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EuGH: Geschmack eines Lebensmittels – Urheberrechtsschutz?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2001/29/EG: Art 2, Art 3, Art 4, Art 5

Der Begriff „Werk“, auf den die RL 2001/29/EG abzielt, impliziert eine Ausdrucksform des urheberrechtlichen Schutzobjekts, die es mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbar macht. Daran fehlt es aber beim Geschmack eines Lebensmittels, weil seine Identifizierung – anders als bei literarischen, bildnerischen, filmischen oder musikalischen Werken – im Wesentlichen auf Geschmacksempfindungen und -erfahrungen beruht, die subjektiv und veränderlich sind. Der Geschmack eines Lebensmittels ist somit nicht als „Werk“ iSd RL 2001/29/EG einzustufen und kann daher auch keinen Urheberrechtsschutz genießen.

EuGH 13. 11. 2018, C-310/17, Levola Hengelo

Zu einem niederländischen Vorabentscheidungsersuchen.

Entscheidung

Der Begriff „Werk“, auf den die RL 2001/29/EG abzielt, impliziert notwendigerweise eine Ausdrucksform des urheberrechtlichen Schutzobjekts, die es mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbar werden lässt, auch wenn diese Ausdrucksform nicht notwendigerweise dauerhaft sein sollte.

Zum einen müssen nämlich die Behörden, die mit dem Urheberrechtsschutz betraut sind, die geschützten Objekte klar und genau erkennen können. Dasselbe gilt für Privatpersonen, insb Wirtschaftsteilnehmer, die mit Klarheit und Genauigkeit die Objekte identifizieren können müssen, die zugunsten von Dritten, insb Wettbewerbern, geschützt sind. Zum anderen impliziert das Erfordernis des Ausschlusses jedes – der Rechtssicherheit schädlichen – subjektiven Elements bei der Identifizierung des geschützten Objekts, dass dieses Gegenstand eines präzisen und objektiven Ausdrucks sein kann.

An der Möglichkeit einer präzisen und objektiven Identifizierung fehlt es aber im Fall des Geschmacks eines Lebensmittels. Im Unterschied etwa zu einem literarischen, bildnerischen, filmischen oder musikalischen Werk beruht die Identifizierung des Geschmacks eines Lebensmittels nämlich im Wesentlichen auf Geschmacksempfindungen und -erfahrungen, die subjektiv und veränderlich sind, da sie ua von Faktoren abhängen, die mit der Person verbunden sind, die das betreffende Erzeugnis kostet, wie etwa deren Alter, Ernährungsvorlieben und Konsumgewohnheiten, sowie von der Umwelt oder dem Kontext, in dem das Erzeugnis gekostet wird.

Mit technischen Mitteln ist beim gegenwärtigen Stand der Wissenschaft eine genaue und objektive Identifizierung des Geschmacks eines Lebensmittels nicht möglich, die es erlaubte, ihn vom Geschmack anderer gleichartiger Erzeugnisse zu unterscheiden.

Nach alledem stellt der EuGH daher fest, dass der Geschmack eines Lebensmittels nicht als „Werk“ iSd RL 2001/29/EG einzustufen ist und es die RL 2001/29/EG verwehrt, nationale Rechtsvorschriften dahin auszulegen, dass sie dem Geschmack eines Lebensmittels urheberrechtlichen Schutz gewähren.

Der EuGH hat für Recht erkannt:

Die RL 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. 5. 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass sie dem entgegensteht, dass der Geschmack eines Lebensmittels durch das Urheberrecht gem dieser RL geschützt ist und dass nationale Rechtsvorschriften dahin ausgelegt werden, dass sie einem solchen Geschmack urheberrechtlichen Schutz gewähren.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 26319 vom 14.11.2018