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EuGH: Vergabe – Ausschlussfrist für Schadenersatz

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

BVergG 2006: § 331, § 332, § 334, § 341

Das Recht auf Erhebung einer Schadenersatzklage kann praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden, wenn die Zulässigkeit von Schadenersatzklagen von der vorherigen Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens abhängig gemacht wird und dieser Feststellungsantrag binnen einer 6-monatigen Ausschlussfrist ab Zuschlagserteilung gestellt werden muss – und zwar unabhängig davon, ob der Antragsteller von der Rechtswidrigkeit der Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers Kenntnis haben konnte.

Eine solche nationale Regel (hier: Österreichs) ist daher mit dem Recht der EU, insb dem Grundsatz der Effektivität, nicht vereinbar.

EuGH 26. 11. 2015, C-166/14, MedEval

Zu den Schlussanträge der Generalanwältin siehe LN Rechtsnews 19544 vom 22. 5. 2015 = RdW 2015/310.

Zum Vorabentscheidungsersuchen VwGH 25. 3. 2014, EU 2014/0002 (2011/04/0121), siehe LN Rechtsnews 17132 vom 23. 4. 2014.

Entscheidung

Begrenzte Möglichkeit zur Unwirksamerklärung

Keine Bedenken hat der EuGH – im Lichte des Art 2f Abs 1 Buchst b RL 89/665/EWG1 – dagegen, dass eine Nachprüfung, die einem ohne vorherige Bekanntmachung bzw ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb geschlossenen Vertrag die Wirksamkeit entziehen soll, binnen 6 Monaten ab dem Tag nach der Zuschlagserteilung beantragt werden muss, wenn der Tag der Zuschlagserteilung mit dem Tag des Vertragsschlusses zusammenfällt. Solche Bestimmungen entsprechen auch dem mit Art 2f Abs 1 Buchst b der RL 89/665/EWG verfolgten und insb im 27. Erwägungsgrund der RL 2007/66/EG genannten Ziel, dass die Beschränkung der Geltendmachung der Unwirksamkeit eines Vertrags respektiert werden sollte.

Schadenersatz

Zur Frage eines Schadenersatzes hält der EuGH weiters fest, dass die Mitgliedstaaten nach Art 2 Abs 6 der RL 89/665/EWG die Erhebung einer Schadenersatzklage davon abhängig machen können können, dass die angefochtene Entscheidung zuvor „von einer mit den dafür erforderlichen Befugnissen ausgestatteten Stelle“ aufgehoben wurde; diese Bestimmung enthält aber keine Regelung zu Klagefristen oder weiteren Voraussetzungen für die Zulässigkeit solcher Klagen.

Der EuGH hat daher grds auch keine Bedenken dagegen, dass nach § 341 Abs 2 BVergG 2006 die Feststellung eines dort erwähnten vergaberechtlichen Verstoßes Voraussetzung für die Erhebung einer Schadenersatzklage ist.

Allerdings führt die Anwendung von § 341 Abs 2 iVm § 332 Abs 3 BVergG 2006 dazu, dass eine Schadenersatzklage unzulässig ist, wenn nicht zuvor eine Entscheidung (betreffend die Rechtswidrigkeit des Vertrags) in einem Verfahren erwirkt wurde, für das eine sechsmonatige Ausschlussfrist gilt, die ab dem Tag nach Zuschlagserteilung zu laufen beginnt – und zwar unabhängig davon, ob der Kl von der Rechtswidrigkeit dieser Zuschlagsentscheidung Kenntnis haben konnte.

Es ist zwar Sache der Mitgliedstaaten, die Verfahrensmodalitäten für Schadenersatzklagen festzulegen. Diese Verfahrensmodalitäten dürfen jedoch – so der EuGH – nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die für entsprechende innerstaatliche Rechtsbehelfe (Grundsatz der Äquivalenz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität).

Der EuGH hat daher für Recht erkannt:

Das Recht der Europäischen Union, insb der Grundsatz der Effektivität, steht einer nationalen Regelung entgegen, nach der die Erhebung einer Klage auf Schadensersatz wegen eines vergaberechtlichen Verstoßes von der vorherigen Feststellung abhängig gemacht wird, dass das Vergabeverfahren mangels vorheriger Bekanntgabe rechtswidrig war, und der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit binnen einer sechsmonatigen Ausschlussfrist gestellt werden muss, die ab dem auf die Zuschlagserteilung folgenden Tag zu laufen beginnt – und zwar unabhängig davon, ob der Antragsteller von der Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers Kenntnis haben konnte.

1

RL 89/665/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge idF RL 2007/66/EG


Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20658 vom 27.11.2015