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Haftung des Abschlussprüfers – Mitverschulden der Gesellschaft?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

UGB §§ 273 ff

Bei §§ 273 ff UGB handelt es sich nach herrschender Auffassung um Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB, die gerade den Zweck haben, die geprüfte Gesellschaft vor Vermögensschäden zu schützen. Vom Schutzzweck der Vorschriften über die Abschlussprüfung ist auch die Aufdeckung einer vorsätzlich unrichtigen Rechnungslegung durch die (Gesellschafts-)Organe umfasst und damit die Verhinderung einer weiteren Schädigung der Gesellschaft durch weiteres rechtswidriges Verhalten der Organe. Wäre eine sorgfältige Prüfung geeignet gewesen, Maßnahmen auszulösen, die eine weitere Schädigung der Gesellschaft allenfalls verhindert hätten, ist es Sache des Prüfers, zu behaupten und zu beweisen, dass der Schaden auch bei rechtmäßigen Alternativverhalten des Prüfers eingetreten wäre.

Nach der in Österreich herrschenden Rechtsansicht kann sich ein haftpflichtiger Abschlussprüfer zu seiner Entlastung gegenüber der Gesellschaft nicht auf Fehler berufen, die vom Vorstand oder Geschäftsführer verschuldet wurden. Die Tätigkeit des Prüfers für die Gesellschaft besteht gerade in der Kontrolle ihrer Organe. Der Abschlussprüfer kann sich lediglich intern an den schuldhaft handelnden Organmitgliedern regressieren.

An dieser Auffassung ist auch festzuhalten, wenn der schuldtragende Geschäftsführer der geprüften Gesellschaft gleichzeitig deren einziger Gesellschafter ist. Objekt des Schutzgesetzes ist das eigene Vermögen der geprüften juristischen Person, das auch den Deckungsfonds für die Gesellschaftsgläubiger bildet. Soweit einem untreuen Geschäftsführer in seiner Rolle als Gesellschafter durch die Haftung des Abschlussprüfers mittelbar ein Vorteil erwachsen würde, kann dies nicht dem Schadenersatzanspruch der Gesellschaft entgegengehalten werden, sondern nur dem Organ im Rahmen des Regresses zwischen mehreren Haftpflichtigen.

OGH 29. 3. 2016, 8 Ob 76/15g

Sachverhalt

Der Alleingesellschafter der Schuldnerin war auch deren einziger Geschäftsführer. Die von im beauftragte Abschlussprüferin (Bekl) erteilte am 14. 5. 2008 dem Jahresabschluss der Schuldnerin zum 31. 12. 2006 einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk.

Die Bekl hat den Jahresabschluss 2006 und den Lagebericht der Gesellschaft in mehrfacher Hinsicht fachlich mangelhaft geprüft: keine Erhebungen zum internen Kontrollsystem im Bereich des Rechnungswesens und keine hinreichende Prüfung der elektronisch geführten Buchhaltung. Dadurch war es dem Geschäftsführer möglich, der Bekl verfälschte Unterlagen und Auswertungen vorzulegen. Hätte sie sorgfältig geprüft, hätte sie erkannt, dass Bankverbindlichkeiten der Schuldnerin iHv insg 4.672.024,83 € nicht im Jahresabschluss bilanziert waren.

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde mit Beschluss vom 15. 3. 2010 der Konkurs eröffnet und der Kl zum Insolvenzverwalter bestellt.

Die Schuldnerin war bereits zum Bilanzstichtag 31. 12. 2006 zahlungsunfähig. Sie konnte ihre Finanzierung nur mehr durch rechtswidriges Verhalten ihres Geschäftsführers aufrecht erhalten. Die positive Fortbestehensprognose beruhte auf Scheinrechnungen, die jedes Jahr erhöht wurden.

Die Bankverbindlichkeiten der Schuldnerin stiegen zwischen Mai 2008 und März 2010 um mehr als 2 Mio €, ihre übrigen Verbindlichkeiten um rund 3,4 Mio €, wobei diesem Anstieg keine nennenswerten Vermögenszuwächse gegenüberstanden. Hätte die Bekl dem Rechnungsabschluss 2006 keinen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt, wäre die Schuldnerin bereits im Mai 2008 gezwungen gewesen, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen.

Der Kl begehrte als Insolvenzverwalter aus dem Titel des Schadenersatzes die Zahlung des Höchstbetrags nach § 275 Abs 2 UGB von 2 Mio € sA in die Masse. Die Bekl habe ihre übernommene Vertragspflicht zur gewissenhaften Prüfung des Jahresabschlusses der Schuldnerin zum 31. 12. 2006 grob fahrlässig verletzt und sei nach § 1299 ABGB iVm § 275 UGB der geprüften Gesellschaft zum Ersatz des dadurch verursachten „Quotenschadens“ verpflichtet. Die Insolvenzquote habe sich im Zeitraum von Mai 2008 bis zur tatsächlichen Verfahrenseröffnung von geschätzten 50 % auf nunmehr voraussichtlich unter 3 % verringert.

Die Klage blieb im Ergebnis in allen drei Instanzen erfolgreich.

Entscheidung

Zum Anspruchsgrund hält der OGH fest, dass sich der Anspruch eines Gläubigers auf Ersatz des „Quotenschadens“ iSd § 69 Abs 5 IO gegen den Schuldner bzw dessen Vertreter richtet und dann besteht, wenn dieser Personenkreis seine Verpflichtung zur Beantragung der Insolvenzeröffnung verletzt hat (siehe § 69 Abs 2 IO) und dadurch die Befriedigungsquote der Insolvenzgläubiger verschlechtert wurde. Einen solchen „Quotenschaden“, der sich gegen die Organe der Schuldnerin selbst richten müsste, macht der Kl hier nicht geltend und die Bekl gehört als Abschlussprüferin auch nicht zum Kreis der antragspflichtigen Personen nach § 69 Abs 5 IO.

Der Kl hat sein Begehren ausdrücklich auf die §§ 273 bis 275 UGB gestützt und einen Schadenersatzanspruch aus der Verletzung von Vertragspflichten erhoben. Die bloße Fehlbezeichnung des Anspruchsgrundes schadet nicht, wenn – wie hier – seine Rechtsnatur aus dem sonstigen Vorbringen des Kl klar und eindeutig hervorgeht.

Der eingeklagte Vermögensnachteil wurde nach Ansicht des OGH offenbar deswegen als „Quotenschaden“ bezeichnet, weil der Kl davon ausgegangen ist, dass die Erhöhung der Passiven rechnerisch dem zusätzlichen Quotenausfall der Konkursgläubiger entspricht. Ob eine solche Berechnung im Allgemeinen bzw konkret im vorliegenden Fall richtig und schlüssig ist, konnte dahingestellt bleiben, weil Ansprüche der Gläubiger nicht Verfahrensgegenstand sind.

Die Klage blieb daher auch vor dem OGH erfolgreich, der in seinen Entscheidungsgründen auch Einwände der Bekl betr Kausalität oder ein etwaiges Mitverschulden der Gläubigerbanken (zu großzügige Kreditvergabe) oder des Kl (unterlassene Bestreitung von Gläubigerforderungen) verwarf.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21489 vom 20.04.2016