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Gerichtsgebühr für Vergleich im Zuge einer Kündigungsanfechtung

Bearbeiter: Sabine Sadlo / Bearbeiter: Barbara Tuma

GGG § 18 Abs 2 Z 2

Wird in einem Streitverfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht (Klage auf Rechtsunwirksamerklärung einer Kündigung) ein Vergleich abgeschlossen, demzufolge der klagende Arbeitnehmer bei Leistung einer freiwiligen Abfertigung der Beendigung des Dienstverhältnisses zustimmt, wird die ursprünglich gemäß Anm 8 zu § 32 GGG TP 1 gebührenfreie Arbeitsrechtssache durch den nunmehr zusammengerechneten höheren Streitwert gebührenpflichtig. Bekräftigt der beklagte Arbeitgeber in dem höherwertigen (dh den Streitwert erhöhenden) Vergleich weiters seine Verpflichtung zur Leistung auch der gesetzlichen Abfertigung bis zu einem bestimmten Termin, ist dieser (gar nicht strittige) Anspruch ebenfalls in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.

VwGH 25. 4. 2016, Ra 2016/16/0010

Sachverhalt

Mit seiner „Anfechtungsklage“ beim ASG begehrte der Mitbeteiligte das Urteil, die durch die beklagte Partei am 29. 7. 2009 ausgesprochene Kündigung zum 31. 12. 2009 „für rechtunwirksam zu erklären“; dieser Streitgegenstand (Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung) wurde mit € 733,- für die Gebührenbemessung bewertet.

In der Tagsatzung vom 2. 9. 2009 verpflichtete sich die Beklagte (Arbeitgeber), „zusätzlich zur gesetzlichen Abfertigung“ eine freiwillige Abfertigung in der Höhe von € 11.000,- brutto zu bezahlen (beide vereinbarungsgemäß fällig bis 31. 12. 2009). Die im Vergleich nicht näher bezifferte gesetzliche Abfertigung betrug € 54.600,-.

Für die Bemessung der Gerichtsgebühren legte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine Bemessungsgrundlage von € 11.000,- zugrunde (Höhe der freiwilligen Abfertigung), weil die Auszahlung der gesetzlichen Abfertigung nicht Gegenstand der Tagsatzung des Vergleichs gewesen sei.

Dagegen richtet sich die Amtsrevision des Gerichtspräsidenten mit der Begründung, dass nach der Rsp des VwGH als Bemessungsgrundlage nach § 18 Abs 2 GGG die Rechtsunwirksamerklärung der Kündigung (Bemessungsgrundlage € 733,-), die Leistung der gesetzlichen Abfertigung (in der ermittelten Höhe von € 54.600,-) sowie die freiwillige Abfertigung iHv € 11.000,- zugrunde zu legen seien.

Erhöhung des Streitwerts durch den Vergleich

Nach § 18 Abs 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich. Wird der Wert des Streitgegenstands infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert oder ist der Gegenstand des Vergleichs eine Leistung, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, so ist nach § 18 Abs 2 GGG die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwerts zu berechnen; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen.

Nach der stRsp des VwGH steht der Einbeziehung einer Leistung in die Bemessungsgrundlage nicht entgegen, dass die Höhe der Leistung im Vergleich selbst nicht angeführt ist; es genügt, dass sich der Schuldner neuerlich zur Leistung in der schon vorher vereinbarten Höhe verpflichtet hat.

Ein Vergleich führt auch dann zur Neubewertung des Streitgegenstands, wenn er in Ansehung eines gar nicht (mehr) strittigen Anspruchs geschlossen oder wenn darin eine schon vertraglich bestehende Verpflichtung neuerlich übernommen wird. Auch ein Vergleichspunkt, der (allenfalls) nur zur Klarstellung gedient hat, ist gebührenrechtlich von Bedeutung. Für die Gebührenpflicht eines Vergleichs ist es unbeachtlich, ob ein vollstreckbarer (exekutionsfähiger) Titel entstanden ist oder nicht.

Einbeziehung auch der gesetzlichen Abfertigung

Im Erk VwGH 26. 7. 1995, 94/16/0206, ARD 4688/10/95, beurteilte der VwGH den – vergleichbaren – Fall (Klage auf Rechtsunwirksamerklärung einer Kündigung und Vergleich über die Leistung einer Abfertigung) dahingehend, dass der Bemessungsgrundlage einerseits der Abfertigungsanspruch und andererseits der Wert des Streitgegenstands der ursprünglichen arbeitsrechtlichen Streitigkeit hinzuzurechnen seien. Gleichfalls billigte der VwGH im Erk VwGH 29. 5. 2013, 2010/16/0306, die Zusammenrechnung des Werts des Streitgegenstands der (damals) begehrten Aufhebung der Kündigung und der weiteren Verpflichtung zur Leistung eines ziffernmäßig näher bestimmten Bruttogehalts.

Im vorliegenden Fall tritt daher zum Wert des ursprünglichen Feststellungsbegehrens zunächst der Wert der freiwilligen Abfertigung hinzu. Gegenstand des Vergleichs war allerdings die Verpflichtung der Beklagten, die freiwillige Abfertigung „zusätzlich zur gesetzlichen Abfertigung“ zu bezahlen, wobei sowohl die gesetzliche als auch die verglichene freiwillige Abfertigung vereinbarungsgemäß bis 31. 12. 2009 fällig seien. Nach obiger Rechtsprechung schadete es zunächst nicht, dass die Höhe der gesetzlichen Abfertigung im Vergleich nicht ziffernmäßig bestimmt war. Dadurch, dass die beklagte Partei ihre Verpflichtung zur Leistung auch der gesetzlichen Abfertigung bis 31. 12. 2009 bekräftigte, übernahm sie die (allenfalls gar nicht strittige) Verpflichtung zur Leistung dieses (der Höhe nach nicht strittigen) Betrags bis zu einem bestimmten Termin, mag der Vergleich für die Hereinbringung der gesetzlichen Abfertigung auch keinen exekutionsfähigen Titel abgegeben haben.

Damit trat zum Wert des Streitgegenstands der ursprünglichen Klage und der Verpflichtung zur Leistung der freiwilligen Abfertigung von € 11.000,- die weitere Verpflichtung zur Leistung der gesetzlichen Abfertigung bis 31. 12. 2009 hinzu, weshalb die Bemessungsgrundlage insgesamt € 66.333,- betrug.

Anmerkung:

Im vorliegenden Fall begehrte der ehemalige Arbeitnehmer in seiner Klage aus dem Jahr 2009 ursprünglich ausschließlich die Aufhebung der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung des Dienstverhältnisses und nicht die Leistung eines Geldbetrags. Da der Streitwert gemäß § 16 Abs 1 GGG € 733,- (ab 2011: € 750,-) betrug, lag er unter der von Anmerkung 8 zu § 32 GGG TP 1 für arbeitsrechtliche Streitigkeiten eingeräumten Freigrenze von € 1.450,- (ab 2016: € 2.500,-).

Als „Gebührenfalle“ erwies sich dann die folgende gerichtlich protokollierte, den Streitwert erhöhende Vergleichsvereinbarung: „Die beklagte Partei verpflichtet sich, an die klagende Partei zuhanden der Klagsvertretung eine freiwillige Abfertigung zusätzlich zur gesetzlichen Abfertigung in Höhe von € 11.000,- brutto zu bezahlen, wobei sowohl die gesetzliche, als auch die verglichene freiwillige Abfertigung vereinbarungsgemäß bis 31. 12. 2009 fällig sind.“

Diese Formulierung machte gebührenrechtlich einen deutlichen Unterschied, weil infolge der vom VwGH bestätigten Einbeziehung der gesetzliche Abfertigung von € 54.600,- (neben der freiwilligen Abfertigung von € 11.000,-) in die Bemessungsgrundlage gemäß TP 1 statt € 641,- Gebühr (für eine Bemessungsgrundlage zwischen € 7.270,- bis € 36.340,-) dadurch € 1.258,- Gebühr (für eine Bemessungsgrundlage zwischen € 36.340,- bis € 72.670,-) zu zahlen waren. Auch nach der aktuellen Rechtslage würde es im vorliegenden Fall fast zu einer Verdoppelung der Gerichtsgebühr aufgrund der Erwähnung der gesetzlichen Abfertigung kommen. (Sabine Sadlo)

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21697 vom 27.05.2016