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EuGH: Einlagensicherung - Ausschluss von bestimmten Einlegern?

Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 94/19/EG: Anhang I Nr 7

Die nach Anhang I Nr 7 der RL 94/19/EG idF der RL 2009/14/EG von der Sicherung durch Einlagensicherungssysteme ausgeschlossenen Einlagen sind dort abschließend aufgeführt. Die Mitgliedstaaten können daher in ihrem nationalen Recht keinen Ausschluss von der Einlagensicherung für andere Gruppen von Einlegern vorsehen, die im Hinblick auf die von ihnen ausgeübten Funktionen begrifflich nicht unter Anhang I Nr 7 der RL 94/19/EG fallen .

Nach Anhang I Nr 7 der RL 94/19/EG idF der RL 2009/14/EG können die Mitgliedstaaten aber als Geschäftsleiter Personen von der Sicherung nach dieser RL ausnehmen, die aufgrund der im Kreditinstitut ausgeübten Funktion - unabhängig von deren Bezeichnung - über ein solches Ausmaß an Informationen und Kompetenzen verfügen, dass sie die tatsächliche finanzielle Lage und die mit den Tätigkeiten des Kreditinstituts verbundenen Risiken beurteilen können.

EuGH 2. 9. 2015, C-127/14, Surmacs

Maßgebliche rechtliche Grundlagen

RL 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. 5. 1994 über Einlagensicherungssysteme idF der RL 2009/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 3. 2009

Gem Art 7 Abs 2 RL 94/19/EG können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bestimmte Einleger oder bestimmte Einlagen von der Sicherung durch das Einlagensicherungssystem ausgenommen oder in geringerem Umfang gesichert werden. Die Liste dieser Ausnahmen ist in Anh I enthalten und nennt in ihrer Nr 7: „Einlagen der Verwaltungsratsmitglieder, der Geschäftsleiter, der persönlich haftenden Gesellschafter, der Personen, die mindestens 5 vH des Kapitals des Kreditinstituts halten, der Personen, die mit der gesetzlichen Kontrolle der Rechnungsunterlagen des Kreditinstituts betraut sind, und der Einleger, die vergleichbare Funktionen in anderen Gesellschaften derselben Unternehmensgruppe innehaben.“

Das hier maßgebliche lettische Einlagensicherungsgesetz sieht vor, dass der Entschädigungssicherungsfonds keine Entschädigung zahlen muss bei „Einlagen durch Aktionäre eines Einlageinstituts, die an diesem eine nicht unwesentliche Beteiligung halten, durch Mitglieder des Aufsichts- oder Verwaltungsrats oder durch deren Vorsitzenden, durch den Leiter der internen Abteilung für gesetzliche Kontrolle der Rechnungsunterlagen, den Rechnungsprüfer der Gesellschaft und durch andere Mitarbeiter des Einlageinstituts, die mit der Planung, Leitung und Kontrolle seiner Tätigkeit betraut und dafür verantwortlich sind“.

Entscheidung

Der Kläger des Anlassfalls war bei Einstellung der Finanzdienstleistungen durch die betroffene Bank (Latvijas Krajbanka) als Vizepräsident für Fragen des internationalen Rechts und des Finanzrechts für diese Bank tätig; er gehörte dem Verwaltungsrat an und unterstand unmittelbar dem Präsidenten des Verwaltungsrats. Gegen die Verweigerung der Einlagensicherung macht er im Wesentlichen geltend, dass seine Rechte und Pflichten und sein Verantwortungsbereich als Vizepräsident konkret festgestellt werden hätten müssen; dann hätte sich ergeben, dass er nicht die Befugnis gehabt habe, verbindliche Entscheidungen zu treffen oder Einfluss auf die Tätigkeiten der Bank zu nehmen.

In seinen Entscheidungsgründen hält der EuGH ua fest, dass der fakultative Ausschluss der in Anh I Nr 7 der RL 94/19/EG aufgeführten Einleger auf dem Postulat beruht, dass diese Personen in Bezug auf das Kreditinstitut, dem sie ihre Einlagen anvertrauen, grundsätzlich Kompetenzen und Informationen besitzen, über die die meisten Einleger nicht verfügen. Deshalb sei davon auszugehen, dass Personen aus einer der Gruppen des Anh I Nr 7 der RL 94/19/EG von der Sicherung ausgenommen werden können, weil sie aufgrund der Funktion, die sie im Kreditinstitut ausüben, oder aufgrund ihres zu diesem bestehenden Verhältnisses über ein solches Ausmaß an Informationen und Kompetenzen verfügen, dass sie die tatsächliche finanzielle Lage und die mit den Tätigkeiten dieses Instituts verbundenen Risiken kennen und beurteilen können.

Dies bestätigt nach Ansicht des EuGH auch die Prüfung weiterer Ausnahmen in Anhang I der RL 94/19/EG: Einer der Gründe für den fakultative Ausschluss „naher Verwandter“ und „Dritter, die für Rechnung der unter Nummer 7 genannten Einleger handeln“ sei nämlich auch, dass diese Personen über dieselben Informationen verfügen können wie die in Anh I Nr 7 der RL genannten Personen.

Für die Prüfung im konkreten Fall hält der EuGH fest, dass der Kl des Ausgangsverfahrens nur der Gruppe der „Geschäftsleiter“ iSv Anh I Nr 7 der RL 94/19/EG angehören könnte. Von der Sicherung könnte er ausgeschlossen sein, wenn er aufgrund seiner Funktionen über ein solches Ausmaß an Informationen und Kompetenzen verfügen konnte, dass er die tatsächliche finanzielle Lage und die mit den Tätigkeiten dieses Instituts verbundenen Risiken kennen und beurteilen konnte.

Ob der Kl über diese Informationen und Kompetenzen verfügte, muss das vorlegende Gericht prüfen und muss dabei alle im Ausgangsverfahren relevanten Umstände berücksichtigen, insb die Beschreibung des Amtes, das der Kl bekleidete, die von ihm tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten sowie die rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen zwischen ihm und dem Verwaltungsrat der Bank. Die Frage, ob er für sämtliche Tätigkeiten der Bank oder nur für einen speziellen Geschäftsbereich derselben verantwortlich war, ist - so der EuGH - in diesem Rahmen nur einer der Gesichtspunkte, die bei dieser Prüfung zu berücksichtigen sind.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20160 vom 03.09.2015