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EuGH: Markenrechtsverletzung - Auskunft zu Ursprung und Vertriebswegen

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2004/48/EG: Art 8

Nach Art 8 Abs 1 RL 2004/48/EG [zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums] stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die zuständigen Gerichte „im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums“ auf Antrag des Kl hin anordnen können, dass der Verletzer und/oder bestimmten andere (näher bezeichneten) Personen Auskünfte über den Ursprung und die Vertriebswege der betroffenen Waren oder Dienstleistungen erteilen.

Die Ausübung dieses Auskunftsrechts gem Art 8 Abs 1 RL 2004/48/EG ist nicht auf Verfahren beschränkt, in denen es um die Feststellung der Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums geht. Das Auskunftsrecht kann auch in einem gesonderten Verfahren ausgeübt werden, das erst nach dem rechtskräftigen Abschluss eines Verfahrens eingeleitet wird, in dem die Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums festgestellt wurde. Nicht immer ist es nämlich möglich, einen Antrag mit dem Ziel der Erlangung aller relevanten Auskünfte im Rahmen eines Verfahrens zu stellen, in dem die Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums festgestellt wird. Insbesondere ist nicht auszuschließen, dass der Rechteinhaber erst nach dem rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens vom Ausmaß der Rechtsverletzung Kenntnis erlangt.

EuGH 18. 1. 2017, C-427/15, NEW WAVE CZ

Sachverhalt

Zu einem tschechischen Vorabentscheidungsersuchen.

New Wave betrieb gegen Alltoys ein erstes Verfahren wegen ungenehmigter Benutzung der Marke MegaBabe beim Anbieten ihrer Waren. Nachdem Alltoys in diesem Verfahren rechtskräftig wegen der Markenrechtverletzung verurteilt worden war, strengte New Wave ein neues Verfahren mit dem Antrag an, Alltoys zu verpflichten, ihr sämtliche Auskünfte über die Herkunft und die Vertriebswege der Waren mit der Marke MegaBabe zu erteilen, die Alltoys jemals in der Vergangenheit oder gegenwärtig gelagert, in Verkehr gebracht oder importiert habe.

Das Gericht wies die Klage ab, weil nach tschechischem Recht ein solcher Auskunftsanspruch nicht mit einer gesondert erhobenen Klage geltend gemacht werden könne, sondern nur im Rahmen eines Verfahrens wegen der Rechtsverletzung.

Das vorlegende Gericht fragt sich nun, ob Art 8 Abs 1 RL 2004/48/EG dahin auszulegen ist, dass ein „Zusammenhang“ mit einem Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums auch dann gegeben ist, wenn nach rechtskräftiger Feststellung einer solchen Rechtsverletzung der Kl die Auskünfte in einem gesonderten Verfahren fordert (um etwa den Schaden genau beziffern und anschließend Schadenersatz fordern zu können).

Der EuGH hat für Recht erkannt:

Art 8 Abs 1 der RL 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. 4. 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ist dahin auszulegen, dass er auf eine Situation wie die im Ausgangsverfahren vorliegende anwendbar ist, in der ein Kl nach dem rechtskräftigen Abschluss eines Verfahrens, in dem die Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums festgestellt wurde, in einem gesonderten Verfahren Auskünfte über den Ursprung und die Vertriebswege der Waren oder Dienstleistungen, die dieses Recht verletzen, verlangt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22977 vom 19.01.2017