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Entsendung nach Österreich - Meldepflicht trotz Zweigniederlassung

Bearbeiter: Manfred Lindmayr / Bearbeiter: Barbara Tuma

AVRAG § 7b

Entsendet ein Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des EWR einen Arbeitnehmer zur Erbringung einer Arbeitsleistung nach Österreich, hat er diese Entsendung vor Arbeitsaufnahme ua gemäß § 7b Abs 3 AVRAG der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung des BMF zu melden, und zwar auch dann, wenn der Arbeitgeber über eine Zweigniederlassung in Österreich verfügt. Eine Zweigniederlassung begründet nämlich keinen „eigenständigen“ Sitz; der Sitz des Unternehmens bleibt vielmehr im Entsendestaat.

VwGH 14. 12. 2015, Ra 2015/11/0083

Sachverhalt

Die P GmbH mit dem Unternehmensgegenstand Sicherheitsnetzbauarbeiten hat ihren Sitz in Simbach (Deutschland) und eine Zweigniederlassung in Braunau am Inn. Am 8. 1. 2014 wurde auf einer Baustelle in Österreich der Dienstnehmer JM von der Finanzpolizei bei der Montage eines Sicherungsnetzes angetroffen; diese Montage erfolgte im Rahmen eines Vertrags zwischen der P GmbH und einem inländischen Auftraggeber (F GmbH). Eine Meldung an die Zentrale Koordinationsstelle vor Arbeitsaufnahme des Dienstnehmers in Österreich war nicht erfolgt.

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Geschäftsführer der P GmbH wegen der Nichtmeldung der Arbeitsaufnahme an die Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung des BMF zu einer Geldstrafe verpflichtet. Das Verwaltungsgericht ging dabei ua davon aus, dass eine Zweigniederlassung nur ein weiterer Unternehmenssitz sei, der von der Hauptniederlassung abhängig sei und keine eigene Rechtspersönlichkeit habe. Verträge würden daher nicht mit der Zweigniederlassung, sondern mit dem jeweiligen Rechtsträger (Hauptsitz) geschlossen und der ausländische Unternehmer werde aus allen Geschäften seiner österreichischen Zweigniederlassung selbst unmittelbar berechtigt und verpflichtet.

Dagegen richtet sich die Beschwerde, die vom VwGH zugelassen wurde, weil es keine Rechtsprechung des VwGH zur Frage gibt, was - bei Bestehen einer Zweigniederlassung - unter „Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des EWR als Österreich“ iSd § 7b Abs 1 AVRAG zu verstehen ist.

Entscheidung

Es steht außer Streit, dass Arbeitgeber des Arbeitnehmers JM zum Tatzeitpunkt unbestritten die P GmbH war und sich der Sitz der Unternehmensleitung der P GmbH, also jener Ort, an dem die Hauptverwaltung tatsächlich geführt wird, in Deutschland befindet.

Zweigniederlassung begründet keinen Sitz

Hinsichtlich des Arbeitgeber- bzw Arbeitnehmerbegriffs im Anwendungsbereich der EntsendeRL (RL 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen) schließt sich der VwGH dem OGH an (vgl OGH 2. 6. 2009, 9 ObA 43/09b, ARD 6013/10/2009, betr BUAG-Beiträge iZm einer ausländischen Zweigniederlassung) und sieht auch keinen Anlass, unter „Arbeitgeber“ gemäß § 7b Abs 1 AVRAG anderes zu verstehen.

Weiters weist der VwGH darauf hin, dass nach Art 1 Abs 3 Z 2 RL 96/71/EG bereits dann eine Entsendung vorliegt, wenn ein Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat einen Arbeitnehmer in eine Niederlassung oder ein der Unternehmensgruppe angehörendes Unternehmen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsendet, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht. Dieser weite Anwendungsbereich wurde für erforderlich befunden, weil ein Unternehmen sonst nur eine Niederlassung oder ein Tochterunternehmen in einem anderen Mitgliedstaat zu eröffnen und einige seiner Arbeitnehmer zu Erbringung einer zeitlich befristeten Arbeitsleistung dieser Niederlassung oder Tochtergesellschaft zuzuweisen brauche, um nicht mehr an die Richtlinie gebunden zu sein (so die Materialien KOM/91/230ENDG-SYN 346, CELEX-Nummer 51991PC0230).

Wenn aber schon die Entsendung in eine Niederlassung des Unternehmens in einen anderen Mitgliedstaat in den Anwendungsbereich der EntsendeRL fällt, sieht der VwGH keinen Grund für die Annahme, dass eine solche (Zweig-)Niederlassung einen Sitz des Unternehmens im Aufnahmemitgliedstaat iSd Art 1 Abs 1 der RL 96/71/EG begründen könnte.

Überdies erinnert der VwGH daran, dass auch eine registrierte Zweigniederlassung sowohl nach deutschem als auch nach österreichischem Recht keine eigene Rechtspersönlichkeit hat (vgl etwa VwGH 27. 10.1992, 90/05/0110, oder OGH 2. 6. 2009, 9 ObA 43/09b, ARD 6013/10/2009). Sie ist daher weder rechts- noch parteifähig und stellt einen Bestandteil des Unternehmens der Gesellschaft dar. Träger von Rechten und Pflichten ist die ausländische Gesellschaft.

Unternehmer mit Sitz in einem Mitgliedstaat iSd Art 1 Abs 1 der EntsendeRL und daher auch Arbeitgeber iSd § 7b Abs 1 AVRAG ist im vorliegenden Fall unstrittig die P GmbH. Auch nach der EntsendeRL bleibt der „Sitz“ eines Unternehmens trotz (Zweig-)niederlassung im Aufnahmemitgliedstaat im Entsendestaat. Auch bei einer Konstellation wie der vorliegenden begründet eine Zweigniederlassung folglich keinen „eigenständigen“ Sitz. Für ein anders Verständnis bietet § 7b Abs 1 AVRAG keinen Anhaltspunkt. Der VwGH vermochte daher die unionsrechtlichen Bedenken der Revision nicht zu teilen.

„Fortgesetzte“ Arbeitsleistung

Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses konnte die Revision auch nicht mit dem Argument aufzeigen, dass kurzfristige Montagetätigkeiten für wenige Stunden im Zusammenhang mit der Lieferung von Anlagen keine „fortgesetzte Arbeitstätigkeit“ iSd § 7b Abs 3 AVRAG idF vor BGBl I 2014/94 seien.

Dazu erinnert der VwGH zunächst an das Erkenntnis VwGH 26. 2. 2015, Ro 2014/11/0100, ARD 6448/10/2015, wonach die Wortfolge „Arbeitnehmer, der von einem Arbeitgeber ... zur Erbringung einer fortgesetzten Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird“ als Konstellation einer „Entsendung im engeren Sinn“ zu verstehen ist - also Tätigwerden des Arbeitnehmers im Rahmen einer länderübergreifenden Dienstleistung im Namen und unter Leitung eines Unternehmens im Rahmen eines Vertrags zwischen diesem, die Leistung erbringenden Unternehmen und einem österreichischen Dienstleistungsempfänger als Auftraggeber, wobei das Tätigwerden nur vorübergehender Natur ist.

Die Wortfolge „zur Erbringung einer fortgesetzten Arbeitsleistung“ geht - so der VwGH - auf die Stammfassung des § 7 Abs 2 AVRAG (BGBl 1993/459) zurück, eine besondere Bedeutung komme ihr aber seit der Novelle BGBl I 2012/98 nicht mehr zu. Dem sei zuletzt auch mit der - im vorliegenden Fall noch nicht einschlägigen - Novelle BGBl I 2014/94 durch Streichung des Begriffs „fortgesetzten“ vor „Arbeitsleistung“ Rechnung getragen worden.

In einer Konstellation wie der vorliegenden, in der der entsandte Arbeitnehmer zumindest für einen Tag eine Arbeitsleistung im Namen und unter Leitung der P GmbH im Rahmen eines Vertrags zwischen der P GmbH und der F GmbH als inländischem Auftraggeber erbracht hat (hier: Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach den vorgelegten Akten sowohl am 7. 1. als auch am 8. 1. 2014 in Österreich), hält der VwGH die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts für nicht rechtswidrig, dass es sich dabei um eine „fortgesetzte“ Arbeitsleitung iSd § 7b Abs 1 AVRAG gehandelt habe.

Auch auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum konnte sich der Arbeitgeber im vorliegenden Fall nicht berufen, weil er geeignete Erkundigungen bei der zuständigen Stelle verabsäumt hat.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21202 vom 01.03.2016