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Erbrechtsverfahren – keine Verschwiegenheitspflicht von Ärzten und Pflegern

Bearbeiter: Wolfgang Kolmasch

ZPO: § 321 Abs 1 Z 3

AußStrG: §§ 35, 161

ÄrzteG: § 54

GuKG: § 6

OÖ SBG: § 8

Gem § 321 Abs 1 Z 3 ZPO begründet eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht ein Aussageverweigerungsrecht des Zeugen, sofern keine Entbindung erfolgt ist. Wenn es um höchstpersönliche Umstände wie die Gesundheit geht, kann die Entbindung weder vom Gericht substituiert noch von einem Vertreter, Erben oder dem Nachlasskurator erteilt werden. Dennoch schließt der Umstand, dass die geschützte Person bereits verstorben ist, die Annahme einer Entbindung nicht aus, weil in diesem Fall mangels ausdrücklicher oder konkludenter Äußerungen zu Lebzeiten auf ihren hypothetischen Willen abzustellen ist.

Ärzte, Gesundheits- und Krankenpfleger sowie Heimhelfer, die über den psychischen Zustand des Erblassers zur Zeit der Testamentserrichtung Auskunft geben können, sind im Erbrechtsverfahren von ihren nach § 54 ÄrzteG, § 6 GuKG und § 8 OÖ SBG bestehenden Verschwiegenheitspflichten entbunden. Da die Feststellung der Testierfähigkeit oder -unfähigkeit im Interesse des Erblassers liegt, ist nämlich von einem hypothetischen Willen zur Entbindung auszugehen, sofern keine abweichenden Willensäußerungen zu Lebzeiten bekannt sind.

Auf Geheimhaltungsinteressen, welche die Verwertung von Gerichtsakten oder Urkunden in einem Verfahren ausschließen, kann nur vor Verlesung und Aufnahme in den Akt Bedacht genommen werden. Nachdem sie verlesen und in den Akt aufgenommen worden sind, können die Parteien uneingeschränkt Akteneinsicht nehmen und sich in ihren Beweisanträgen darauf berufen. Es begründet daher einen Verfahrensmangel, wenn das Gericht den Sachwalterschaftsakt, ein Pflegegeldgutachten und ärztliche Befunde des Erblassers verlesen und in den Akt aufgenommen hat, dann aber deren Einbeziehung in das Gutachten zur Testierfähigkeit ausschließt.

OGH 27. 7. 2017, 2 Ob 162/16m

Anmerkung

Zum Geheimnisschutz im Erbrechtsverfahren insb in Bezug auf Sachwalterschaftsakten beachte 2 Ob 194/14i = Zak 2015/596, 336. Dort gelangte der OGH abweichend von der Vorjudikatur zum Schluss, dass das Interesse des Verstorbenen an der Feststellung seines wahren letzten Willens es rechtfertigen kann, Parteien des Erbrechtsverfahrens auf Antrag Einsicht in Teile seines Sachwalterschaftsaktes zu gewähren, die seinen psychischen Zustand betreffen.

In der vorliegenden Entscheidung musste er sich nicht näher mit den Voraussetzungen befassen, weil der Sachwalterschaftsakt bereits verlesen worden war und es nur noch um die Verwertung im Sachverständigengutachten zur Testierfähigkeit ging.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 24058 vom 17.08.2017