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Die Goodwill-Position in IFRS-Konzernabschlüssen

Bearbeiter: Markus Patloch-Kofler / Bearbeiter: Sibel Keskin

Abstract

Für viele (große) Unternehmen steht kurz vor Jahresende die Bilanzierung des Firmenwerts (oder Goodwills) kurz bevor. Damit wird ein Themenfeld angestoßen, welches insbesondere im IFRS-Kontext seit vielen Jahren Grund zur Diskussion liefert. Denn dort wird der Firmenwert nicht planmäßig abgeschrieben, sondern jährlich auf Basis des sogenannten Impairment-Only-Approaches auf seine Werthaltigkeit überprüft. Die Folge sind teils hohe Goodwill-Bestände in den Bilanzen europäischer Konzerne. Vor diesem Hintergrund wird nachfolgend die wertmäßige Bedeutung des Firmenwerts und dessen Entwicklung in den IFRS-Bilanzen der vergangenen Jahre analysiert.

Hintergrund

Der Firmenwert entsteht im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses und spiegelt – zumindest implizit – die Erwartung zukünftiger wirtschaftlicher Vorteile wider, die durch Synergien und die kombinierte Tätigkeit des erworbenen Unternehmens und der bestehenden Organisation erzielt werden. Aufgrund seiner spezifischen Eigenschaften, insbesondere seiner fehlenden Möglichkeit zur Einzelveräußerung und -bewertung, lässt sich der derivative Firmenwert nicht isoliert erfassen. Stattdessen wird er stets im Zusammenhang mit anderen Vermögenswerten bewertet und muss auf sogenannte zahlungsmittelgenerierende Einheiten (ZGE) verteilt werden. Diese Einheiten umfassen Vermögensgruppen, die eigenständig Mittelzuflüsse generieren. Die Verteilung des Goodwills orientiert sich dabei an der erwarteten Wertschöpfung und den Synergien, die durch den Zusammenschluss entstehen. In einem IFRS-Kontext unterliegen Firmenwerte gemäß IAS 36 mindestens einmal jährlich einem Werthaltigkeitstest (Impairment-Test). Dieser Test soll ermitteln, ob der Buchwert des Goodwills und der ihm zugeordneten ZGE den sogenannten erzielbaren Betrag übersteigt.1 Ist dies der Fall, ist eine außerplanmäßige Abschreibung (bzw Wertminderung) des Firmenwerts erforderlich.

Anhaltende Diskussion

Die vorangegangen beschriebene Bilanzierungspraktik ist seit Jahren in Diskussion. Kritik an der Folgebewertung des derivativen Firmenwerts richtet sich insbesondere gegen den Impairment-Only-Ansatz. Ein zentraler Kritikpunkt ist, dass dieser Ansatz auf stark subjektiven Einschätzungen basiert, die erhebliche Ermessensspielräume eröffnen. Diese können in der Praxis zu bilanzpolitischen Zwecken genutzt werden, um Wertminderungen entweder zu verzögern oder nur in geringem Umfang zu erfassen. Dies kann die Aussagekraft der Abschlüsse beeinträchtigen und ein zu optimistisches Bild der finanziellen Lage eines Unternehmens zeichnen. Dass diese Ermessensspielräume teils stark zugunsten der Werthaltigkeit des Firmenwerts genutzt werden, können empirische Untersuchungen belegen.2 Die Folge sind hohe Firmenwert-Positionen in den IFRS-Bilanzen.

Die anhaltende Kritik führte dazu, dass das IASB das Forschungsprojekt „Goodwill and Impairment“ ins Leben rief, um die bestehende Regelungen zur Folgebewertung des Goodwills zu überprüfen und Verbesserungsmöglichkeiten zu diskutieren – stets mit Blick auf ein angemessenes Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen.

Geplante Neuerungen

Die im März 2024 veröffentlichten Vorschläge im Exposure Draft des IAS 36 zielen darauf ab, die bisherigen Schwachstellen in der Folgebewertung des Goodwills zu beheben. Eine Neuerung ist der Versuch, Investoren fundiertere Informationen über die Performance von Unternehmensakquisitionen zu liefern. Weiters soll der Test gezielte angepasst werden, um übermäßigen Optimismus seitens des Managements zu verringern. Die zuvor angedeuteten Ermessensspielräume sollen damit eingeschränkt werden. So sollen künftig Unternehmen zudem explizit offenlegen, in welchem berichtspflichtigen Segment sich die zahlungsmittelgenerierende Einheit befindet, der der Goodwill zugeordnet ist. Weiterhin plant das IASB, die Berechnung des Nutzungswerts zu modifizieren. Eine weitere zentrale Änderung ist die Aufhebung der Beschränkung, nur Cashflows aus bereits verbindlichen zukünftigen Maßnahmen zu berücksichtigen. Auch die Anforderung, den Nutzungswert auf Vorsteuerbasis zu ermitteln, soll entfallen, was den Test erheblich vereinfachen könnte.

Die mögliche Wiedereinführung einer planmäßigen Abschreibung des Goodwills war ebenfalls Gegenstand der Diskussion. Das IASB entschied jedoch nach eingehender Prüfung, dass keine ausreichenden Gründe für einen Wechsel vom Impairment-Only-Ansatz vorliegen, da eine Rückkehr zur Abschreibung weder eine wesentliche Verbesserung der Informationsqualität für Investoren noch eine nennenswerte Kostenreduktion für die Unternehmen mit sich bringen würde.

Aktuelle Goodwill-Bestände

Im Lichte der andauernden Diskussion und der geplanten Neuerungen werden nachstehend die aktuellen Goodwill-Bestände gezeigt. Hierzu wurden die Bilanzdaten der zum Stichtag 31. 12. 2023 im STOXX Europe 600 gelisteten Unternehmen ausgewertet.3 Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich von 2014 bis 2023 und umfasst eine Grundgesamtheit von 443 Unternehmen.4

Die Anzahl der Unternehmen, die einen Firmenwert in ihrer Bilanz ausweisen, blieb im Untersuchungszeitraum relativ konstant. Die jährliche Wachstumsrate des bilanzierten Firmenwerts (Compound Annual Growth Rate, CAGR) lag bei moderaten 0,3 %, wobei sich ein fortgesetzter Anstieg beobachten ließ. Im Jahr 2014 belief sich der Firmenwert auf 1,12 Billionen Euro und stieg bis 2023 auf 1,68 Billionen Euro, was einer jährlichen Steigerung von 4,1 % entspricht. Nur in den Jahren 2020 und 2023, in denen äußere wirtschaftliche Herausforderungen (COVID-19-Pandemie, Ukraine-Krieg und die daraus entstehenden wirtschaftlichen Unsicherheiten) dominierten, war ein leichter Rückgang der Firmenwerte zu verzeichnen. Das Verhältnis des bilanzierten Firmenwerts zum Eigenkapital lag jedoch im gesamten Zeitraum bei etwa 42 %.

Eine ausführliche Analyse sowie ein Vergleich mit dem US-GAAP wird in Kürze in der RWZ veröffentlicht.

Conclusio

Die Untersuchung der bilanziellen Bedeutung des Goodwills in den IFRS-Konzernabschlüssen der STOXX Europe 600 Unternehmen zeigt eine kontinuierliche Zunahme der absoluten Firmenwertpositionen im Zeitraum von 2014 bis 2023, trotz temporärer Rückgänge in wirtschaftlich herausfordernden Jahren wie 2020 und 2023. Das stabile Verhältnis von Firmenwert zum Eigenkapital verdeutlicht, dass der Goodwill als Bilanzposten eine weiterhin hohe Bedeutung behält. Gleichzeitig machen die fortwährenden Debatten um den Impairment-Only-Ansatz deutlich, dass weitere Verbesserungen in der Bewertung und Folgebewertung des Goodwills erforderlich sind, um die Transparenz und Aussagekraft der Abschlüsse zu stärken.

1

Der erzielbare Betrag entspricht dem höheren Wert aus dem beizulegenden Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten und dem Nutzungswert der ZGE (IAS 36.6). Während der Nutzungswert detailliert in IAS 36 geregelt ist, verweist die Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts auf IFRS 13.


2

Siehe dazu Patloch-Kofler/Roider, Impairment-Only oder Amortization? – Eine Glaubensfrage im Lichte des IASB-Discussion Paper, RWZ 9/2020.


3

Die analysierten Daten wurden mithilfe der Datenbank LSEG erhoben.


4

Unternehmen, die während des gesamten Zeitraums nicht durchgängig gelistet waren oder der Finanzdienstleistungsbranche (dazu zählen Banken, Versicherungen sowie Vermögensverwaltungsgesellschaften) angehören, wurden aufgrund abweichender Bilanzierungsvorschriften aus der Analyse ausgeschlossen.


Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36198 vom 16.12.2024