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Erhebliche Überzahlungen über 15 Monate: gutgläubiger Erwerb

Bearbeiter: Bettina Sabara

ABGB § 1431

Wird einer Arbeitnehmerin (hier: einer Hausbesorgerin) über einen Zeitraum von insgesamt 15 Monaten irrtümlich ein Vielfaches des ihr zustehenden Lohns ausbezahlt, ist sie dann nicht zur Rückzahlung des Übergenusses verpflichtet, wenn sie mehrmals (hier: dreimal) beim Arbeitgeber nachgefragt hat, ob das Entgelt in dieser Höhe richtig sei, und ihr dies jedesmal bestätigt wurde. In diesem Fall ist sie ihrer Nachforschungspflicht ausreichend nachgekommen. Aufgrund der wiederholten Zusicherungen, dass die Entgeltzahlungen in der erfolgten Höhe richtig seien, konnte die Arbeitnehmerin auf die Richtigkeit der Abrechnung vertrauen.

OGH 27. 4. 2016, 8 ObA 9/16f

Sachverhalt

Die beklagte Arbeitnehmerin war viele Jahre als Hausbesorgerin einer Liegenschaft tätig. Nach einem Eigentümerwechsel der Liegenschaft übertrug der neue Arbeitgeber die Hausverwaltung an eine Gesellschaft, die die Abrechnung des Hausbesorgerentgelts von einer Treuhandgesellschaft vornehmen ließ. Die Treuhandgesellschaft rechnete irrtümlich überhöhte Entgeltbeträge zugunsten der Arbeitnehmerin ab. Aus diesem Grund nahm der Arbeitgeber in einem Zeitraum von 15 Monaten Überzahlungen in Höhe von rund € 830,- bis € 850,- monatlich vor. Die Arbeitnehmerin wies die Hausverwalterin dreimal darauf hin, dass sie ein Vielfaches im Vergleich zum früher bezahlten Entgelt erhalte und fragte, ob dies in Ordnung sei. Ihr wurde jedes Mal zugesichert, dass die Entgeltzahlungen in der erfolgten Höhe richtig seien. Die Arbeitnehmerin ging daher davon aus, dass ihr der höhere Entgeltanspruch zustehe, weil sie gegenüber früher rund 40 Fenster, die Fensterbretter, das Geländer und den Dachboden zusätzlich zu putzen hatte.

Mit seiner Klage forderte der Arbeitgeber die Überzahlungen zurück. Der Arbeitnehmerin sei das überhöhte Hausbesorgerentgelt irrtümlich ausgezahlt worden. Während das Erstgericht das Rückzahlungsbegehren abwies, gab das Berufungsgericht dem Klagebegehren statt. Der OGH stellte nun über die Revision der Arbeitnehmerin das klagsabweisende Ersturteil wieder her.

Entscheidung

Eingangs wies der OGH auf die stRsp hin, dass irrtümlich angewiesene Beträge grundsätzlich vom Arbeitgeber zurückgefordert werden können. Lediglich im Fall redlichen Verbrauchs durch den Arbeitnehmer sei die Rückforderung ausgeschlossen, wobei der gute Glaube nicht nur durch auffallende Sorglosigkeit des Empfängers ausgeschlossen wird, sondern von der Rsp schon dann verneint werde, wenn der Arbeitnehmer bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit des ihm ausgezahlten Betrags auch nur zweifeln musste. Da die Gutgläubigkeit gemäß § 328 ABGB vermutet wird, habe der rückfordernde Arbeitgeber die Unredlichkeit des Arbeitnehmers zu beweisen.

Der Arbeitnehmer darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass ihm alle vom Arbeitgeber zukommenden Leistungen auch wirklich endgültig zustehen (vgl OGH 26. 2. 2014, 9 ObA 168/13s, ARD 6393/8/2014). Es müssen daher besondere Umstände vorliegen, aus denen für den Arbeitnehmer erkennbar wird, dass keine ordnungsgemäße Zahlung vorliegt, er also damit rechnen muss, die Überzahlung an den Arbeitgeber zurückzahlen zu müssen.

Im hier vorliegenden Fall musste die Arbeitnehmerin aufgrund der Höhe der Überzahlungen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bezüge haben und hatte solche auch tatsächlich. Die Besonderheit des Falles liegt für den OGH darin, dass die Arbeitnehmerin auf ihre Zweifel reagiert und die zuständige Hausverwalterin dreimal darauf hingewiesen hat, dass sie ein Vielfaches im Vergleich zu früher ausgezahlt erhalten habe. Dementsprechend hat sie nachgefragt, ob dies in Ordnung sei. Damit habe die Arbeitnehmerin aber ihrer Sorgfaltspflicht entsprochen.

Aufgrund der wiederholten Zusicherungen der Hausverwalterin, dass die Entgeltzahlungen in der erfolgten Höhe richtig seien, konnte die Arbeitnehmerin auf die Richtigkeit der Abrechnung und die höhere Entlohnung iZm dem Wechsel des Arbeitgebers vertrauen. In dieser Situation mussten für die Arbeitnehmerin die Zweifel an der Richtigkeit der Steigerung ihres Einkommens nicht fortbestehen und sie ist als gutgläubig anzusehen. Die Voraussetzungen für die Rückforderung der Überzahlungen sind daher hier zufolge gutgläubigen Empfangs und Verbrauchs nicht gegeben.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21654 vom 19.05.2016