News

EuGH-GA: Vergabe – Ausschlussfrist für Schadenersatz

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

RL 89/665/EWG idF RL 2007/66/EG: Art 2f

RL 2004/18/EG: Art 35

Zielt ein Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nicht auf die Erklärung der Unwirksamkeit des vom öffentlichen Auftraggeber geschlossenen Vertrags ab, sondern auf die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, kann die Frist für die Beantragung einer Nachprüfung durch das nationale Recht geregelt werden, wobei die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes zu beachten haben. Eine solche Ausschlussfrist muss nicht notwendigerweise länger sein als die absolute Ausschlussfrist für Anträge auf Unwirsamerklärung des beanstandeten Vertrages (gem Art 2f Abs 1 Buchstabe b Rechtsmittel-RL1 grds 6 Monate ab Vertragsschluss); viel wichtiger ist der jeweilige Anfangszeitpunkt solcher Fristen: Die effektive Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen setzt nämlich voraus, dass die Frist für die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens erst zu dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem ein Betroffener vom jeweiligen Vergaberechtsverstoß Kenntnis erlangt hat oder diesen Verstoß hätte kennen müssen, etwa durch eine Mitteilung gem Art 35 Abs 4 RL 2004/18/EG2 (Bekanntmachung mit den Ergebnissen des Vergabeverfahrens).

Auch wenn die allgemeine Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche nach innerstaatlichem Recht länger ist, steht der Grundsatz der Äquivalenz der Festlegung einer kürzeren besonderen Ausschlussfrist für Nachprüfungsanträge, die auf die Geltendmachung von Schadenersatz wegen Vergaberechtsverstößen gerichtet sind, nicht entgegen. Es soll nämlich so schnell wie möglich Rechtssicherheit geschaffen werden.

Schlussanträge der Generalanwältin 21. 5. 2015, C-166/14, MedEval; zu einem Vorabentscheidungsersuchen des VwGH

Zum Vorabentscheidungsersuchen VwGH 25. 3. 2014, EU 2014/0002 (2011/04/0121) siehe LN Rechtsnews 17132 vom 23. 4. 2014.

Ausgangsfall:

Nach der österreichischen Rechtslage muss ein Antrag auf Feststellung eines vergaberechtlichen Verstoßes binnen 6 Monaten nach Vertragsschluss gestellt werden. Eine entsprechende Feststellung ist aber nicht nur Voraussetzung für die Nichtigerklärung des Vertrages, sondern auch für die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs.

Nach Ansicht des VwGH ist es fraglich, ob die Normierung einer absoluten sechsmonatigen Frist, die unabhängig von der (auch nur zumutbaren) Kenntnis der Bf vom Vertragsschluss und damit vom potentiellen Schaden zu laufen beginnt, mit den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität in Einklang steht.

Schlussanträge der Generalanwältin

Art 2f Abs 2 der RL 89/665/EWG ist im Lichte des Grundsatzes der Effektivität dahin auszulegen, dass

-er einer nationalen Rechtslage entgegensteht, nach der ein Antrag auf Feststellung eines Vergaberechtsverstoßes binnen einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach Vertragsschluss gestellt werden muss, sofern diese Feststellung lediglich Voraussetzung für die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs ist, und dass
-die Frist für einen derartigen, auf die Geltendmachung von Schadenersatz abzielenden Feststellungsantrag nicht zu laufen beginnen darf, bevor der Betroffene den behaupteten Vergaberechtsverstoß kannte oder kennen musste.

Hinweis:

Im Zuge der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (BGBl I 2012/51, LN Rechtsnews 13173 vom 6. 6. 2012) ist mit 1. 1. 2014 das Bundesvergabeamt aufgelöst worden und sind die Aufgaben der Vergabekontrolle auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen (BGBl I 2013/128, LN Rechtsnews 15478 vom 12. 7. 2013).

Die im Zuge dieser Reform vorgenommenen Änderungen sind für den vorliegenden Fall unerheblich.

1

RL 89/665/EWG des Rates vom 21. 12. 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge idF RL 2007/66/EG


2

RL 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. 3. 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge

Die RL 2004/18/EG wird durch die RL 2014/24/EU mit Wirkung zum 18. 4. 2016 aufgehoben.


Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19544 vom 22.05.2015