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EuGH: Direktübertragung einer Sportveranstaltung auf Website

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2001/29/EG: Art 3

RL 2006/115/EG: Art 8

Die kostenpflichtige Direktübertragung von Sportveranstaltungen eines Bezahlsenders auch über seine Website fällt nicht unter den Schutz des Art 3 Abs 2 Buchstabe d RL 2001/29/EG1; dieser erstreckt sich nämlich nur auf die „öffentliche Zugänglichmachung“ von Aufzeichnungen, weil kumulativ die beiden Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt sein müssen, nämlich dass der Öffentlichkeit der Zugriff sowohl von Orten als auch zu Zeiten ihrer Wahl ermöglicht wird.

Allerdings können die Mitgliedstaaten den Sendeunternehmen darüber hinausgehende Ausschließlichkeitsrechte gewähren, und zwar sogar Rechte, die über Art 8 Abs 3 RL 2006/115/EG2 (betr die drahtlose Weitersendung ihrer Sendungen) hinausgehen, sofern dadurch der Schutz der Urheberrechte nicht beeinträchtigt wird. Eine nationale Regelung kann daher das Ausschließlichkeitsrecht der Sendeunternehmen grds auch auf Direktübertragungen von Sportveranstaltungen über das Internet ausdehnen, sofern eine solche Ausdehnung den Schutz der Urheberrechte nicht beeinträchtigt.

EuGH 26. 3. 2015, C-279/13, C More Entertainment; zu einem schwedischem Vorabentscheidungsersuchen.

Sachverhalt

C More Entertainment ist ein kostenpflichtiger Fernsehsender, der ua auf seiner Website gegen Bezahlung Direktübertragungen von Eishockeyspielen anbietet.

Im Herbst 2007 übertrug C More Entertainment auf dieser Website mehrere Eishockeyspiele. Das Recht, diese Übertragungen zu sehen, konnten Interessierte gegen Zahlung von 89 Schwedischen Kronen (etwa 9,70 Euro) pro Spiel erwerben.

Herr Sandberg richtete auf seiner Website Links ein, durch die das Bezahlsystem von C More Entertainment umgangen werden konnte. Diese Links ermöglichten es den Besuchern seiner Website, unentgeltlich die von C More Entertainment veranstalteten Direktübertragungen zweier Eishockeyspiele zu verfolgen.

Vor dem ersten der beiden Spiele forderte C More Entertainment Herrn Sandberg telefonisch erfolglos auf, die Links auf seiner Website zu entfernen. Nach diesem Spiel wies C More Entertainment Herrn Sandberg schriftlich darauf hin, dass durch die Setzung dieser Links ihre Rechte verletzt worden seien.

Während der Übertragung des zweiten Spiels richtete C More Entertainment einen technischen Schutz ein, so dass über die von Herrn Sandberg gesetzten Links kein Zugang zu dieser Übertragung mehr möglich war.

Vom Bezirksgericht wurde Herr Sandberg einer Verletzung der Urheberrechte für schuldig befunden und zur Zahlung einer Geldstrafe sowie zur Leistung von Schadenersatz an C More Entertainment verurteilt.

Das BerufungsG hingegen ging davon aus, dass die Arbeit der Kommentatoren, Kameraleute oder Regisseure der Übertragungen von Eishockeyspielen weder für sich allein noch alle Teile zusammengenommen die für den urheberrechtlichen Schutz notwendige Originalität erreichten. C More Entertainment habe aber für die fraglichen Übertragungen aber verwandte Schutzrechte inne, die verletzt worden seien. Daher verurteilte das BerufungsG Herrn Sandberg zu einer höheren Geldstrafe als das erstinstanzliche Gericht, setzte jedoch den C More Entertainment zuerkannten Schadensersatz leicht herab.

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs geht weder aus dem Wortlaut der RL 2001/29/EG noch aus der Rsp des EuGH hervor, dass die Anbringung eines Hyperlinks auf einer Website eine öffentliche Wiedergabe darstelle. Die betreffende nationale Regelung sehe weiter reichende verwandte Schutzrechte vor als Art 3 Abs 2 RL 2001/29/EG, denn anders als diese Bestimmung beschränke das schwedische Recht den Schutz nicht auf Handlungen der Zugänglichmachung „auf Abruf“. Der Gerichtshof legte dem EuGH schlussendlich folgende Frage zur Vorabentscheidung vor (4 weitere Fragen wurden zurückgezogen):

„Dürfen die Mitgliedstaaten dadurch ein weiter gehendes Ausschließlichkeitsrecht des Rechtsinhabers festlegen, dass von der öffentlichen Wiedergabe Handlungen erfasst sind, die über die in Art 3 Abs 2 der RL 2001/29/EG genannten Handlungen hinausgehen?“

Entscheidung

Gem Art 3 der RL 2001/29/EG haben die Mitgliedstaaten vorzusehen, dass

-den Urhebern das „ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten“ (Abs 1),
-bzw dass ua den „Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen...“ das ausschließliche Recht zukommt, „zu erlauben oder zu verbieten, dass ... Schutzgegenstände drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind“ (Abs 2 Buchst d).

Nach Ansicht des EuGH ist die Vorlagefrage im Wesentlichen so zu verstehen, ob Art 3 Abs 2 RL 2001/29/EG einer nationalen Regelung entgegensteht, die das Ausschließlichkeitsrecht der in Art 3 Abs 2 Buchst d der RL 2001/29/EG genannten Sendeunternehmen auf Handlungen der öffentlichen Wiedergabe ausdehnt, die in Direktübertragungen von Sportveranstaltungen über das Internet wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden bestehen könnten.

Keine „öffentliche Zugänglichmachung“ bei Direktübertragung

Dazu stellt der EuGH zunächst fest, dass gemäß Art 3 Abs 2 Buchstabe d der RL 2001/29/EG die Mitgliedstaaten den Sendeunternehmen das ausschließliche Recht gewähren müssen, zu erlauben oder zu verbieten, dass die Aufzeichnungen ihrer Sendungen in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind:

Erstens gehe aus Art 3 Abs 1 der RL 2001/29/EG, insbesondere aus der Wendung „öffentliche Wiedergabe … einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung“, hervor, dass der Begriff „öffentliche Zugänglichmachung“ unter den weiter gehenden Begriff „öffentliche Wiedergabe“ fällt. Zweitens sei Art 3 Abs 2 der RL 2001/29/EG zu entnehmen, dass eine „öffentliche Zugänglichmachung“ im Sinne dieses Artikels nur vorliegt, wenn kumulativ die beiden Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt sind, nämlich dass der betreffenden Öffentlichkeit der Zugriff auf den betreffenden Schutzgegenstand sowohl von Orten als auch zu Zeiten ihrer Wahl ermöglicht wird (vgl dazu EuGH 15. 3. 2012, C-135/10, SCF, EU:C:2012:140, LN Rechtsnews 12718 vom 16. 3. 2012 = RdW 2012/217).

Dies ist aber nach Ansicht des EuGH bei Direktübertragungen über das Internet wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht der Fall.

Weitergehender nationaler Schutz möglich

Das vorlegende Gericht möchte dennoch wissen, ob Art 3 Abs 2 RL 2001/29/EG dahin zu verstehen ist, dass er dem entgegensteht, dass die Mitgliedstaaten den in Art 3 Abs 2 Buchstabe d RL 2001/29/EG genannten Sendeunternehmen ein Ausschließlichkeitsrecht auch für Handlungen gewähren, die, wie im Ausgangsverfahren , zwar als „öffentliche Wiedergabe“ qualifiziert werden können, nicht aber als öffentliche Zugänglichmachung der Aufzeichnung ihrer Sendungen in einer Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind.

Dazu verweist der EuGH darauf, dass der Unionsgesetzgeber die Urheberrechte und die verwandten Schutzrechte durch die RL 2001/29/EG nur teilweise harmonisieren wollte. Weder aus Art 3 Abs 2 noch aus irgendeiner anderen Bestimmung der RL 2001/29/EG ergebe sich, dass der Unionsgesetzgeber hinsichtlich der Art und des Umfangs des Schutzes, den die Mitgliedstaaten den Sendeunternehmen zuerkennen können, die Absicht hatte, etwaige Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsvorschriften zu harmonisieren und folglich zu verhindern oder zu beseitigen. Außerdem beruhe die RL 2001/29/EG nach ihrem 20. Erwägungsgrund auf den Grundsätzen und Bestimmungen, die in den auf dem Gebiet des geistigen Eigentums geltenden Richtlinien bereits festgeschrieben sind, wie zB in der RL 92/100/EWG.

Die RL 92/100/EWG wurde durch die RL 2006/115/EG ersetzt und aus dem 16. Erwägungsgrund dieser RL gehe hervor, dass die Mitgliedstaaten einen weiter reichenden Schutz für Inhaber von verwandten Schutzrechten vorsehen können sollen, als er in der RL 2006/115/EG hinsichtlich der öffentlichen Sendung und Wiedergabe vorgeschrieben ist.

Nun bestimme Art 8 Abs 3 RL 2006/115/EG („Öffentliche Sendung und Wiedergabe“), dass die Mitgliedstaaten für Sendeunternehmen das ausschließliche Recht vorsehen müssen, die drahtlose Weitersendung ihrer Sendungen sowie die öffentliche Wiedergabe ihrer Sendungen zu erlauben oder zu verbieten, wenn die betreffende Wiedergabe an Orten stattfindet, die der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgelds zugänglich sind.

Wenn also die RL 2006/115/EG den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräume, hinsichtlich der öffentlichen Sendung und Wiedergabe von Sendungen von Sendeunternehmen einen weiter reichenden Schutz vorzusehen, als er nach Art 8 Abs 3 der RL 2006/115/EG vorgeschrieben ist, bedeute dies, dass die Mitgliedstaaten den Sendeunternehmen auch das ausschließliche Recht gewähren können, Handlungen der öffentlichen Wiedergabe ihrer Sendungen – insbesondere solcher Sendungen, auf die jede Person von einem Ort ihrer Wahl zugreifen kann – auch unter anderen Umständen als den in Art 8 Abs 3 RL 2006/115/EG vorgesehenen zu erlauben oder zu verbieten, wobei ein solches Recht gemäß Art 12 der RL 2006/115/EG den Schutz der Urheberrechte in keiner Weise beeinträchtigen dürfe.

Dementsprechend ist Art 3 Abs 2 der RL 2001/29/EG nach Ansicht des EuGH dahin auszulegen, dass er die den Mitgliedstaaten nach Art 8 Abs 3 iVm dem 16. Erwägungsgrund der RL 2006/115/EG eingeräumte Möglichkeit nicht berührt, den Sendeunternehmen das ausschließliche Recht zu gewähren, Handlungen der öffentlichen Wiedergabe ihrer Sendungen zu erlauben oder zu verbieten, sofern ein solcher Schutz den Schutz der Urheberrechte nicht beeinträchtigt.

Nach alledem antwortete der EuGH somit auf die Vorlagefrage, dass Art 3 Abs 2 der RL 2001/29/EG dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung, die das Ausschließlichkeitsrecht der in Art 3 Abs 2 Buchstabe d dieser RL genannten Sendeunternehmen auf Handlungen der öffentlichen Wiedergabe ausdehnt, die in Direktübertragungen von Sportveranstaltungen über das Internet wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden bestehen könnten, nicht entgegensteht, sofern eine solche Ausdehnung den Schutz der Urheberrechte nicht beeinträchtigt.

1

RL 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. 5. 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft


2

RL 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. 12. 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (kodifizierte Fassung)


Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19217 vom 30.03.2015