News

EuGH: Vorsteuerabzug beim Reihengeschäft – Gutgläubigkeit?

Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2006/112/EG: Art 32

Im vorliegenden Fall wurde die Ware vom Verkäufer in Deutschland an einen Zwischenhändler in Österreich veräußert; sie lagerte weiterhin in Deutschland und wurde – ohne dass der Verkäufer davon erfuhr – vom Zwischenhändler an einen österreichischen Enderwerber veräußert und von diesem abgeholt. Während der deutsche Verkäufer gutgläubig von einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung ausging, wies der Zwischenhändler auf Basis einer steuerpflichtigen Inlandslieferung in der Rechnung an den Enderwerber die österreichische Mehrwertsteuer aus, die dieser in der Folge als Vorsteuer geltend machte. Nach Erkennen des Irrtums berichtigte der Zwischenhändler die Rechnung, infolge seiner Insolvenz erhielt der Enderwerber die entrichtete Mehrwertsteuer aber nicht mehr zurück. Strittig ist va, ob der Enderwerber die Mehrwertsteuer als Vorsteuer abziehen kann, was der EuGH verneint:

Auf die zweite von zwei aufeinanderfolgenden Lieferungen derselben Ware, die zu nur einer innergemeinschaftlichen Beförderung geführt haben, ist Art 32 Abs 1 der RL 2006/112/EG (MehrwertsteuersystemRL [MwSt-SystemRL]) anzuwenden. Danach gilt als Ort der Lieferung der Ort, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Beförderung an den Erwerber befindet (hier also Deutschland). Ist diese zweite Lieferung eine (steuerfreie) innergemeinschaftliche Lieferung, ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes dahin auszulegen, dass der Enderwerber keinen Vorsteuerabzug für die Mehrwertsteuer geltend machen kann, die er auf Grundlage der Rechnungen des Zwischenhändlers an diesen gezahlt hat, weil dieser seine Lieferung falsch eingestuft hat. Das Recht auf Vorsteuerabzug besteht nämlich nur für geschuldete Steuern und kann nicht auf die Mehrwertsteuer erstreckt werden, die nur deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist.

EuGH 21. 2. 2018, C-628/16, Kreuzmayr

Ausgangsfall

Zu einem Vorabentscheidungsersuchen des BFG.

Zum ersten Rechtsgang siehe VwGH 29. 6. 2016, 2013/15/0114, 2013/15/0143, ÖStZB 2016/287 = RdW 2016/437. Schon darin vertrat der VwGH die Ansicht, dass keine der beiden Lieferungen in Österreich ausgeführt worden sei. Die bloße Möglichkeit, dass der (deutsche) Lieferant gutgläubig angenommen habe, der erste (und nicht der zweite) Abnehmer habe die Ware in Deutschland abgeholt und nach Österreich gebracht, bewirkt nicht, dass – kraft Vertrauensschutzes – die Lieferung vom Lieferanten an den ersten Abnehmer als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung zu behandeln wäre und der zweite (und letzte) Abnehmer somit einen Vorsteuerabzug aus einer steuerpflichtigen Inlandslieferung des ersten Abnehmers lukrieren könnte.

Die vorliegende Vorabentscheidung des EuGH basiert nun auf mehreren Vorlagefragen des BFG (Außenstelle Linz). In seinen Entscheidungsgründen verweist der EuGH weitgehend auf seine Rsp und hält ua fest, dass sich ein Wirtschaftsteilnehmer (Enderwerber) in einer Situation wie hier zwar nicht zur Geltendmachung eines Anspruchs auf Vorsteuerabzug auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes gegenüber seinem Lieferanten berufen kann; er könne aber nach nationalem Recht die Rückzahlung der Steuer verlangen, die er rechtsgrundlos an den Wirtschaftsteilnehmer gezahlt hat, der eine fehlerhafte Rechnung ausgestellt hat (vgl EuGH 26. 4. 2017, Farkas, C-564/15, mwN).

Der EuGH hat für Recht erkannt:

1.Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ist Art 32 Abs 1 der RL 2006/112/EG des Rates vom 28. 11. 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahin auszulegen, dass er auf die zweite von zwei aufeinanderfolgenden Lieferungen derselben Ware anzuwenden ist, die zu nur einer innergemeinschaftlichen Beförderung geführt haben.
2.Wenn die zweite Lieferung einer Kette zweier aufeinanderfolgender Lieferungen, die zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Beförderung geführt haben, eine innergemeinschaftliche Lieferung ist, ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes dahin auszulegen, dass der Enderwerber, der zu Unrecht einen Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hat, die von ihm nur auf der Grundlage der vom Zwischenhändler, der seine Lieferung falsch eingestuft hat, übermittelten Rechnungen an den Lieferanten gezahlte Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer abziehen kann.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 25006 vom 23.02.2018