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Der Ukraine-Krieg: Auswirkungen auf die Unternehmensbewertung, namentlich den Stichtag, das Länderrisiko und die Kapitalmarktparameter

Bearbeiter: Markus Patloch-Kofler

Abstract

Der Einmarsch der russischen Streitkräfte in die souveräne Ukraine am 24. 2. 2022 stellt ein einschneidendes Ereignis dar, das auch in der globalen Wirtschaft und damit in der Ertragskraft von Unternehmen deutliche Spuren hinterlassen kann. An den Güter- und Finanzmärkten waren die Reaktionen sofort spürbar, die demokratischen Staaten haben in großer Geschlossenheit scharfe Sanktionen gegen Russland verhängt. In der Unternehmensbewertung ist diese Entwicklung zwingend zu berücksichtigen, dabei ist zwischen den unmittelbaren Auswirkungen der kriegerischen Handlungen einerseits und den langfristigen Auswirkungen der Wirtschaftssanktionen andererseits zu unterscheiden.

Stichtagsprinzip

Zunächst stellt sich die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs in der Unternehmensbewertung zu adressieren sind. Die Wahrscheinlichkeit eines offenen Kriegs in Europa war bis vor dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine am 24. 2. 2022 als unwahrscheinlich einzuschätzen. Das vollständige Spektrum sämtlicher kriegsbedingter Auswirkungen ist deshalb erst bei Bewertungen ab dem 24. 2. 2022 im Bewertungskalkül zu erfassen.

Für lokale Einheiten in Russland oder Unternehmen mit einem erhöhten Russland-Engagement war allerdings bereits davor (ab Herbst 2021) ein erhöhtes Länderrisiko beobachtbar. Dieses ist ggfs zu berücksichtigen.

Berücksichtigung von Länderrisiko

Das unmittelbare Länderrisiko für ein Bewertungsobjekt ist in Abhängigkeit der Russland-Exposition für Bewertungsstichtage ab dem 24. 2. 2022 jedenfalls in einer aktualisierten Cashflow-Planung zu berücksichtigen.

Mittel- und langfristige Auswirkungen sind ebenfalls zu berücksichtigen. Diese können sich insbesondere durch eine Änderung der Absatz- und Beschaffungsmärkte durch die Sanktionen, aber auch durch mögliche Änderungen der Wirtschaftsordnung, wie eine Entflechtung der russischen Wirtschaft von der restlichen Weltwirtschaft, ergeben.

Da historische Erfahrungswerte mit dem Umgang ähnlicher Ereignisse fehlen, empfiehlt sich aufgrund der gestiegenen Unsicherheiten auch im Zusammenhang mit den Anpassungen der Planungsrechnungen die Anwendung von Szenarioanalysen gem KFS/BW 1, Rz 136. Dadurch können die unterschiedlichen Möglichkeiten, wie sich der Ukraine-Krieg langfristig auf die Weltwirtschaftsordnung auswirken könnte, in der Bewertung adressiert werden.

Der Ansatz einer gesonderten Länderrisikoprämie im Diskontierungssatz anstelle einer Berücksichtigung im Cashflow ist zu vermeiden. Einerseits wäre diese Vorgehensweise modelltheoretisch nicht gestützt, andererseits besteht die Gefahr einer Doppelberücksichtigung des Länderrisikos, welches ggfs bereits auch im Cashflow – zumindest teilweise – adressiert wurde.

Auswirkungen auf die Kapitalkosten

Die Kapitalkosten wurden durch den Ukraine-Krieg nur temporär beeinflusst. Es sind keine nachhaltigen Auswirkungen auf den Basiszins und kein nachhaltiger Anstieg der Marktrendite für Ableitungen auf Basis diversifizierter Indizes in Europa und der USA erkennbar.

Die Schätzung des Beta-Faktors auf Basis einer Regressionsanalyse ist hingegen kritisch zu evaluieren. Ein geändertes Geschäftsmodell kann die Anwendung eines Peer Group-Betas anstelle des unternehmensindividuellen Beta-Faktors erfordern. Einzelne nicht sachgemäße Datenpunkte im Regressionszeitraum können allenfalls bereinigt bzw durch Durchschnittsbildungen krisenbedingter Verwerfungen vermieden werden.

Detailanalyse

Sämtliche Auswirkungen des aktuellen Kriegs zwischen Russland und der Ukraine auf die Unternehmensbewertung werden ausführlich in Bartl/Patloch-Kofler/Schmitzer/Wimmer, Die Auswirkungen des Angriffskriegs Russlands in der Ukraine auf die Unternehmensbewertung, RWZ 4/2022 (in Erscheinung) analysiert.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32348 vom 06.04.2022