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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
Abstract
Die Integration von ESG-Faktoren (Environmental, Social, Governance) in die Unternehmensbewertung gewinnt in der internationalen Bewertungsgemeinschaft zunehmend an Bedeutung. Vor diesem Hintergrund hat der International Valuation Standards Council (IVSC) zwischen dem 28. März und dem 31. Mai 2024 eine umfassende globale Umfrage durchgeführt. Ziel war es, den aktuellen Stand der ESG-Integration in der Bewertungspraxis zu analysieren, Herausforderungen zu identifizieren und Hinweise auf mögliche Weiterentwicklungen im Rahmen der International Valuation Standards (IVS) zu erhalten.
Hintergrund
Das International Valuation Standards Council (IVSC) ist ein unabhängiger globaler Standardsetzer für Unternehmensbewertung. Ziel des IVSC ist, die Qualität der Bewertungspraktiken international zu verbessern. Im Januar 2024 hat der IVSC den Entwurf seines überarbeiteten Standards vorgestellt, der Ende Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist. Dieser hat erstmalig ESG-Themen aufgefasst. Vor diesem Hintergrund führte die ESG-Working Group des IVSC von 28. März bis 31. Mai eine Umfrage durch, dessen Ergebnisse zum Start des Inkrafttretens der überarbeitenden Fassung im IVSC Perspective Paper „The Integration of ESG in Valuation Practices: IVSC Global Survey 2024“ veröffentlich wurden. Insgesamt nahmen 542 Personen aus 85 Ländern an der Umfrage teil. Besonders erwähnenswert dabei ist, dass fast die Hälfte der Befragten mehr als 20 Jahre Berufserfahrung im Bereich der Unternehmens- oder Immobilienbewertung vorweisen konnte.
Umfrageergebnisse
Die Auswertung der Umfrage verdeutlicht, dass die Integration von ESG-Faktoren in der Bewertungspraxis derzeit noch von erheblichen Unterschieden in der praktischen Umsetzung geprägt ist. Während sich eine wachsende Sensibilität und ein generelles Bewusstsein für die Relevanz von ESG beobachten lassen, ist deren tatsächliche Umsetzung in Bewertungsmodellen vielfach noch lückenhaft oder inkonsequent. Nur etwa 30 % der Befragten gaben an, ESG- oder Nachhaltigkeitsfaktoren „immer“ oder „sehr häufig“ in ihre Bewertungen zu integrieren. Der größte Teil des Befragten zieht ESG nur gelegentlich oder gar nicht in Betracht.
Ein auffälliges regionales Gefälle besteht dabei insbesondere zwischen Europa und Nordamerika. In Europa geben rund zwei Drittel der Befragten an, ESG-Faktoren zumindest gelegentlich zu berücksichtigen. In den USA berücksichtigt die überwiegende Mehrheit (80 %) ESG selten oder nie aktiv in Bewertungsprozessen.
Die Umfrage identifiziert eine Reihe konkreter Hindernisse, die einer systematischen ESG-Integration entgegenstehen. Das am häufigsten genannte Problem ist das Fehlen standardisierter, allgemein anerkannter Metriken zur Bewertung von ESG-Faktoren. Dies betrifft insbesondere soziale und ökologische Aspekte, deren Auswirkungen auf den Unternehmenswert oft schwer zu quantifizieren sind. Die Unsicherheit über Relevanz, Datenqualität und methodische Umsetzbarkeit erschwert die Integration in traditionelle Bewertungsansätze.
Um ESG-Faktoren in den Bewertungen korrekt zu berücksichtigen, griffen die Befragten am häufigsten auf das ISSB-Framework zurück (17 %), gefolgt von der EU-Taxonomie (10 %), fast ein Viertel der Befragten gab jedoch an, kein Framework als hilfreich zu empfinden. In der praktischen Umsetzung zeigt sich zudem, dass ESG-Faktoren überwiegend nicht isoliert bewertet werden. Rund 71 % der Befragten führen keine eigenständige ESG-Bewertung durch, und nur eine Minderheit nimmt eine systematische Trennung der drei Komponenten Umwelt, Soziales und Unternehmensführung vor.
Die ESG-Working Group bat die Teilnehmenden der Umfrage auch um eine Einschätzung zur Relevanz und Angemessenheit der ESG-Inhalte in der ab 2025 gültigen Fassung der International Valuation Standards. Eine Mehrheit der Befragten erachtete den Detaillierungsgrad des Anhangs zu IVS 104 „Daten und Eingaben“ im Hinblick auf die Berücksichtigung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren als insgesamt angemessen. Über ein Drittel bewertete die Leitlinien als ausreichend bzw sehr ausreichend. Allerdings wurde angemerkt, dass es weiterer technischer Leitlinien zur Quantifizierung von ESG-Faktoren unter Verwendung bestehender Bewertungsansätze und -methoden bedarf. Beinahe die Hälfte der Befragten war der Ansicht, dass die Auswirkungen von ESG-Faktoren auf Bewertungen neue Bewertungsansätze erfordern.
Handlungsempfehlungen der ESG-Working Group
Trotz der aktuell noch lückenhaften Umsetzung sehen die meisten Befragten die Bedeutung von ESG als zunehmend relevant an. Die explizite Berücksichtigung und Quantifizierung von ESG-Faktoren steckt jedoch vielerorts noch in den Anfängen, wobei viele Bewertende davon ausgehen, dass ESG-Faktoren oft bereits implizit in Bewertungen enthalten sind.
Die IVSC leitet aus den Ergebnissen drei zentrale Empfehlungen ab:
- | Die Notwendigkeit von Standardisierung von ESG-Metriken. |
- | Verstärkung der Weiterbildung, damit Bewerter ESG-Kompetenz praxisnah aufzubauen. |
- | Ein besserer Dialog zwischen Bewertenden, Auftraggebern und Regulatoren ist notwendig, um ESG-Erwartungen und -Anforderungen im Bewertungsprozess zu harmonisieren. |
Conclusio
Die Umfrageergebnisse des IVSC zeigen, dass bislang kein einheitlicher Konsens über die systematische Einbeziehung von ESG-Faktoren in Bewertungsverfahren besteht. Während das Bewusstsein für die Relevanz von Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten zweifellos gestiegen ist, erfolgt die Berücksichtigung von ESG-Informationen in vielen Fällen eher implizit und unsystematisch, eine fundierte, methodisch abgesicherte Quantifizierung bleibt hingegen die Ausnahme