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Abstract
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten, wie der COVID-19-Krise, ist der Markt durch Elemente der Unsicherheit und Volatilität gekennzeichnet. Daher ist es ratsam, in den Verrechnungspreisvereinbarungen Härteklauseln (sogenannte „Force-Majeure“-Klauseln oder „Hard-ship“-Klauseln) vorzusehen, um im Falle einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen und/oder wirtschaftlichen Parameter Neuverhandlungen zu ermöglichen. Vertragsanpassungen sind aber auch abseits derartiger Klauseln in Krisensituationen möglich.
Vertragsanpassungen im Hinblick auf den Fremdvergleichsgrundsatz
In einer Rezession ist die Neuverhandlung oder Kündigung selbst langfristiger Verträge zwischen Dritten in einigen Branchen üblich geworden; dies auch in jenen Bereichen, die in der Verrechnungspreiswelt allgemein als „risikoarm“ gelten, wie zB IT- oder Personaldienstleistungen oder Lagerhaltung. Laut einer in den USA veröffentlichten Studie gaben 15 % der mehr als 1.000 befragten Kleinunternehmen an, dass sie langfristige, feste Lieferverträge neu verhandeln.1 Deswegen sollte auch für multinationale Unternehmen die Möglichkeit offen stehen, Verträge anzupassen, wenn nachgewiesen werden kann, dass Dritte unter vergleichbaren Umständen dasselbe getan hätten.
Selbst wenn bestehende Verträge keine Preisanpassungs- oder Härteklauseln enthalten, können solche Anpassungen auf der Grundlage des allgemeinen Fremdvergleichsgrundsatzes vorgenommen werden, wenn es eine entsprechende detaillierte Dokumentation gibt und Dritte solche Klauseln in den Vereinbarungen vorgesehen hätten. Dies sollte schriftlich erfolgen, mit einer detaillierten Erläuterung der geplanten Geltungsdauer, den genauen wirtschaftlichen Umständen und einer Beschreibung des entsprechenden Verhandlungsprozesses.
„Force-Majeure“-Klauseln
Vertraglich vereinbarte Force-Majeure-Klauseln gelangen zur Anwendung, wenn eine Vertragspartei durch Umstände höherer Gewalt an der Erfüllung ihrer Vertragspflicht gehindert ist, dh durch eine von außen kommende unabwendbare Fremdeinwirkung, deren Auswirkungen selbst durch die äußerste, den gegebenen Umständen angemessene Sorgfalt des Verpflichteten und durch ihm zumutbare Mittel nicht verhindert werden können.2 Die Vertragsparteien können diese Umstände pauschal beschreiben oder explizit aufzählen. Außerdem können auch der anzuwendende Sorgfaltsmaßstab und der Umfang der zu treffenden Maßnahmen zur Abwendung der höheren Gewalt näher geregelt werden. Die Rechtsfolgen derartiger Klauseln sind idR eine Hemmung der Vertragsumsetzung und eine Befreiung der betroffenen Vertragspartei von ihrer Leistungspflicht auf die Dauer des Bestehens desLeistungshindernisses.3
„Wegfall der Geschäftsgrundlage“
Gibt es keine vertraglichen oder gesetzlichen Regelungen betreffend „Force-Majeure“-Ereignisse, bietet das allgemeine Zivilrecht Möglichkeiten, wie mit von COVID-19 betroffenen Verträgen umgegangen werden kann. Wurde von den Vertragsparteien keine Regelung getroffen, wer in Fällen von „höherer Gewalt“ das Risiko zu tragen hat und ist diese Regelungslücke auch nicht auf andere Weise zu schließen, kann das Instrument des „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ zur Anwendung gelangen. Der OGH4 hatte dies auch im Hinblick auf die SARS-Pandemie vor einigen Jahren ins Spiel gebracht, weshalb es – im Hinblick auf die Ähnlichkeit der Ereignisse - klar scheint, dass es sich beim Ausbruch von COVID-19 um einen Fall „höherer Gewalt“ handelt, dessen Eintritt keiner Vertragspartei zuzurechnen ist.
Der „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ kann sowohl zur Anpassung als auch zur Aufhebung des Vertrags führen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass eine Vertragsanpassung - sinnvoller erscheint als eine vollständige Aufhebung des Vertrages, da keine der beiden Parteien an der Pandemie „schuld“ ist. Dieses Rechtsinstrument ist jedoch ein Mittel, das von den Gerichten nur selten und subsidiär eingesetzt wird; insbesondere ist die Schwere des Eingriffs der Pandemie in vertragliche Leistungen im Einzelfall zu beurteilen. Ob eine Vertragsanpassung im konkreten Fall noch möglich ist, hängt ebenfalls von den Umständen des Einzelfalles ab.
Conclusio
Der Fremdvergleichsgrundsatz erlaubt es, bestehende Vertragsverhältnisse auch ohne vereinbarte „Force-Majeure“-Klauseln anzupassen. Im Zuge der aufkommenden Anpassungsverhandlungen bietet es sich an, derartige Klauseln für die Zukunft in den Vertrag aufzunehmen oder aber auch bereits bestehende Vereinbarungen zu konkretisieren und an die neu gewonnenen Erfahrungen anzupassen. Beim Neuabschluss von „Force-Majeure“-Klauseln ist zu beachten, dass diverse Musterverträge das betreffende Ereignis als „unvorhersehbar“ definieren. COVID-19 und die ergriffenen Folgemaßnahmen sind heute jedoch allseits bekannt, weswegen die Klausel in diesem Fall möglicherweise unwirksam wäre; es ist hier also auf eine genaue Definition der Klausel achtzugeben.
Ebenso ist zu beachten, dass der Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht zur Unwirksamkeit, sondern zur Anfechtbarkeit des Vertrags führt. Er ist daher keineswegs als „Freibrief“ zu verstehen, vertraglich vereinbarte Leistungen aufgrund der COVID-19-Krise einfach auszusetzen.
Greinecker/Dosza, Transfer Pricing in a Recession, SWI 2009, 445, mit Verweis auf Johnson, Renegotiate That Con-tract, Business owners toss previously-negotiated agreements out the window to bargain for reduced prices, April 20, 2009, http://www.inc.com
OGH 26. 6. 1986, 7 Ob 26/86; RIS-Justiz RS0027309.
Urlesberger, Rechtliche Unmöglichkeit in internationalen Vertragsbeziehungen, RdW 2020, 336.