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Dublin III-VO: Mehrfache illegale Einreise in die EU

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

VO (EU) 604/2013: Art 3, Art 13

Für den Fall, dass für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz nach Art 13 Abs 1 VO (EU) 604/2013 (Dublin III-VO) ein Mitgliedstaat zuständig ist, in den der Antragsteller wegen „systemischer Schwachstellen“ im Asylwesen nicht überstellt werden kann, sieht Art 3 Abs 2 zweiter Satz Dublin III-VO vor, dass die „Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort[gesetzt]“ wird, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Diese Regelung kann nur so verstanden werden, dass sämtliche in Kapitel III vorgesehenen Kriterien zu prüfen sind, sohin auch (neuerlich) das in Art 13 Abs 1 Dublin III-VO enthaltene Kriterium (illegales Überschreiten der „Land-, See- oder Luftgrenze“ eines Mitgliedstaats „aus einem Drittstaat kommend“).

Im vorliegenden Fall hat der Fremde (hier: Syrer) das Gebiet der EU erstmals unrechtmäßig über Griechenland betreten und ist nach Ausreise aus der EU aus Serbien kommend wieder in Kroatien unrechtmäßig eingereist. Eine Überstellung in den nach der Dublin III-Verordnung (zunächst) zuständigen Mitgliedstaat (hier: Griechenland) ist wegen systemischer Mängel im Asylwesen nicht möglich und es ist daher weiters auch zu prüfen, über welchen Mitgliedstaat das Gebiet der EU neuerlich unrechtmäßig betreten wurde (hier: Überstellung nach Kroatien).

VwGH 23. 6. 2016, Ra 2016/20/0069

Entscheidung

Der Antragsteller hat damit argumentiert, dass nach Art 13 Abs 1 Dublin III­VO Griechenland der an sich zuständige Mitgliedstaat ist. Sei die Überstellung dorthin nicht zulässig, sei das „Kriterium der illegalen Einreise damit bereits erschöpft“. Die Prüfung der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nach Art 3 Abs 2 Dublin III­VO verlange, dass nur „nachrangige“ Kriterien herangezogen werden dürften (gemeint also offensichtlich nicht neuerlich eine illegale Einreise iSd Art 13 Abs 1 Dublin III­VO).

In seiner Begründung verweist der VwGH zunächst darauf, dass der Wortlaut des Art 3 Abs 2 zweiter Satz Dublin III-VO keine Einschränkung auf bestimmte Kriterien des Kapitels III enthält.

Weiters argumentiert der VwGH mit den Zielen der Dublin III-VO:

Aus dem 25. Erwägungsgrund lasse sich ableiten, dass mit der Dublin III-VO (ua auch) das Ziel verfolgt wird, den Aufbau eines Raums ohne Binnengrenzen zu fördern, in dem der freie Personenverkehr gem den Bestimmungen des AEUV gewährleistet wird. Einem solchen Ziel würde aber die Ausklammerung des Art 13 Abs 1 Dublin III-VO im Bereich der hier in Rede stehenden Verfahren zuwider laufen, weil dann für jene Mitgliedstaaten, die über Außengrenzen verfügen, der Anreiz deutlich verringert würde, diese Außengrenzen zu sichern.

Nicht zuletzt deshalb hätten die Mitgliedstaaten die ursprünglich vorgeschlagene Fassung des Art 3 Abs 2 nicht befürwortet, wonach die Zuständigkeit bloß an den Mitgliedstaat der Antragstellung zugewiesen werden sollte. Wie die Kommission in ihrer Mitteilung vom 10. 6. 2013 an das Europäische Parlament berichtet, befürchteten die Mitgliedstaaten nämlich, dass die ursprünglich vorgeschlagene Regelung eine Sogwirkung auf irreguläre Migranten hätte, was die Mitgliedstaaten veranlassen könnte, gegen ihre Verpflichtungen aus dem EU-Recht zu verstoßen.

Auch könnte eine andere Auslegung Drittstaatsangehörige und Staatenlose dazu veranlassen, sich in andere Mitgliedstaaten zu begeben, um sich jenen Staat auszusuchen, in dem sie ihren Antrag auf internationalen Schutz stellen wollen; dies würde zu Sekundärmigration führen, die mit der Dublin III-Verordnung gerade verhindert werden soll (vgl EuGH 17. 3. 2016, C-695/15 PPU, Mirza, Rnr 52).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21956 vom 11.07.2016