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Facebook-Kommentar über Politikerin - keine Satire

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB § 1330

EMRK Art 10

UrhG § 78

Als Kunstform ist der Satire die Verzerrung bzw Übertreibung der Wirklichkeit immanent. Greift eine Satire in Rechte Dritter, insb deren Ehre ein, bedarf es zunächst der Feststellung des „Aussagekerns“, der auf seine Verletzungseignung zu prüfen ist. Die Verletzung des Kerns der menschlichen Ehre, der Menschenwürde oder des gesamten öffentlichen Ansehens einer Person setzen auch der Satire jedenfalls Grenzen, nicht aber schon jede, wenn auch sonst (außerhalb der Kunstfreiheit) beleidigende Bezeichnung oder Darstellung. Im übrigen Bereich hat eine Güterabwägung stattzufinden.

Die Grenzen zulässiger Kritik an Politikern in Ausübung ihres öffentlichen Amtes sind im Allgemeinen weiter gesteckt als bei Privatpersonen. Fehlt dem Werturteil eine hinreichende Tatsachenbasis, geht das Werturteil aber über das hinaus, was in einer politischen Debatte zu tolerieren ist; bei der Beurteilung, ob ein Werturteil diffamierenden Charakter hat, ist auch die Art der verwendeten Begriffe und insb die zugrundeliegende Absicht zu berücksichtigten, die andere Seite zu diffamieren oder zu stigmatisieren (hier: Bild mit einem menschenverachtenden Text über dem Gesicht der dargestellten Politikerin und Textkommentar „Ihr kann diese Aussage zugetraut werden“ - keine satirische Verzerrung einer Kritik an der Flüchtlingspolitik der Kl, sondern Herabsetzung der Kl selbst, weil für den Kommentar kein ausreichendes Tatsachensubstrat vorliegt).

OGH 24. 10. 2016, 6 Ob 52/16i

Sachverhalt

Die Kl ist Abgeordnete zum Nationalrat, Klubobfrau und Bundessprecherin der Grünen.

Der Beklagte war Inhaber und Betreiber einer Facebookseite, auf der er Beiträge zur Politik in Österreich veröffentlichte. Er entdeckte auf einer anderen Facebookseite ein Bild der Klägerin mit dem Bildtext „Schutzsuchende müssen das Recht haben auf Mädchen loszugehen!“ im Bereich der Stirn und „Alles andere wäre rassistisch Flüchtlingen gegenüber!“ im Bereich des Halses der Kl. Er veröffentlichte dieses Bild samt Bildtext auf seiner Facebookseite mit seiner Anmerkung (fett neben dem Bild): „Ihr kann diese Aussage zugetraut werden“.

Die Kl vertrat zu keiner Zeit die Meinung, dass Schutzsuchende das Recht haben sollten, auf junge Mädchen loszugehen. Ebenso wenig hat sie jemanden als rassistisch bezeichnet, der Schutzsuchenden ein solches Recht nicht zugestehen wollte.

Mit dem angefochtenen Beschluss erließ das Rekursgericht die begehrte einstweilige Verfügung gegen den Bekl mit dem Verbot der Veröffentlichung von Fotos der Kl mit derartigem Bildtext und/oder Kommentar.

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf und wurde vom OGH zurückgewiesen.

Entscheidung

In seinen Entscheidungsgründen erinnert der OGH weiters ua an seine Rsp, wonach § 78 UrhG die Veröffentlichung von Personenbildnissen verbietet, sofern dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden, etwa wenn ein Bild in einem derartigen Zusammenhang veröffentlicht wird, dass damit dem Abgebildeten eine politische Auffassung unterstellt wird, die er in Wahrheit nicht teilt oder sogar ausdrücklich ablehnt und bekämpft (RIS-Justiz RS0077941).

Für jedenfalls vertretbar hält der OGH auch die Beurteilung des RekursG, dass die Äußerung des Beklagten im gegebenen Bezugszusammenhang die Kundgabe der Missachtung gegenüber der Klägerin enthält. Nach Ansicht des OGH ist das RekursG weder von der Rsp zu satirischen Äußerungen abgewichen (s.o.; RIS-Justiz RS0031735) noch von der Rsp zu den Grenzen zulässiger Kritik an Politikern (s.o.; vgl ua EGMR 12. 1. 2016, 55495/08, Genner v. Austria, LN Rechtsnews 21370 vom 1. 4. 2016 [betr eine Ministerin]). Ob eine bestimmte Äußerung als Wertungsexzess zu qualifizieren ist, hängt von den jeweiligen Umständen ab und stellt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO dar.

Dass der Bekl den Bildtext nicht selbst verfasste, war ebenfalls nicht fallentscheidend.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22775 vom 14.12.2016