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EuGH: Marke – ausschließliche gerichtliche Zuständigkeit

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

VO (EG) 44/2001: Art 22

Der Zweck von Art 22 Nr 4 VO (EG) 44/2001 besteht darin, die Rechtsstreitigkeiten über die Eintragung oder die Gültigkeit eines Rechts des geistigen Eigentums den Gerichten vorzubehalten, die eine sachliche und rechtliche Nähe zum Register aufweisen, weil diese Gerichte am besten in der Lage sind, über Fälle zu entscheiden, in denen die Gültigkeit des Rechts, und sogar das Bestehen seiner Hinterlegung oder Registrierung selbst, bestritten wird.

Rechtsstreitigkeiten zur Klärung der Frage, ob eine Person zu Recht als Markeninhaberin eingetragen wurde, fallen nicht in die ausschließliche gerichtliche Zuständigkeit nach Art 22 Nr 4 VO (EG) 44/2001 und daher nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet das Recht eingetragen worden ist. Ein Rechtsstreit, in dem weder die Eintragung der Marke als solche beanstandet noch deren Gültigkeit bestritten wird, ist nämlich weder ein Rechtsstreit, der die in Art 22 Nr 4 VO (EG) 44/2001 vorgesehene „Eintragung oder die Gültigkeit von … Marken … zum Gegenstand [hat]“, noch wird er vom Zweck dieser Bestimmung erfasst. Die Frage, in wessen persönliches Vermögen ein Recht des geistigen Eigentums fällt, weist insoweit im Allgemeinen keine sachliche oder rechtliche Nähe zum Ort der Eintragung dieses Rechts auf.

EuGH 5. 10. 2017, C-341/16, Hanssen Beleggingen

Zu einem deutschen Vorabentscheidungsersuchen.

Hinweis:

Die Neufassung der EuGVVO (VO (EU) 1215/2012) war im vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden, weil der gerichtliche Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens vor dem 10. 1. 2015 eingeleitet wurde (vgl Art 66 Abs 1 VO (EU) 1215/2012). Art 22 VO (EG) 44/2001 ist nunmehr in Art 24 VO (EU) 1215/2012 geregelt.

Entscheidung

Der EuGH kam im vorliegenden Fall – wie oben dargestellt – zum Ergebnis, dass ein Rechtsstreit, der allein die Frage betrifft, wer als Markeninhaber anzusehen ist, nicht unter Art 22 Nr 4 VO (EG) 44/2001 fällt.

Diese Auslegung wird nach Ansicht des EuGH nicht dadurch entkräftet, dass die Rechtsvorschriften der Union einige Bestimmungen enthalten, die es dem Inhaber eines Rechts des geistigen Eigentums erlauben, die Übertragung der zunächst im Namen einer anderen Person erfolgten Eintragung zu seinen Gunsten zu verlangen.

Insoweit verweist das vorlegende Gericht insb auf die Rechtsvorschriften über die Unionsmarke und betont, dass Art 18 VO (EG) 207/2009 den Unionsmarkengerichten ua die Befugnis verleihe, über einen Antrag des Markeninhabers zu entscheiden, die Eintragung der Marke durch einen Agenten oder Vertreter zu seinen Gunsten zu übertragen. Während sich diese Bestimmung speziell auf die Beziehungen zwischen einem Agenten oder einem Vertreter und dem Inhaber einer Unionsmarke bezieht, ist jedoch nicht ersichtlich, dass es in dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsstreit, der eine Benelux-Marke betrifft, um solche Beziehungen geht.

Hinsichtlich des in der Vorlageentscheidung angeführten Umstands, dass die Benelux-Marke im Bereich der gerichtlichen Zuständigkeit durch einige Besonderheiten gekennzeichnet ist, wies der EuGH darauf hin, dass, anders als in der Rechtssache, in der das Urteil vom 14. 7. 2016, Brite Strike Technologies (C-230/15, EU:C:2016:560), ergangen ist, das Ausgangsverfahren weder die Eintragung oder die Gültigkeit der in Rede stehenden Benelux-Marke noch etwaige Verletzungen dieser Marke betrifft, weil die Klage von Hanssen nach den dem EuGH vorliegenden Informationen im Übrigen nicht auf eine materielle Bestimmung des BÜGE (Benelux-Übereinkommen über geistiges Eigentum [Marken und Muster oder Modelle] vom 25. 2. 2005, unterzeichnet in Den Haag [Niederlande] vom Königreich Belgien, dem Großherzogtum Luxemburg und dem Königreich der Niederlande ) gestützt war. Unter diesen Umständen sind die Besonderheiten des BÜGE im Bereich der gerichtlichen Zuständigkeit für das Ausgangsverfahren ohne Bedeutung.

Der EuGH hat für Recht erkannt:

Art 22 Nr 4 der VO (EG) 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass er auf Rechtsstreitigkeiten zur Klärung der Frage, ob eine Person zu Recht als Markeninhaberin eingetragen wurde, keine Anwendung findet.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 24313 vom 06.10.2017