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Eigenmächtiger Urlaubsantritt – verspätete Entlassung

Bearbeiter: Bettina Sabara / Bearbeiter: Barbara Tuma

UrlG § 4 Abs 4

AngG § 27 Z 4

Begehrt ein Arbeitgeber in einem Feststellungsverfahren nach § 4 Abs 4 UrlG die Feststellung, dass eine Arbeitnehmerin nicht berechtigt ist, den Urlaub zu dem von ihr gewünschten Urlaubstermin anzutreten, darf er nicht den Ausgang des Feststellungsverfahrens abwarten (hier: Berufungsurteil ca 1,5 Jahre nach Klagseinbringung), bevor er sie entlässt, wenn sie den Urlaub dennoch eigenmächtig antritt, obwohl er ihr für diesen Fall arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht hat.

OGH 28. 10. 2015, 9 ObA 79/15f

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Flugbegleiterin, wollte von 23. 12. 2012 bis 8. 1. 2013 Urlaub nehmen. Hinsichtlich der Urlaubstage vom 23. 12. bis zum 25. 12. 2012 konnte sie sich jedoch mit ihrem Arbeitgeber nicht einigen und der Arbeitgeber brachte beim Erstgericht in einem Vorprozess eine Klage auf Feststellung ein, dass die Arbeitnehmerin nicht berechtigt sei, in diesem Zeitraum Urlaub zu konsumieren. Am 22. 12. 2012 forderte der Leiter der Personalabteilung die Klägerin auf, vom 23. bis 25. 12. 2012 ordnungsgemäß ihren Dienst anzutreten, und behielt sich für den Fall des unberechtigten Nichtantritts zum Dienst arbeitsrechtliche Konsequenzen vor. Die Klägerin trat dennoch am 23. 12. 2012 ihren Urlaub an.

Nach Abweisung des Feststellungsbegehrens durch das Erstgericht wurde diesem vom OLG mit Urteil vom 25. 2. 2014 stattgegeben. Das Berufungsurteil wurde den Parteienvertretern am 1. 4. 2014 zugestellt und noch am selben Tag sprach der Arbeitgeber die Entlassung der Klägerin aus, weil sie in der Zeit vom 23. 12. bis 25. 12. 2012 unberechtigt dem Dienst ferngeblieben sei. Die außerordentliche Revision der Arbeitnehmerin gegen das Berufungsurteil wurde mit Beschluss des OGH vom 25. 9. 2014, 9 ObA 79/14d, ARD 6425/6/2014, zurückgewiesen.

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin, die Entlassung für rechtsunwirksam zu erklären, weil sie verspätet erfolgt sei.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab, beachteten dabei aber nach Ansicht des OGH den Grundsatz der Unverzüglichekit einer Entlassung nicht ausreichend, weshalb der OGH die Urteile aufhob und die Rechtssache an das Erstgericht zurückverwies.

Entscheidung

In seinen Entscheidungsgründen hält der OGH ua fest, dass der Arbeitgeber bei einem vorerst undurchsichtigen, zweifelhaften Sachverhalt zwar bis zur einwandfreien Klarstellung aller wesentlichen Tatumstände in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch die hiefür zuständige Behörde mit der Entlassung zuwarten darf (zB beim Vorwurf einer strafbaren Handlung; vgl zB OGH 29. 5. 2012, 9 ObA 35/12f, ARD 6248/3/2012); diese Rsp könne hier jedoch nicht herangezogen werden, weil kein unklarer Sachverhalt vorliegt, den der Arbeitgeber nicht mit eigenen Mitteln aufklären könnte: Die für die Entlassung maßgeblichen Umstände – Fernbleiben des Arbeitnehmers vom Dienst infolge Urlaubsantritts – liegen vielmehr klar zutage. Ob der Arbeitgeber ausreichende Gründe hat, dem Arbeitnehmer den Urlaubsantritt zum vorgeschlagenen Zeitpunkt zu verwehren, ist eine Frage ihrer Bewertung, nicht aber der Sachlage.

Daraus folgt aber – so der OGH –, dass § 4 Abs 4 UrlG die Verteilung des Risikos für die Rechtzeitigkeit einer Entlassung nicht ändert: Schon nach den Materialien (AB 276 BlgNR 14. GP 3) „hat der Arbeitnehmer, der trotz fristgerechter Klagsführung den Urlaub eigenmächtig antritt, alle arbeitsrechtlichen Konsequenzen (einschließlich der Gefahr der fristlosen Entlassung) zu tragen, wenn der Rechtsstreit zu seinen Ungunsten endet. Dies selbst dann, wenn die Entscheidung des Arbeitsgerichtes erst nach Urlaubsantritt ergeht.“

Genau so wie der Arbeitnehmer bei eigenmächtigem Urlaubsantritt also trotz Feststellungsklage des Arbeitgebers die sofortige Entlassung wegen einer Dienstverfehlung riskiere, müsse danach der Arbeitgeber die Folgen der Einschätzung tragen, ob eine Entlassung noch dem Unverzüglichkeitsgrundsatz entspricht, wenn er sie erst nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens ausspricht. Weder dem Gesetzestext des § 4 UrlG noch den Erläuterungen sei zu entnehmen, dass die dargestellte Risikoverteilung den Arbeitgeber schon per se berechtige, vor dem Ausspruch der Entlassung den Ausgang des Feststellungsverfahrens abzuwarten.

Der OGH verwirft auch das Argument des Arbeitgebers, gerade durch die Fortführung des Feststellungsverfahrens sei offenkundig, dass die Klägerin nur so lange weiter beschäftigt werde, bis die Berechtigung des Urlaubsantritts geklärt sei: Nach Ansicht des OGH kann ein Arbeitgeber mit der Klagsführung auch nur die Aufrechterhaltung der disziplinären Ordnung im Betrieb verfolgen (hier: Beachtung der Urlaubseinteilung); das Interesse des Arbeitgebers, das Fehlen einer Berechtigung zum Urlaubsentritt gerichtlich feststellen zu lassen, sei somit keineswegs zwingend mit einem Interesse an der unverzüglichen Auflösung des Dienstverhältnisses des Arbeitnehmers verknüpft.

Ungeachtet der Androhung „dienstrechtlicher Konsequenzen“ ist für den OGH im vorliegenden Fall vor dem Hintergrund der langen und unbeanstandeten Weiterbeschäftigung der Klägerin nicht ersichtlich, warum dem Arbeitgeber auch noch im Zeitpunkt des Ausspruchs der Entlassung am 1. 4. 2014 eine Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zu einem Kündigungstermin nicht zumutbar gewesen sein sollte. Objektiv betrachtet lasse dies nur den Schluss zu, dass sich der Arbeitgeber seines Entlassungsrechts begeben hat.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21103 vom 12.02.2016