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Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen – VfGH-Prüfungsbeschluss

Bearbeiter: Birgit Bleyer / Bearbeiter: Barbara Tuma

EStG: § 20 Abs 2 idF BGBl I 2012/22

EStG: § 30 Abs 7 idF BGBl I 2012/112

Der VfGH hat den Beschluss gefasst,

-eine Wortfolge in § 20 Abs 2 EStG 1988 idF BGBl I 2012/22 (Abzugsverbot für Werbungskosten iZm privaten Grundstücksveräußerungen) und
-§ 30 Abs 7 EStG 1988 idF BGBl I 2012/112 (Einschränkungen des Verlustausgleichs bei privaten Grundstücksveräußerungen)

von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

Hinsichtlich § 30 Abs 7 EStG 1988 hegt der VfGH va das Bedenken, dass diese Bestimmung insofern zu unsachlichen Differenzierungen führen könnte, als sie einerseits den Ausgleich von Verlusten mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zuzulassen scheint, die in keinem sachlichen Zusammenhang mit privaten Grundstücken stehen (wie zB Einräumung von Werknutzungen iSd UrhG), und andererseits Einkünfte vom Ausgleich auszuschließen scheint, die in einem sachlichen Zusammenhang mit privaten Grundstücken stehen, aber nicht als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu qualifizieren sind (zB Einräumung eines Vorkaufsrechts oder Verzicht, ein Grundstück zu bebauen).

Eine Verletzung des Gleichheitssatzes vermutet der VfGH auch iZm dem Abzugsverbot für Werbungskosten des § 20 Abs 2 EStG 1988, soweit die (nicht abziehbaren) Nebenkosten iZm einer Veräußerung (zB Maklerprovisionen) jenen wirtschaftlich gleichwertig sind, die im Zuge einer Anschaffung anfallen können und als Anschaffungsnebenkosten abziehbar sind. Auch der Ausschluss von Fremdenkapitalaufwendungen könnte zu einer unsachlichen Benachteiligung der Veräußerer führen, die das Grundstück fremdfinanziert angeschafft haben.

VfGH 14. 6. 2017, E 1156/2016 (G 183/2017)

Rechtslage

Anmerkung: Trotz der im Folgenden dargestellten Unterschiede der geprüften zur geltenden Fassung der Bestimmungen dürften die Bedenken des VfGH auch für die geltende Fassung relevant sein.

Geprüft werden vom VfGH folgende Bestimmungen (die in Prüfung gezogenen Wortfolgen sind unterstrichen):

§ 20 Abs 2 EStG idF BGBl I 2012/22 (1. StabG 2012):

„Weiters dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben nicht abgezogen werden, soweit sie mit

-nicht steuerpflichtigen Einnahmen oder
-Einkünften, auf die der besondere Steuersatz gem § 27a Abs 1 oder § 30a Abs 1 anwendbar ist,

in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.“

Die derzeit geltende Fassung BGBl I 2015/118 (StRefG 2015/2016) lautet:

„Weiters dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben nicht abgezogen werden, soweit sie mit

-nicht steuerpflichtigen Einnahmen oder
-Einkünften, auf die ein besonderer Steuersatz gem § 27a Abs 1 anwendbar ist oder
-Einkünften, auf die der besondere Steuersatz gem § 30a Abs 1 angewendet wird,

in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.“

Durch diese Änderung sollte nach den Mat zwar wie bisher neben der Veranlagung von Einkünften aus Grundstücksveräußerungen zum besonderen Steuersatz auch eine Veranlagung zum progressiven Tarif erfolgen können (Regelbesteuerungsoption gem § 30a Abs 2 EStG), anders als bisher soll jedoch nunmehr der Abzug von Werbungskosten oder Betriebsausgaben bei Ausübung der Regelbesteuerungsoption nicht durch § 20 Abs 2 EStG ausgeschlossen werden: Aus diesem Grund soll das Abzugsverbot nur mehr dann Anwendung finden, wenn der besondere Steuersatz des § 30a Abs 1 EStG auch tatsächlich angewendet wird (ErläutRV 684 BlgNR 25. GP, 16).

§ 30 Abs 7 idF BGBl I 2012/112 (AbgÄG 2012):

„(7) Führen die privaten Grundstücksveräußerungen, auf die der besondere Steuersatz gem § 30a Abs 1 anwendbar ist, in einem Kalenderjahr insgesamt zu einem Verlust, ist dieser zur Hälfte ausschließlich mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auszugleichen. Dies gilt auch im Falle der Ausübung der Regelbesteuerungsoption (§ 30a Abs 2).“

Die derzeit geltende Fassung BGBl I 2015/118 (StRefG 2015/2016) lautet im Vergleich hierzu:

„Führen private Grundstücksveräußerungen, auf die der besondere Steuersatz gem § 30a Abs 1 anwendbar ist, in einem Kalenderjahr insgesamt zu einem Verlust, ist dieser auf 60 % zu kürzen und gleichmäßig auf das Jahr der Verlustentstehung und die folgenden vierzehn Jahre zu verteilen und ausschließlich mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auszugleichen. Der Steuerpflichtige kann in der Steuererklärung beantragen, dass stattdessen dieser gekürzte Verlust im Verlustentstehungsjahr mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ausgeglichen wird. Diese Regelungen gelten auch im Falle der Ausübung der Regelbesteuerungsoption (§ 30a Abs 2).“

Nach der Neufassung kann somit ein Verlust aus privaten Grundstücksveräußerungen nur mehr im Ausmaß von 60 % auf 15 Jahre verteilt mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ausgeglichen werden. Der Steuerpflichtige kann jedoch stattdessen in der Steuererklärung für das Verlustentstehungsjahr einen Antrag stellen, dass der Verlust im Ausmaß von 60 % mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sofort ausgeglichen wird (siehe dazu auch die ErläutRV 684 BlgNR 25. GP, 11).

Prüfungsbeschluss

Einführung der Immobilienertragsteuer

Mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl I 2012/22, hat der Gesetzgeber die bis dahin lediglich im Rahmen des Spekulationstatbestandes (§ 30 Abs 1 EStG idF vor dem 1. StabG 2012) erfassten Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen umfassend in die Einkommensbesteuerung einbezogen. Diese Einkünfte unterliegen seit dem 1. 4. 2012 – unabhängig vom Ablauf einer Frist – einem besonderen Steuersatz und sind bei der Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen zu berücksichtigen (§ 30a Abs 1 EStG 1988). Mit der Entrichtung der selbstberechneten Immobilienertragsteuer gilt die Einkommensteuer für diese Einkünfte als abgegolten (§ 30b Abs 1 EStG 1988).

Der Gesetzgeber sieht dabei in § 30a Abs 2 EStG 1988 auch vor, dass anstelle des besonderen Steuersatzes auf Antrag der allgemeine Steuertarif angewendet werden kann (Regelbesteuerungsoption).

Einschränkungen beim Verlustausgleich

Ferner sieht § 30 Abs 7 EStG idF BGBl I 2012/112 für Verluste aus privaten Grundstücksveräußerungen, auf die der besondere Steuersatz anwendbar ist, Einschränkungen hinsichtlich des Verlustausgleichs vor:

Danach ist der Verlust aus privaten Grundstücksveräußerungen zur Hälfte ausschließlich mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auszugleichen.

Erzielt somit ein Steuerpflichtiger aus einer privaten Grundstücksveräußerung einen Verlust, so ist dieser nach der für den Beschwerdefall maßgeblichen Rechtslage

-in einem ersten Schritt mit positiven Einkünften aus privaten Grundstücksveräußerungen auszugleichen;
-in einem zweiten Schritt ist ein verbleibender negativer Betrag zu halbieren und mit einem allfälligen positiven Saldo der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auszugleichen.

Ein verbleibender Verlustüberhang bleibt unberücksichtigt, zumal für negative Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen kein Verlustvortrag vorgesehen ist.

§ 30 Abs 7 EStG 1988 dürfte aber seinem Wortlaut nach nicht nur den Ausgleich mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von Grundstücken erlauben: Die ohne Bezugnahme auf Grundstücke erfolgende Anknüpfung in § 30 Abs 7 EStG 1988 an „Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung“ bedingt anscheinend, dass auch solche Einkünfte zum Ausgleich berechtigen, die nach § 28 EStG 1988 zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehören, ohne dass sie in einem sachlichen Zusammenhang mit einem privaten Grundstück stünden. Dies dürfte auf die Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von Sachinbegriffen gem § 28 Abs 1 Z 2 EStG 1988 (zB Betriebsverpachtungen) zutreffen und auf die Überlassung oder Verwertung von Rechten gem § 28 Abs 1 Z 3 EStG 1988 (ua Einräumung von Werknutzungen iSd UrhG und Überlassung gewerblicher Schutzrechte).

Ferner dürften Einkünfte aus Nutzungen von privaten Grundstücken, die nicht zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führen (wie zB Einkünfte für die Einräumung eines Vorkaufsrechts oder für den Verzicht ein Grundstück zu bebauen), vom Verlustausgleich ausgeschlossen sein, obgleich sie unbestreitbar aufgrund von Leistungen erzielt werden, die zu außerbetrieblichen Einkünften führen, die in einem sachlichen Zusammenhang mit Grundstücken stehen, der jenem in den zum Verlustausgleich zugelassenen Fällen der Vermietung eines Grundstückes vergleichbar zu sein scheint.

§ 30 Abs 7 EStG 1988 dürfte somit insofern zu unsachlichen Differenzierungen führen. Inwieweit diesen Bedenken im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung des Begriffs der Vermietung und Verpachtung in § 30 Abs 7 EStG 1988 Rechnung getragen werden kann, wird im Gesetzesprüfungsverfahren zu klären sein.

Abzugsverbot für Werbungskosten

Bedenken sind beim VfGH anlässlich der Beschwerde aber auch hinsichtlich des Abzugsverbots gem § 20 Abs 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 idF BGBl I 2012/22 entstanden:

Danach dürfen bei Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben nicht abgezogen werden, soweit sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einkünften stehen, auf die der besondere Steuersatz gem § 27a Abs 1 oder § 30a Abs 1 EStG 1988 anwendbar ist.

Die Vorschrift schließt somit – sieht man von den in § 30 Abs 3 EStG 1988 explizit zum Abzug zugelassenen Kosten (für die Mitteilung oder Selbstberechnung gem § 30c EStG 1988) ab – sämtliche Aufwendungen vom Abzug aus, die nach allgemeinen Grundsätzen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten von den Einkünften aus privaten Grundstücksveräußerungen abzusetzen wären (vgl VfGH 29. 11. 2014, G 137/2014 ua, Rechtsnews 18795). Dies soll auch dann gelten, wenn die Einkünfte aufgrund der Regelbesteuerungsoption des § 30a Abs 2 EStG 1988 mit dem allgemeinen Steuertarif besteuert werden (vgl die ErläutRV 1680 BlgNR 24. GP, 10).

Unter das Abzugsverbot fallen etwa Kosten für Inserate, Verkäuferprovisionen an den Makler, vom Verkäufer übernommene Vertragserrichtungskosten, Kosten für Bewertungsgutachten sowie Fremdfinanzierungsaufwendungen, sofern das Grundstück nicht zur Einkünfteerzielung verwendet wird und die Veräußerung auch nicht von der Besteuerung ausgenommen ist.

Hingegen fallen nach der hA Aufwendungen dann nicht unter das Abzugsverbot, wenn sie zu den Anschaffungsnebenkosten des Grundstücks zählen: Der Umstand, dass solche Aufwendungen die Anschaffungskosten erhöhen, bedingt ihre Abzugsfähigkeit im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte (vgl Doralt/Ruppe, Steuerrecht I11, 2013, Tz 123). Dies gilt etwa für die entrichtete Grunderwerbsteuer, Aufschließungskosten sowie die vom Käufer übernommenen Maklerprovisionen und Vertragserrichtungskosten.

Soweit Aufwendungen, die iZm einer Veräußerung anfallen, jenen wirtschaftlich gleichwertig sind, die im Zuge einer Anschaffung anfallen können, scheint deren unterschiedliche Behandlung hinsichtlich ihrer Abzugsfähigkeit den Gleichheitssatz zu verletzen (vgl VfGH 14. 6. 2017, G 336/2016). Eine sachliche Rechtfertigung für diese unterschiedliche Behandlung kann der VfGH vorderhand nicht erkennen.

Soweit § 20 Abs 2 EStG 1988 eine Abzugsfähigkeit von Fremdenkapitalaufwendungen ausschließt, dürfte das Abzugsverbot überdies dazu führen, dass ein Veräußerer, der das Wirtschaftsgut mit Fremdkapital angeschafft hat, insofern unsachlich benachteiligt wird, als er – ungeachtet des größeren Aufwandes – ebenso belastet wird, wie ein Veräußerer, der das Grundstück eigenfinanziert angeschafft hat.

Anders als für die Kapitaleinkünfte, die den besonderen Steuersätzen des § 27a EStG 1988 unterliegen, ist das Abzugsverbot für Aufwendungen iZm privaten Grundstücksveräußerungen nicht verfassungsrechtlich unangreifbar.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 23906 vom 20.07.2017