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EuGH: Ersatz von höheren Diäten wegen Flugverspätung?

Bearbeiter: Barbara Tuma

MÜ: Art 19, Art 22

Für einen Schaden durch eine Flugverspätung haftet das Luftfahrtunternehmen gem Art 19 des Luftverkehrsübereinkommens von Montreal (Montrealer Übereinkommen; MÜ) nicht nur gegenüber dem einzelnen Reisenden, sondern auch einem Arbeitgeber gegenüber, der die Flugtickets für die Dienstreise seiner Arbeitnehmer gekauft hat (hier: erhöhte Reisekosten wegen der Verlängerung der Dienstreise).

EuGH 17. 2. 2016, C-429/14, Air Baltic Corporation

Sachverhalt

Der Arbeitgeber kaufte über ein Reisebüro Flugtickets, mit denen zwei seiner Arbeitnehmer für geschäftliche Zwecke von Vilnius (Litauen) über Riga (Lettland) und Moskau (Russland) nach Baku (Aserbaidschan) reisen sollten; die Flüge zwischen Vilnius, Riga und Moskau sollten von Air Baltic durchgeführt werden. Da der Anschlussflug von Riga in Moskau mit Verspätung ankam, konnten die Arbeitnehmer den vorgesehenen Flug nach Baku nicht nutzen und wurden von Air Baltic auf einen anderen Flug am nächsten Tag umgebucht. Die Arbeitnehmer erreichten ihr endgültiges Ziel letztlich mit einer Verspätung von mehr als 14 Stunden. Wegen der Verlängerung der Dienstreise hatte ihnen der Arbeitgeber gem der litauischen Regelung zusätzliche Reisekosten und SV-Beiträge iHv insg 1.168,35 litauischen Litas (LTL) zu zahlen (ca € 338). Diese erhöhten Kosten machte der Arbeitgeber anschließend als Schadenersatzforderung gegen Air Baltic geltend.

Air Baltic stützt sich va darauf, dass eine juristische Person wie der Arbeitgeber nicht auf die Haftung des Luftfrachtführers gem Art 19 des Übereinkommens von Montreal berufen könne: Diese Haftung gelte nur gegenüber Reisenden selbst und nicht gegenüber anderen Personen, und zwar erst recht, wenn diese keine natürlichen Personen seien und daher nicht als Verbraucher angesehen werden könnten.

Entscheidung

Gem Art 19 des Übereinkommens von Montreal (MÜ) hat der Luftfrachtführer „den Schaden zu ersetzen, der durch Verspätung bei der Luftbeförderung von Reisenden, Reisegepäck oder Gütern entsteht“. Die Haftung ist „je Reisenden“ beschränkt (Art 22 MÜ).

Nach Auseinandersetzung mit dem Wortlaut der Regelung, dem Regelungszusammenhang und dem Ziel des Übereinkommens kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass Art 19 MÜ nicht nur auf den Schaden anzuwenden ist, den ein Reisender erlitten hat, sondern auch auf den Schaden einer Person in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber, die mit dem Luftfrachtführer einen Vertrag über die internationale Beförderung ihrer Arbeitnehmer geschlossen hat.

Da der Arbeitgeber im Ausgangsverfahren einen Schaden im Zusammenhang mit der Beförderung nicht nur eines, sondern zweier bei ihm angestellter Reisender geltend gemacht hat, hält der EuGH auch noch fest, dass im Hinblick auf die Haftungsbeschränkung „je Reisenden“ die Höhe des zuerkannten Schadenersatzes jedenfalls nicht den Betrag überschreiten darf, der sich durch Multiplikation der in Art 22 Abs 1 MÜ festgelegten Höchstgrenze mit der Anzahl der Reisenden ergibt, die auf der Grundlage des Vertrags zwischen dem Arbeitgeber und dem Luftfrachtführer befördert wurden. Damit könne ein gerechter Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen sichergestellt werden.

Der EuGH hat daher für Recht erkannt:

Das Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28. 5. 1999, das mit dem Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. 4. 2001 im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde, insb seine Art 19, 22 und 29, ist dahin auszulegen, dass ein Luftfrachtführer, der einen Vertrag über die internationale Beförderung mit einem Arbeitgeber von als Reisenden beförderten Personen wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden geschlossen hat, gegenüber diesem Arbeitgeber für den Schaden haftet, der durch die Verspätung von Flügen entstanden ist, die dessen Arbeitnehmer gem diesem Vertrag in Anspruch genommen haben, und wodurch dem Arbeitgeber zusätzliche Kosten entstanden sind.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21148 vom 19.02.2016