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EuGH zum Vorsteuerabzug bei unentgeltlichen Gesellschafterbeiträgen bei einer geschäftsleitenden Holding

Bearbeiter: Theresa Gessl

MwStSyst-RL: Art 167, Art 168a

UStG 1994: § 20 Abs 2, § 12 Abs 10, § 12 Abs 11

Abstract

In der Rs Finanzamt R beschäftigte sich der EuGH mit der Frage, ob Leistungen, die eine Muttergesellschaft unentgeltlich in Form von Gesellschafterbeiträgen an die Tochtergesellschaften weiterleitet, zum Vorsteuerabzug berechtigen. Der EuGH entscheidet, dass das Recht auf Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen nicht zusteht, weil die Leistungen nicht im direkten Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der Muttergesellschaft stehen. Vielmehr stehen die Leistungen in direktem Zusammenhang mit den (weitgehend) steuerfreien Tätigkeiten der Tochtergesellschaften.

EuGH 8. 9. 2022, C-98/21, Finanzamt R

Sachverhalt

Die W GmbH betreibt den Ankauf, die Verwaltung und die Verwertung von Grundbesitz. Zudem saniert und erstellt sie verschiedene Bauvorhaben. Im streitgegenständlichen Jahr 2013 war W sowohl an der X GmbH & Co KG als auch an der Y GmbH & Co KG beteiligt. Beide Gesellschaften errichteten Bauobjekte und veräußerten die Wohneinheiten nachfolgend — überwiegend umsatzsteuerfrei. Die Z KG und die P I GmbH waren Minderheitengesellschafter von X und Y. W erbrachte an X und Y entgeltliche Buchführungs- und Geschäftsführungsleistungen hinsichtlich der zu errichteten Projekte, sowie verschiedene unentgeltliche Dienstleistungen, die als Gesellschafterbeitrag an X und Y weitergeleitet wurden. Diese Dienstleistungen wurden zum Teil umsatzsteuerpflichtig von anderen Unternehmen zugekauft. In den Umsatzsteuererklärungen 2013 zog W die gesamte auf ihre Eingangsumsätze entrichtete Mehrwertsteuer als Vorsteuer ab.

Die deutsche Steuerverwaltung dagegen hat die Gesellschafterbeiträge von W zugunsten X und Y als nicht steuerbare Tätigkeiten eingestuft und den Abzug von Vorsteuerbeträgen, die mit diesen Tätigkeiten zusammenhängen, versagt. Dagegen erhob W Klage beim Finanzgericht, das der Klage stattgab. Das FA legte gegen diese Entscheidung Revision beim BFH ein.

Entscheidung des EuGH

Mit der Vorlagefrage des BFH soll geklärt werden, ob der Vorsteuerabzug einer geschäftsleitenden Holdinggesellschaft möglich ist, obwohl die bezogenen Eingangsleistungen nicht in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit den eigenen Umsätzen der Holding, sondern mit den überwiegend steuerfreien Tätigkeiten der Tochtergesellschaften stehen. Zudem finden die bezogenen Eingangsleistungen in den Preis der an die Tochtergesellschaften erbrachten steuerpflichtigen Umsätze keinen Eingang und gehören auch nicht zu den allgemeinen Kostenelementen der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Holding.

Im Ergebnis lehnt der EuGH ein Recht der W auf Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen, welche sie als Sacheinlage an die X und Y weitergibt, ab. W handelt zwar durch ihre entgeltlichen Verwaltungsdienstleistungen als Unternehmerin, allerdings müsste W die Eingangsleistungen für Zwecke ihrer besteuerten Umsätze verwenden. Dazu hält der EuGH fest, dass kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den als Sacheinlage verwendeten Eingangsleistungen der W und den entgeltlichen Ausgangsleistungen der Tochtergesellschaften bestehen. Entscheidendes Kriterium dafür ist, ob es sich bei den Eingangsleistungen um sog „allgemeine Aufwendungen“ handelt. Diese stehen in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen. Die Aufwendungen müssen dazu Kostenelement der von dem Steuerpflichtigen gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sein. Einen derartigen Zusammenhang lehnt der EuGH aber im Wesentlichen aus zwei Gründen ab. Einerseits stellt er fest, dass W die Eingangsleistungen für Gesellschafterbeiträge verwendet und diese Beiträge zum Halten von Gesellschaftsanteilen gehören und damit nicht Teil der wirtschaftlichen Tätigkeit sind. Sie sind auch keine Ausgaben für den Erwerb der Beteiligung. Andererseits erfolgt der Bezug der Eingangsleistungen, um sie unentgeltlich an die Tochtergesellschaften weiterzugeben. Dies begründet einen direkten Zusammenhang mit den steuerfreien Ausgangsleistungen der Tochtergesellschaften und keinen direkten Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit von W.

Conclusio

Die vorliegende Entscheidung steht im Einklang mit der stRsp des EuGH (vgl dazu auch EuGH 14. 9. 2017, C-132/16, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments). Auch über die Zwischenschaltung einer Holding ist daher der Vorsteuerabzug im Fall entsprechender Beschränkungen nicht möglich. Der EuGH verweist in dieser Entscheidung auf die zu treffende Unterscheidung zwischen Aufwendungen, die getätigt werden, um eine Beteiligung zu erwerben und einer als Gesellschafterbeitrag erbrachten unentgeltlichen Leistung, die dem Bereich des Haltens einer Beteiligung zuzuordnen ist und daher keine wirtschaftliche Tätigkeit begründet.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33250 vom 07.11.2022