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Haftung auch der Emissionsbank bei unrichtiger Ad-hoc-Meldung?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 1295, § 1301, § 1311

BörseG § 48d

Normadressat der Ad-hoc-Meldepflicht ist die Emittentin. Ein Verstoß der Emittentin gegen diese Verpflichtung hat daher verwaltungsstrafrechtliche Folgen und begründet auch als Verletzung eines Schutzgesetzes schadenersatzrechtliche Verbindlichkeiten gegenüber den Anlegern, die im Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Ad-hoc-Meldungen Investitionen getätigt haben. Es wird somit die für die Erfüllung der Ad-hoc-Publizität verantwortliche Emittentin schadenersatzpflichtig, wenn pflichtwidrig und schuldhaft Ad-hoc-Mitteilungen unterlassen wurden oder diese unrichtig waren.

§ 1301 ABGB sieht vor, dass für einen widerrechtlich zugefügten Schaden mehrere Personen verantwortlich werden können, „indem sie gemeinschaftlich, unmittelbarer oder mittelbarer Weise, durch Verleiten, Drohen, Befehlen, Helfen, Verhehlen udgl; oder, auch nur durch Unterlassung der besonderen Verbindlichkeit, das Übel zu verhindern,“ dazu beigetragen haben. Wurde daher von einer der Emissionsbank zurechenbaren Person (hier: Vorstandsmitglied) vorsätzlich eine Handlung gesetzt, die eine Beteiligung an der Verbreitung einer unrichtigen oder irreführenden Ad-hoc-Meldung darstellt, haftet die Emissionsbank - wie die Emittentin - nach § 1301 ABGB für diese Schutzgesetzverletzung den dadurch geschädigten Anlegern.

OGH 22. 10. 2015, 10 Ob 86/14s

Sachverhalt

Die Bekl hatte als Emissionsbank mit der M***** Ltd (nunmehr A***** Ltd), einer Gesellschaft mit Sitz auf der Kanalinsel Jersey, einen Platzierungs- und Market-Maker-Vertrag (PMMA) abgeschlossen. Nach diesem war sie berechtigt, mit Geldern der M***** von dieser ausgegebene Zertifikate zurückzukaufen, um die Liquidität zu sichern und die Volatilität zu dämpfen. Zugleich war sie verpflichtet, sämtliche bei den Kapitalerhöhungen nicht platzierte Zertifikate zu zeichnen. Diese Übernahmeverpflichtung überband sie an die S*****. Weiters war sie verpflichtet iZm der Platzierung der Kapitalerhöhungen die Börsegesetze einzuhalten und sämtliche Mitteilungen rechtzeitig einzureichen.

Der Kl, ein geschädigter Anleger, stützt seine Ansprüche gegen die bekl Emissionsbank ua darauf, dass iZm mehreren Kapitalerhöhungen unrichtige Ad-hoc-Meldungen veröffentlicht wurden.

Entscheidung

Zur Klärung der Tatsachengrundlage für eine allfällige Haftung der bekl Emissionbank gab der OGH der Revision Folge und verwies die Rechtssache zur Behandlung der Beweisrüge an das BerufungsG zurück.

Aus den - vom BerufungsG aufgrund seiner Rechtsansicht nicht überprüften - Feststellungen des ErstG ergibt sich, dass zwei Vorstandsmitglieder der bekl Emissionsbank - offensichtlich in dieser Funktion (Gegenteiliges wurde von der Bekl jedenfalls nicht behauptet) - im April 2005 an einem Boardtreffen der Emittentin teilgenommen haben. Jedenfalls bei diesem Treffen haben die beiden Vorstandsmitglieder von dem - auch für die bekl Emissionsbank insb aufgrund ihrer Rückkaufverpflichtung bedeutsamen - Umstand Kenntnis erlangt, dass die Kapitalerhöhungen nicht vollständig auf dem Markt platziert werden konnten. Nach den weiteren (bekämpften) Feststellungen des ErstG wurde eines dieser beiden Vorstandsmitglieder in der Folge von N*****, einer langjährigen Angestellten der Bekl, kontaktiert, um den Text der Ad-hoc-Meldung zu „genehmigen“, den sie für die Emittentin verfassen und veröffentlichen sollte.

Eine derartige „Genehmigung“ durch das Vorstandsmitglied der Bekl würde aber nach Ansicht des erk Senats nichts anderes bedeuten als die Übernahme der Letztverantwortlichkeit für den veröffentlichten Text, dessen Eignung zur Irreführung aufgrund der Kenntnis über den tatsächlichen Umfang der Platzierungen der Zertifikate auf dem Markt offenkundig gewesen wäre. Ein derartiger Beitrag eines Vorstandsmitglieds der Emissionsbank zur Veröffentlichung einer irreführenden Ad-hoc-Meldung der Emittentin wäre bei einem Handeln des Vorstandsmitglieds in Ausübung dieser Funktion der Emissionsbank zuzurechnen. Im Falle eines vorsätzlichen Handelns des Vorstandmitglieds der Bekl käme daher eine Haftung der Bekl aufgrund einer Beteiligung an einer Verletzung der Ad-hoc-Meldepflicht der Emittentin in Betracht. In diesem Fall wäre es auch nicht weiter von Relevanz, inwieweit N*****, die Angestellte der Bekl, an die Emittentin „überlassen“ war bzw ob die Bekl aufgrund des “Platzierungs- und Market-Maker-Vertrages“ mit der Emittentin tätig wurde oder aufgrund einer anderen Vereinbarung bei der Verfassung der Ad-hoc-Meldungen mit der Emittentin zusammenarbeitete.

Der OGH kam daher zum Ergebnis, dass eine Haftung der Bekl aufgrund einer Beteiligung an einer Verletzung der Ad-hoc-Meldepflicht der Emittentin nicht ausgeschlossen ist. Nach den Feststellungen waren die unrichtigen Ad-Hoc-Meldungen auch kausal für die Kaufentscheidung des kl Anlegers und damit für den ihm entstandenen Schaden. Zur Klärung der Tatsachengrundlage verwies der OGH daher die Rechtssache zur Behandlung der Beweisrüge an das BerufungsG zurück.

Nicht vom OGH zu prüfen war hier, ob derselbe Sachverhalt, der aufgrund einer Beteiligung an der Verbreitung einer irreführenden Ad-hoc-Meldung eine Haftung begründet, auch zugleich in unmittelbarer Täterschaft den Tatbestand der Marktmanipulation erfüllt, ob vielleicht ein Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter besteht oder ob die Bekl auf der Grundlage der VO (EG) 2273/2003 haftet (unzulässige Neuerung).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20905 vom 14.01.2016