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Grenzbetrag beim Alleinverdienerabsetzbetrag

Bearbeiter: Birgit Bleyer

EStG: § 33 Abs 4 Z 1 idF BGBl I 2009/135, § 67 Abs 1 und Abs 2

BAO § 116

1. Voraussetzung für den Bezug des Alleinverdienerabsetzbetrages durch die Ehefrau als Alleinverdienerin ist ua, dass der Ehemann (bei mindestens einem Kind) Einkünfte von höchstens € 6.000,- jährlich erzielt.

2. Der Einkommensteuerbescheid des Ehemanns entfaltet dabei keine Bindungswirkung für die Überprüfung des Grenzbetrages im Verfahren der Ehefrau. Eine Bindungswirkung iSd § 116 BAO kann nämlich nur der Spruch eines Bescheides entfalten. Sie ist Ausdruck der Rechtskraft der Entscheidung und erstreckt sich nicht auch auf die Entscheidungsgründe des Bescheids. Zudem beziehen sich die Bescheidwirkungen grundsätzlich nur auf die Parteien des Verfahrens.

3. Ermittlung Grenzbetrag: Für die Berechnung des Grenzbetrags des Alleinverdienerabsetzbetrages sind steuerfreie sonstige Bezüge des Ehemanns nicht zu berücksichtigen, deren Besteuerung unterbleibt, da das Jahressechstel höchstens € 2.100,- beträgt (Freigrenze).

4. Ermittlung Jahressechstel: Bei der Ermittlung der steuerfreien sonstigen Bezüge des Ehemanns dürfen nicht dessen gesamten Jahresbruttobezüge (ohne nähere Feststellungen zum Auszahlungszeitpunkt der laufenden und der sonstigen Bezüge) zugrunde gelegt werden.

Das Jahressechstel ist nämlich nach der gesetzlichen Definition immer von den gesamten im Kalenderjahr bereits zugeflossenen laufenden Bezügen zu berechnen; und zwar so, dass die im Kalenderjahr zugeflossenen laufenden Bezüge durch die Anzahl der bereits abgelaufenen Kalendermonate zu teilen sind. Der so ermittelte Durchschnitt ist auf den Jahresbezug umzurechnen, also mit 12 zu vervielfachen, und davon das Sechstel zu berechnen. Das Jahressechstel ist also bei jeder Auszahlung sonstiger Bezüge nach den Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zufließens zu berechnen.

Überdies hat bei der Berechnung des Jahressechstels kein Abzug der Sozialversicherung für laufende Bezüge zu erfolgen.

VwGH 28. 2. 2018, Ro 2017/15/0041

Sachverhalt

Die mitbeteiligte Partei war mit ihrem Ehemann das ganze revisionsgegenständliche Kalenderjahr 2010 verheiratet und hat für zwei ihrer drei Kinder im Kalenderjahr 2010 mehr als sieben Monate Familienbeihilfe bezogen.

Der Ehemann der Mitbeteiligten bezog von 1. 1. 2010 bis 31. 7. 2010 Notstandshilfe. Nach Bezug eines Pensionsvorschusses vom 1. 8. 2010 bis 30. 11. 2010 wurde für den Ehemann rückwirkend ab 1. 8. 2010 eine monatliche Pension nach dem ASVG festgesetzt. Die Bruttopensionseinkünfte des Ehemannes betrugen im Kalenderjahr 2010 insgesamt € 7.444,71. In diesem Betrag waren steuerfreie Bezüge nach § 67 Abs 1 und Abs 2 EStG iHv € 545,-, insgesamt einbehaltene SV-Beiträge iHv € 379,68 und nach Tarif zu versteuernde sonstige Bezüge iHv € 681,25 enthalten.

Das Finanzamt erließ am 27. 5. 2011 einen Einkommensteuerbescheid 2010, in dem der Alleinverdienerabsetzbetrag nicht mehr zuerkannt wurde. Als Begründung für die Aufhebung führte es an, dass der Ehemann der Mitbeteiligten im Kalenderjahr 2010 steuerpflichtige Einkünfte von mehr als € 6.000,- erzielt habe. Der Gesamtbetrag seiner Einkünfte betrage nämlich € 6.415,83. Dieser Betrag lasse bereits die lediglich nach § 3 Abs 2 EStG anzusetzenden steuerfreien Einkünfte (aus Notstandshilfe) außer Ansatz.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BFG der Beschwerde Folge.

Der vom Finanzamt zugrunde gelegte Gesamtbetrag der Einkünfte des Ehemanns der Mitbeteiligten iHv € 6.415,83 entspreche rechnerisch den im aktenkundigen Einkommensteuerbescheid des Ehemannes dargestellten steuerpflichtigen Pensionsbezügen iHv € 6.547,83 abzüglich dem Werbungskostenpauschbetrag iHv € 132,-.

Bei der Prüfung der Voraussetzungen für den Alleinverdienerabsetzbetrag der Mitbeteiligten entfalte der Einkommensteuerbescheid des Ehemannes der Mitbeteiligten nach Ansicht des BFG keine Bindungswirkung. Die Ermittlung eines Über- oder Unterschreitens des in § 33 Abs 4 Z 1 EStG genannten Grenzbetrages habe vielmehr allein im (Rechtsmittel-)Verfahren der Partei, die den Alleinverdienerabsetzbetrag begehre, und somit gesondert von einer allfälligen Veranlagung des jeweiligen Ehepartners zu erfolgen, weil eine rechtliche Grundlage für die Annahme einer Bindungswirkung an andere Festsetzungsbescheide fehle.

Nach § 33 Abs 4 Z 1 achter Satz EStG seien andere als die ausdrücklich im Gesetz aufgezählten steuerfreien Einkünfte bei Ermittlung einer Über- oder Unterschreitung des maßgeblichen Grenzbetrages nicht zu berücksichtigen. Daher seien auch sonstige Bezüge bis zu maximal € 2.100,- bei den erzielten Einkünften des Ehepartners eines Alleinverdieners nicht zu berücksichtigen, sofern der zugeflossene Betrag das Jahressechstel nicht übersteige.

Um das Ausmaß der steuerfreien sonstigen Bezüge ermitteln zu können, sei im Revisionsfall eine Berechnung des Jahressechstels vorzunehmen, wobei nach § 67 Abs 2 letzter Satz EStG steuerfreie laufende Bezüge gem § 3 EStG (abgesehen von hier nicht maßgeblichen Bezügen) das Jahressechstel nicht erhöhten und sohin auch die in § 3 Abs 1 Z 5 lit a EStG geregelte Notstandshilfe nicht für die Berechnung des Jahressechstels heranzuziehen sei.

Das Jahressechstel des Ehemannes der Mitbeteiligten für das Kalenderjahr 2010 errechne sich – nach Ansicht des BFG – wie folgt:


Bruttolohn€ 7.444,71
abzüglich sonstiger Bezüge- € 1.226,25
abzüglich SV für lfd. Bezüge- € 351,88
ergibt€ 5.866,58
dividiert durch die abgelaufenen Monate (12):12
Durchschnittswert€ 488,88
multipliziert mit 12x 12
Jahreseinkommen€ 5.866,58
dividiert durch 6:6
Jahressechstel€ 977,76

Die vom Ehemann der Mitbeteiligten im Jahr 2010 insgesamt erhaltenen sonstigen Bezüge iHv € 1.226,25 überstiegen daher sein Jahressechstel iHv € 977,76 um € 248,49. Dieser Betrag sei (nach Ansicht des BFG) nach dem Tarif zu besteuern und daher den steuerpflichtigen Einkünften hinzuzurechnen. Der Betrag von € 977,76 bleibe hingegen bei der Berechnung der steuerpflichtigen Einkünfte außer Ansatz.

Der für die Einkunftsgrenze des § 33 Abs 4 Z 1 EStG im Jahr 2010 maßgebliche Betrag des Ehemannes der Mitbeteiligten errechne sich – nach Ansicht des BFG – daher wie folgt:


Bruttobezüge€ 7.444,71
abzüglich steuerfreie sonstige Bezüge innerhalb des Jahressechstels- € 977,76
abzüglich SV-Beiträge für laufende Bezüge- € 351,88
abzüglich Werbungskostenpauschbetrag- € 132,-
maßgebliche Einkünfte iSd § 33 Abs 4 Z 1 EStG€ 5.983,07

Der Ehemann der Mitbeteiligten habe somit im Kalenderjahr 2010 – entgegen der Annahme des Finanzamts – nicht mehr als 6.000 € an maßgeblichen Einkünften bezogen und daher den Grenzbetrag des § 33 Abs 4 Z 1 EStG nicht überschritten.

Die Revision ließ das BFG zu, weil es zu der Rechtsfrage, ob der Einkommensteuerbescheid eines Ehepartners keine Bindungswirkung für die Überprüfung des Grenzbetrages nach § 33 Abs 4 Z 1 EStG im Verfahren einer Partei, welche einen Alleinverdienerabsetzbetrag begehrt, entfalte, keine Rsp des VwGH gebe.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision des Finanzamts.

Der VwGH hob nun das BFG-Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf:

Entscheidung

Keine Bindungswirkung des ESt-Bescheides des Ehepartners

Das BFG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Einkommensteuerbescheid eines Ehepartners keine Bindungswirkung für die Überprüfung des Grenzbetrages nach § 33 Abs 4 Z 1 EStG im Verfahren einer Partei, welche einen Alleinverdienerabsetzbetrag begehrt, entfaltet.

Eine Bindungswirkung iSd § 116 BAO kann nur der Spruch eines Bescheides entfalten. Sie ist Ausdruck der Rechtskraft der Entscheidung und erstreckt sich nicht auch auf die Entscheidungsgründe eines Bescheids. Zudem beziehen sich die Bescheidwirkungen grundsätzlich nur auf die Parteien des Verfahrens (VwGH 28. 2. 2012, 2010/15/0169, ÖStZB 2013/35, mwN).

Gegen die Annahme einer solchen Bindungswirkung spricht zudem, dass diesfalls in keiner Weise sichergestellt wäre, dass der von der Bindung Betroffene die Möglichkeit hätte, gegen die in dem Einkommensteuerverfahren des Ehepartners getroffenen Feststellungen Einwendungen zu erheben, weshalb auch Rechtsschutzüberlegungen gegen die Annahme einer Bindung sprechen.

Berechnung des Grenzbetrages

Die Revision ist allerdings aus einem anderen von der Revision aufgezeigten Grund begründet:

Der Alleinverdienerabsetzbetrag stand nach § 33 Abs 4 EStG in der im Revisionsfall maßgeblichen Fassung BGBl I 2009/135 allen Steuerpflichtigen zu, die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragene Partner sind und von ihren unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder eingetragenen Partnern nicht dauernd getrennt leben. Voraussetzung war, dass der (Ehe-) Partner (§ 106 Abs 3 EStG) bei mindestens einem Kind (§ 106 Abs 1 EStG) Einkünfte von höchstens € 6.000,- jährlich erzielt. Die nach § 3 Abs 1 Z 4 lit a, weiters nach § 3 Abs 1 Z 10, 11 und § 32 EStG und aufgrund zwischenstaatlicher oder anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen steuerfreien Einkünfte waren in diese Grenzen mit einzubeziehen, andere steuerfreie Einkünfte waren nicht zu berücksichtigen.

Daher waren auch sonstige Bezüge des Ehemanns der Mitbeteiligten, deren Besteuerung mit dem festen Steuersatz gem § 67 Abs 1 EStG unterbleibt, wenn das nach § 67 Abs 2 EStG berechnete Jahressechstel höchstens € 2.100,- beträgt (Freigrenze), für die Berechnung des Grenzbetrags des Alleinverdienerabsetzbetrages nicht zu berücksichtigen.

Berechnung des Jahressechstels

§ 67 Abs 2 EStG begrenzt die Möglichkeit, sonstige Bezüge mit den festen Steuersätzen des Abs 1 zu versteuern und somit auch in die Freigrenze aufzunehmen, indem er bestimmt, dass sonstige Bezüge, die ein Sechstel der bereits zugeflossenen auf das Kalenderjahr umgerechneten laufenden Bezüge übersteigen, dem laufenden Bezug des Lohnzahlungszeitraumes, in dem sie ausbezahlt werden, hinzuzurechnen und nach dem Lohnsteuertarif zu versteuern sind.

Dieses Sechstel ist somit nach der gesetzlichen Definition immer von den gesamten im Kalenderjahr bereits zugeflossenen laufenden Bezügen zu berechnen; und zwar so, dass die im Kalenderjahr zugeflossenen laufenden Bezüge durch die Anzahl der bereits abgelaufenen Kalendermonate zu teilen sind. Der so ermittelte Durchschnitt ist auf den Jahresbezug umzurechnen, also mit 12 zu vervielfachen, und davon das Sechstel zu berechnen (VwGH 10. 4. 1997, 94/15/0197, ARD 4875/17/97).

Dies hat das BFG verkannt, wenn es ohne nähere Feststellungen zum Auszahlungszeitpunkt der laufenden und der sonstigen Bezüge die gesamten Jahresbruttobezüge des Ehemanns der Mitbeteiligten seiner Berechnung der steuerfreien sonstigen Bezüge zugrunde gelegt und davon ausgehend den Grenzbetrag nach § 33 Abs 4 Z 1 EStG berechnet hat.

Das Jahressechstel ist nämlich bei jeder Auszahlung sonstiger Bezüge nach den Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zufließens zu berechnen.

Eine spätere allgemeine Neuberechnung des (begünstigt besteuerten bzw steuerfreien) Jahressechstels unter Einbeziehung der gesamten Jahresbruttobezüge ist gesetzlich nicht vorgesehen (vgl VwGH 17. 1. 1984, 83/14/0088 und 22. 12. 1993, 90/13/0152, ARD 4543/35/94, sowie Hofstätter/Reichel, EStG56 § 67 Rz 27 und Doralt, EStG19 § 67 Rz 26).

Im Übrigen ist bei der Berechnung des Jahressechstels - was das BFG gleichfalls verkannt hat - von den Bruttobezügen auszugehen (Doralt, EStG19 § 67 Rz 26), weshalb kein Abzug der Sozialversicherung für laufende Bezüge zu erfolgen hat.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 25640 vom 03.07.2018