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EuGH: Besteuerung fester Zinserträge aus Genussscheinen

Bearbeiter: Barbara Tuma

DBA BRD: Art 11

Genussscheine, die – wie hier – nur einen jährlichen Zinsertrag in Höhe eines festen Prozentsatzes ihres (ebenfalls festen) Nennwerts gewähren, darüber hinaus aber nicht zur Beteiligung am Gewinn des Emittenten berechtigen, sind keine „Forderungen mit Gewinnbeteiligung“ iS der Ausnahmebestimmung des Art 11 Abs 2 DBA BRD; sie werden daher nach der Regel des Art 11 Abs 1 DBA BRD in dem Staat besteuert, in dem der Nutzungsberechtigte ansässig ist.

EuGH 12. 9. 2017, C-648/15, Österreich/Deutschland

Sachverhalt

Zu den Schlussanträgen des Generalanwalts siehe ÖStZ 2017/368

Mit ihrer Klage hat die Republik Österreich den Gerichtshof um Entscheidung der Streitigkeit zwischen ihr und der Bundesrepublik Deutschland über die Auslegung von Art 11 Abs 2 DBA BRD (BGBl III 2002/182) ersucht; strittig ist die Besteuerung von Zinserträgen aus Genussscheinen, die von einer deutschen Bank ausgegeben wurden und von einer österreichischen Bank gehalten werden.

Während Einkünfte aus Dividenden gem Art 10 DBA BRD grds in dem Staat besteuert werden, aus dem sie stammen, werden „Einkünfte in Form von Zinsen“ nach Art 11 Abs 1 DBA BRD grds in dem Staat besteuert, in dem der Nutzungsberechtigte ansässig ist. Für „Einkünfte aus Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters [...] oder aus partiarischen Darlehen und Gewinnobligationen“ sieht Art 11 Abs 2 DBA BRD weiters vor, dass diese „jedoch auch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert“ werden dürfen. Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung solcher Einkünfte haben die Vertragsstaaten die sog „Anrechnungsmethode“ gewählt (Art 23 DBA BRD); danach hat der Staat, in dem der Nutzungsberechtigte der Zinsen ansässig ist, die im Quellenstaat bereits erhobene Steuer auf die Steuer anzurechnen, die dort auf die Einkünfte des Nutzungsberechtigten zu erheben ist.

Im Anlassfall geht es um Genussscheine der (nunmehrigen) Landesbank NRW (mit Sitz in Deutschland), die die Bank Austria AG (mit Sitz in Österreich und dort unbeschränkt steuerpflichtig) zwischen 1996 und 1998 erworben hat. Unstrittig sind ua folgende Ausgabebedingungen für die Genussscheine:

-Es besteht Anspruch auf eine jährliche Ausschüttung nach einem festen Prozentsatz des Nennwerts.
-Sofern durch die jährliche Ausschüttung ein Bilanzverlust entsteht, verringert sich der Ausschüttungsbetrag entsprechend.
-Die Genussscheine gewähren jedoch während ihrer Laufzeit ein Nachzahlungsrecht in späteren Jahren, soweit durch diese Nachholung der Ausschüttung kein Bilanzverlust entsteht.
-Die Rückzahlung des zur Verfügung gestellten Genussscheinkapitals erfolgt zum Nennwert.
-Wird jedoch ein Bilanzverlust ausgewiesen, vermindert sich der Rückzahlungsanspruch entsprechend. Auch hier erfolgt die Wiederauffüllung der Rückzahlungsansprüche auf den Nennwert während der Laufzeit des Genussscheins in späteren Jahren, sofern dadurch kein Bilanzverlust entsteht.
-Es besteht keine Beteiligung am Liquidationserlös des Emittenten.

Unstreitig ist ferner, dass es sich bei den Einkünften aus den Genussscheinen nicht um Dividenden iSv Art 10 DBA BRD handelt; Uneinigkeit besteht jedoch darüber, ob diese Zinsen unter Art 11 Abs 1 oder Abs 2 DBA BRD fallen. Österreich ist der Ansicht, dass die Genussscheine nicht zu einer Gewinnbeteiligung iSv Art 11 Abs 2 DBA BRD berechtigten, während Deutschland gegenteiliger Auffassung ist.

Aufgrund dieser unterschiedlichen rechtlichen Einordnung beanspruchten beide Staaten das ausschließliche Recht zur Besteuerung der Zinsen, was für die Bank Austria in den Steuerjahren 2003 bis 2009 zu einer Doppelbesteuerung führte.

Ein Verständigungsverfahren gem Art 25 Abs 1 DBA BRD wurde Ende 2011 für gescheitert erklärt. Die Republik Österreich machte die Streitigkeit daher gem Art 25 Abs 5 DBA BRD vor dem Gerichtshof anhängig.

Entscheidung

Keine Gewinnbeteiligung

In seinen Entscheidungsgründen bestätigt der EuGH zunächst seine Zuständigkeit zur Entscheidung über die vorliegende Streitigkeit und setzt sich danach mit der Auslegung des Begriffs „Forderungen mit Gewinnbeteiligung“ iSd DBA nach völkerrechtlichen Methoden auseinander. Dabei hält er ua fest, dass sich die Wendung „Forderungen mit Gewinnbeteiligung“ schon nach der gewöhnlichen Bedeutung des Begriffs „Gewinnbeteiligung“ auf Finanzprodukte bezieht, deren Vergütung sich zumindest teilweise in Abhängigkeit von der Höhe des Jahresgewinns des Schuldners ändert.

Diese Auslegung wird nach Ansicht des EuGH durch den Zusammenhang und die Zielsetzung der Bestimmungen gestützt:

Der Begriff steht in Art 11 Abs 2 DBA BRD vor einer Aufzählung, die seiner Veranschaulichung dient und in der drei Arten von Finanzinstrumenten genannt werden, deren gemeinsames Merkmal darin liegt, dass sich ihre Vergütung in Abhängigkeit vom Jahresgewinn des Emittenten ändern kann („Gewinnobligationen“, „partiarische Darlehen“, „stiller Gesellschafter“).

Von seiner Zielsetzung her normiert Art 11 Abs 2 DBA BRD eine Ausnahme von der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse nach Art 11 Abs 1 DBA BRD und ist daher eng auszulegen.

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Genussscheine jedes Jahr in Höhe eines festen Prozentsatzes ihres (ebenfalls festen) Nennwerts vergütet werden, wobei beide Werte bei der Zeichnung im Voraus festgelegt werden. Auch wenn die Vergütung der Genussscheine gemindert oder ausgesetzt wird, wenn das Geschäftsjahr des Emittenten ihretwegen mit einem Verlust endet, und die Vergütung in späteren profitablen Geschäftsjahren nachgeholt wird, sofern durch die Nachzahlung kein Bilanzverlust entsteht, bedeutet diese Besonderheit nach Ansicht des EuGH nur, dass die jährliche Zinszahlung von der Erzielung eines hinreichenden Bilanzgewinns im selben Geschäftsjahr abhängig ist, nicht aber, dass die Genussscheine über den Anspruch auf die jährlichen Zinsen hinaus zur Beteiligung an diesem Gewinn berechtigen würden.

Der EuGH hat daher für Recht erkannt:

1.Der in Art 11 Abs 2 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 24. 8. 2000 verwendete Begriff „Forderungen mit Gewinnbeteiligung“ ist dahin auszulegen, dass er Wertpapiere wie die im vorliegenden Fall in Rede stehenden nicht umfasst.
2.Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.
Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 24189 vom 13.09.2017