrücklich festgehalten, dass mit diesen Regelungen ausschließlich der ganz besonderen Situation Rechnung getragen werden soll, in der sich britische Staatsangehörige aufgrund des „Brexit“ doch weitgehend unvermittelt befinden. Sie sind somit einzig Resultat der bisherigen EU-Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs und der bisherigen Rechte britischer Staatsangehöriger. Wie immer geartete Rückschlüsse auf die Rechte und Befugnisse von Staatsangehörigen sonstiger (Dritt-)Staaten im Bereich der sog „legal services“ können daraus nicht gezogen werden; auch die Berufung auf eine Meistbegünstigungsklausel in einem internationalen Handelsabkommen oder einem gleichartigen völkerrechtlichen Instrument ist nach den EB in diesem Zusammenhang ausgeschlossen.

6.2. Gesellschaftsrecht

Ein eigenes „Bundesgesetz zur kollisionsrechtlichen Beurteilung von im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland registrierten Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Österreich“ sieht vor, dass für die kollisionsrechtliche Beurteilung von Gesellschaften, die im Austrittszeitpunkt im Vereinigten Königreich registriert sind, aber ihren Verwaltungssitz in Österreich haben, das Vereinigte Königreich „bis zum 31. 12. 2020 weiter als Mitgliedstaat der Europäischen Union gilt“.

7. Abschnitt (Landwirtschaft)

Im Bereich der Gemeinsamen Marktorganisationen finden grundsätzlich die unionsrechtlichen Vorschriften Anwendung. Sollten sich infolge Fehlens eines Austrittsabkommens Schwierigkeiten in den wirtschaftlichen Beziehungen bei Marktordnungswaren ergeben, sollen die entsprechenden Maßnahmen durch Verordnung getroffen werden können (Ausweitung der Verordnungsermächtigung des § 18 MOG 2007, die derzeit nur die Schaffung ergänzender Regeln iZm dem Beitritt neuer Mitgliedstaaten vorsieht).

8. Abschnitt (Austrittszeitpunkt)

Die Inkrafttretensbestimmungen und Stichtagsregelungen des Brexit-Begleitgesetzes 2019 knüpfen jeweils an den „Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Austritts“ des Vereinigten Königreichs aus der EU ohne Austrittsabkommen an. Erfolgt der Austritt Großbritanniens tatsächlich ohne Austrittsabkommen gem Art 50 Abs 2 EUV, sieht der 8. Abschnitt vor, dass der Bundeskanzler den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Austritts im Bundesgesetzblatt kundzumachen hat.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 26722 vom 31.01.2019