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Datenschutz - Widerspruchsrecht

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

DSG 2000: § 1, § 8, § 28

1. Eine Verletzung im Grundrecht auf Datenschutz nach § 1 DSG 2000 ist bei öffentlichen Daten grundsätzlich auszuschließen, soweit sie zulässigerweise veröffentlicht wurden (hier: öffentliche Daten der Ärzteliste der Österreichischen Ärztekammer gem § 27 Abs 1 ÄrzteG, die der Bekl auch in sein Internetportal aufgenommen hat). Mangelnde Schutzwürdigkeit iSd § 1 Abs 1 DSG 2000 kann allerdings tatsächlich nur bei bloßer Reproduktion von „allgemein zugänglichen Daten“ ohne Generierung neuer Information angenommen werden kann.

2. Mangelnder grundrechtlicher Schutz schließt nicht notwendigerweise den speziellen Schutz durch einfachgesetzliche Regelungen aus. Bei allgemeiner Verfügbarkeit der Daten werden zwar schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen nicht verletzt, die weiteren Voraussetzungen der (einfachgesetzlichen) Zulässigkeitsprüfung müssen aber sehr wohl erfüllt sein, wie etwa § 7 DSG 2000 (rechtliche Befugnis des Auftraggebers, Verhältnismäßigkeit, Einhaltung der allgemeinen Grundsätze des § 6 DSG 2000).

Außerdem kann gegen die Verwendung zulässigerweise veröffentlichter Daten gem § 28 DSG 2000 Widerspruch erhoben werden. Zwar wurde das unbedingte Widerspruchsrecht des Abs 2 vom VfGH mit 31. 12. 2016 aufgehoben. Unter Berücksichtigung der EuGH-Rsp erscheint aber eine extensive Interpretation des § 28 Abs 1 DSG 2000 dahin geboten, dass bei der Interessenabwägung nach dieser Bestimmung nicht nur auf Geheimhaltungsinteressen abzustellen ist, sondern auf sämtliche schutzwürdigen Interessen (hier: Persönlichkeitsrechte des Betroffenen bzw seine Privatautonomie). Andernfalls würde der in der DatenschutzRL vorgegebene Schutz des Betroffenen im Rahmen des Widerspruchsrechts eingeschränkt.

OGH 27. 6. 2016, 6 Ob 48/16a

Sachverhalt

Der Kl ist Allgemeinmediziner, betreibt eine Arztpraxis und ist Mitglied der Ärztekammer. Die hier strittigen (persönlichen) Daten des Kl finden sich sowohl auf seiner eigenen Homepage als auch auf der Webseite der Ärztekammer Wien (www.praxisplan.at).

Die Bekl betreibt unter www.d*****.at ein Internetportal, auf dem Internetnutzer „die Spezialisten für ihre medizinischen Anliegen unter allen niedergelassenen Ärzten Österreichs“ finden und diese „Ärzte anderen Patienten“ weiter empfehlen können. Die Bekl hat den Kl mit seinem Vor- und Zunamen, der Anschrift seiner Ordination und weiteren Kontaktdaten, den Ordinationszeiten, den vom Kl erworbenen Diplomen der Österreichischen Ärztekammer und den „Krankenkassen“ aufgenommen (Anm: bis auf die Ordinationszeiten alles Daten der Ärzteliste gem § 27 Abs 1 ÄrzteG). Eine Zustimmung des Kl zur Aufnahme dieser Daten hat die Bekl nicht eingeholt; einem schriftlichen Verlangen des Kl auf Löschung der Daten vom Portal vom 15. 6. 2014 ist sie nicht nachgekommen.

Das ErstG gab - gestützt auf § 28 Abs 2 DSG 2000 - dem Unterlassungs- und Löschungsbegehren des Kl statt. Da nach dieser Bestimmung keine Interessenabwägung stattzufinden hat, sah der VfGH - aus Anlass eines Normenkontrollantrags der Bekl gem Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B-VG - in diesem pauschalen unbedingten Widerspruchsrecht einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit und hob § 28 Abs 2 DSG 2000 mit Ablauf des 31. 12. 2016 auf (VfGH 8. 10. 2015, G 264/2015 = RdW 2015/581 = jusIT 2015/99 [Thiele] = MR 2015, 296 [Koukal] = ecolex 2016, 112 [Urbanek]).

Das BerufungsG wies das Klagebegehren ab.

Der OGH gab der dagegen erhobenen Revision nicht Folge.

Entscheidung

Allgemein zugängliche Daten

Der OGH beschäftigt sich in seinen Entscheidungsgründen zunächst mit dem Grundrecht auf Datenschutz, das hier im Hinblick auf die Öffentlichkeit der Daten der Ärzteliste der Ärztekammer und deren zulässige Veröffentlichung gem § 27 Abs 1 ÄrzteG nicht verletzt wurde. Dass über die bloße Reproduktion der allgemein zugänglichen Daten hinaus neue Daten generiert worden wären - allenfalls durch die Verknüpfung von Daten mit Bewertungen auf dem Internetportal der Bekl -, wurde vom Kläger nicht behauptet. Ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse des Kl an den von der Bekl veröffentlichten Daten war hier also nicht gegeben.

Da dem OGH jedoch eine extensive Interpretation des § 28 Abs 1 DSG 2000 dahin geboten scheint, dass nicht lediglich auf Geheimhaltungs-, sondern auf sämtliche schutzwürdigen Interessen abzustellen ist, war im vorliegenden Verfahren weiters auch zu berücksichtigen, inwieweit andere Persönlichkeitsrechte des Kl oder seine Privatautonomie verletzt wurden.

Namensrecht - Namensnennung

Der Kl macht ua eine Verletzung seines Namensrechts geltend: Unter den Informationen des Kl auf der Website der Bekl fänden sich Werbeeinschaltungen anderer Ärzte; damit werde er ohne seine Zustimmung als Werbeträger verwendet. Dem hält der OGH zunächst entgegen, dass Werbeeinschaltungen auf der Website der Bekl, angeordnet unter dem Namen und den Daten des Bekl, noch keinen Anschein eines ideellen oder wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen den anderen Ärzten und ihm begründen. Schon aufgrund des festgestellten Zwecks der Website werde ein solcher Eindruck beim angesprochenen Publikum nicht erweckt.

Weiters weist der OGH darauf hin, dass die Nennung des Namens einer Person in Mitgliederverzeichnissen ein Fall der Namensnennung ist (vgl 7 Ob 329/97a; aA noch 4 Ob 313/64) und durch eine Namensnennung nicht das Namensrecht berührt wird, sondern das allgemeine Persönlichkeitsrecht des § 16 ABGB (RIS-Justiz RS0109218, RS0109217).

Anders als bei der Verletzung des Namensrechts kommt es bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Namensnennung nicht entscheidend darauf an, ob der Namensträger die Namensnennung gestattet hat. Der Namensträger hat kein uneingeschränktes Recht zu entscheiden, ob sein Name in der Öffentlichkeit genannt werden darf (RIS-Justiz RS0109217 [T3]).

Hat die betroffene Person nicht zugestimmt und besteht weder ein gesetzliches Verbot noch eine gesetzliche Ermächtigung, hängt die Rechtswidrigkeit von der vorzunehmenden Interessenabwägung ab (7 Ob 329/97a). Diese schlägt hier zugunsten der Bekl aus:

Die Tatsache, dass der Kl praktizierender Arzt in Österreich ist, ist für die interessierte Öffentlichkeit schon aus seiner Berufsausübung erkennbar. Das Bild seiner Persönlichkeit wird durch die Anführung seiner Daten nicht in einer Weise verzerrt, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht in schutzwürdigen Interessen beeinträchtigen würde (vgl 7 Ob 329/97a; BGH VI ZR 196/08 [Rz 43 f]).

Weiters bringt die Aufnahme in ein Verzeichnis wie hier für den Arzt grundsätzlich nur Vorteile, weil die Öffentlichkeit von der Vollständigkeit des Verzeichnisses der Bekl ausgehen und durch das Verzeichnis auf ihn aufmerksam gemacht wird.

Nachteile durch die Namensnennung entstehen dem Kl nicht und Nachteile aufgrund der Verknüpfung seiner Daten mit den Bewertungen der Nutzer hat der Kl nicht behauptet. Damit musste sich der des OGH auch nicht mit der Auffassung des deutschen BGH (VI ZR 358/13 [Rz 31 f]) auseinandersetzen, wonach Bewertungen nicht nur erhebliche Auswirkungen auf den sozialen und beruflichen Geltungsanspruch eines Arztes hätten, sondern vielmehr auch die Arztwahl behandlungsbedürftiger Personen beeinflussten, wodurch sie sich unmittelbar auf die Chancen des Arztes im Wettbewerb mit anderen Ärzten auswirkten und im Fall von negativen Bewertungen sogar die berufliche Existenz gefährden könnten.

Die vorzunehmende Interessenabwägung führte somit unter dem Gesichtspunkt der Namensnennung zur Statthaftigkeit der Nennung des Namens des Kl auf der Plattform der Bekl.

Privatautonomie

Eine Verletzung der Privatautonomie sah der Kl schließlich darin, dass er zur Teilnahme an der Datenbank der Bekl gezwungen werde. Er könne nicht vor die Wahl zwischen einem kostenlosen Eintrag mit eingeschalteter Werbung für andere Ärzte und einem kostenpflichtigen Prämiumeintrag gestellt werden.

Dem hält der OGH va entgegen, dass es für einen etwaigen Kontrahierungszwang (Anm: auf Seiten des Bekl - offensichtlich im Sinne eines kostenlosen Eintrags mit den Vorteilen eines Prämiumeintrags) auf das Fehlen zumutbarer Ausweichmöglichkeiten für den „Normalbedarf“ oder „Notbedarf“ des Interessenten ankomme und der Interessent Willens und in der Lage ist, die Leistung zu den gewöhnlichen Bedingungen zu erwerben (RIS-Justiz RS0016744 [T7]).

Zum „Normalbedarf“ gehört zwar auch die Sicherung der ungestörten normalen Berufsausübung (RIS-Justiz RS0016744 [T8]), an seiner ungestörten Berufsausübung ist der Kl allerdings nicht gehindert, wenn er keine Beiträge zahlt und daher allenfalls nicht vorrangig im Verzeichnis der Bekl aufscheint.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22555 vom 03.11.2016