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Abstract
Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) ist der deutsche Standardsetzer rund um Wirtschaftsprüfung, Rechnungslegung, Beratung, Steuern und Recht. Am 7. November 2024 hat der Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) des IDW den Entwurf der Neufassung (IDW ES 1 n.F.) des IDW-Standards: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen verabschiedet.
Um sowohl Berufsangehörigen als auch der interessierten Öffentlichkeit eine umfassende Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen, wurde eine vorzeitige Anwendung des Entwurfs ausdrücklich ausgeschlossen. Die Frist zur Einreichung von Kommentaren läuft bis zum 31. Mai 2025.
Kurzüberblick über die Neuerungen
Die derzeit geltende Fassung des IDW S 1 geht bereits auf das Jahr 2008 zurück. Mit der Veröffentlichung des neuen Entwurfs wurden deshalb auch einige Änderungen vorgenommen, um den Veränderungen der regulatorischen Bewertungslandschaft gerecht zu werden. Die wesentlichen Änderungen betreffen dabei neben begrifflichen Modernisierungen und einer Neugliederung des Aufbaus der Stellungnahme die folgenden Aspekte:
- | Erweiterung der Funktion des Wirtschaftsprüfers als neutraler Sachverständiger oder Berater, |
- | Weiterentwicklung des objektivierten Werts, |
- | Einführung des plausibilisierten Entscheidungswerts als neues Wertkonzept, |
- | Ergänzung einer Öffnungsklausel bei der Berücksichtigung persönlicher Ertragsteuern der Anteilseigner und |
- | Präzisierungen der Anforderungen an ein nachhaltiges Ergebnis in der Cashflow-Rechnung. |
Erweiterte Funktion des Wirtschaftsprüfers als neutraler Sachverständiger und deren Auswirkungen auf die Eigenverantwortung
In der Fassung des IDW S 1 von 2008 wurde die Rolle des Wirtschaftsprüfers auf die Funktionen als neutraler Gutachter, Berater und Schiedsgutachter bzw Vermittler beschränkt. Im neuen Entwurf wurde diese Differenzierung um die Funktion des neutralen Sachverständigen erweitert. Die verschiedenen Rollen unterscheiden sich insbesondere durch die Verantwortung des Wirtschaftsprüfers in Bezug auf den Umfang der verwendeten Informationen sowie die Plausibilitätsbeurteilung der Annahmen, die der Zukunftserfolgsplanung zugrunde liegen.
Der neue Entwurf differenziert künftig zwischen der Managementplanung als Ausgangspunkt für eine Planungsrechnung und der darauf aufbauenden Zukunftserfolgsplanung. Die Verantwortlichkeit für die Zukunftserfolgsplanung richtet sich dabei nach der jeweiligen Rolle, die der Wirtschaftsprüfer einnimmt. Der neutrale Gutachter trägt die Verpflichtung, eine umfassende Plausibilitätsbeurteilung sowohl der zentralen Annahmen als auch des zugrunde liegenden Planungsmodells vorzunehmen. Im Gegensatz dazu ist der neutrale Sachverständige lediglich gehalten, eine hinreichende Plausibilitätsprüfung durchzuführen. Ein Berater hingegen ist nicht zwingend verpflichtet, eine Plausibilitätsbeurteilung vorzunehmen.
Weiterentwicklung des objektivierten Werts
Der Entwurf sieht auch die Weiterentwicklung des objektivierten Werts vor, um den Entwicklungen in der nationalen und internationalen Bewertungspraxis gerecht zu werden. Bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts sind die Verhältnisse des Unternehmens und des Marktes zum Bewertungsstichtag sowie die hierauf aufbauenden Erwartungen heranzuziehen. Die Prognose der Zukunftserfolge hat ausgehend von dem vom Management verfolgten Geschäftsmodell mit realistischen Zukunftserwartungen im Rahmen der Marktchancen, -risiken und finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens sowie sonstigen Einflussfaktoren zu erfolgen. In der Fassung des IDW S 1 von 2008 wurden bei der Ermittlung des objektivierten Unternehmenswerts nur „eingeleitete“ oder „im Unternehmenskonzept dokumentierte Maßnahmen“ berücksichtigt. Noch nicht hinreichend konkretisierte Erweiterungs- oder Desinvestitionen sowie die daraus voraussichtlich resultierenden finanziellen Überschüsse fanden keine Berücksichtigung. Im neuen Entwurf wird gezielt auf diese Anforderung verzichtet. Stattdessen wird der Plausibilitätsbeurteilung der Planungsrechnung ein höherer Stellenwert eingeräumt. Diese ist beim objektivierten Wert aus der Perspektive umfassend informierter Eigenkapitalgeber mit ausschließlich finanzieller Zielsetzung ohne Einfluss auf die Geschäftspolitik durchzuführen.
Einführung des plausibilisierten Entscheidungswerts als neues Wertkonzept
Neben dem objektivierten Wert wird das Wertkonzept des sogenannten plausibilisierten Entscheidungswerts eingeführt, welches den Begriff des subjektiven Entscheidungswerts aus IDW S 1 (idF 2008) weitgehend ersetzen soll.
Bei einem plausibilisierten Entscheidungswert erfolgt die Plausibilitätsbeurteilung aus der Perspektive eines spezifischen Entscheidungsträgers. Im Unterschied zum objektivierten Unternehmenswert werden bei einem subjektiven Entscheidungswert die finanziellen Interessen eines spezifischen, bekannten Bewertungssubjekts reflektiert. Dieser Wert definiert, was ein Bewertungssubjekt unter Berücksichtigung seiner vorhandenen individuellen Möglichkeiten und Erwartungen als Eigenkapitalgeber dem Bewertungsobjekt an finanzieller Leistungsfähigkeit beimisst. Das Wertkonzept des plausibilisierten Entscheidungswerts beinhaltet zusätzlich die Plausibilitätsbeurteilung der Möglichkeiten und Erwartungen spezifischer Entscheider oder einer spezifischen Gruppe von Entscheidern als Stellvertreter für spezifische Eigenkapitalgeber. Dadurch sollen die Ergebnisse nachvollziehbar und konsistent werden. Diese unabhängige Plausibilitätsbeurteilung ist insbesondere dann erforderlich, wenn ein plausibilisierter Entscheidungswert als Rechtfertigung gegenüber Dritten (bspw Kapitalgeber oder Abschlussprüfer) aufgrund rechtlicher Regelungen vorgesehen ist.
Der plausibilisierte Entscheidungswert strebt somit nach intersubjektiver Nachvollziehbarkeit und stellt höhere Anforderungen an die Plausibilität und Nachprüfbarkeit der Annahmen als der bisher bekannte subjektive Entscheidungswert.
Ergänzung einer Öffnungsklausel bei der Berücksichtigung persönlicher Ertragsteuern der Anteilseigner
Hinsichtlich der Berücksichtigung persönlicher Ertragsteuern der Anteilseigner enthält der Entwurf eine Öffnungsklausel, die vorsieht, dass in Bewertungsfällen, bei denen das Interesse und Informationsbedürfnis primär auf die Ebene von Kapitalgesellschaften abzielt, eine Bewertung ohne Einbeziehung persönlicher Ertragsteuern als ebenso sachgerecht erachtet wird.
Präzisierungen der Anforderungen an das nachhaltige Ergebnis (Ewige Rente)
Das nachhaltige Ergebnis stellt eine zentrale Größe zur Abbildung der langfristig erzielbaren Zukunftserfolge eines Unternehmens dar, die über die Detailplanungsphasen hinausreichen. Während der IDW-Standard aus 2008 diese bewertungsrelevante Größe nur wenig erläuterte, hat der FAUB im neuen Entwurf eine deutlich präzisere Definition und Konkretisierung vorgenommen. Dabei wird die zentrale Rolle des nachhaltigen Ergebnisses hervorgehoben, insbesondere im Kontext langfristiger Erwartungen, von Transformationsprozessen und Markttrends sowie der übertragbaren Ertragskraft und der Lebensdauer eines Unternehmens.
Der Entwurf legt explizit fest, dass das letzte Planjahr der Detailplanungsphase nicht unkritisch als Basis für die Ableitung des nachhaltigen Ergebnisses herangezogen werden darf. Vielmehr sind unabhängige und methodisch fundierte Analysen erforderlich, um die Tragfähigkeit langfristiger Annahmen zu validieren. In die Ableitung fließen dabei umfassende Parameter ein, wie beispielsweise langfristige Umsatzniveaus, Margenerwartungen sowie spezifische Kennzahlen wie die EBITDA- oder EBIT-Margen. Diese berücksichtigen zudem relevante Trends, wirtschaftliche Zyklen und strukturelle Transformationsprozesse des Geschäftsmodells.
Liegen endliche Geschäftsmodelle oder eine nur temporär übertragbare Ertragskraft vor, darf ein nachhaltiges Ergebnis nicht angesetzt werden. Stattdessen erfordert die Bewertung eine entsprechende Anpassung des Planungshorizonts, um die Abwicklung oder die zeitlich begrenzte Fortführung des Geschäfts realistisch abzubilden.
Conclusio
Die Überarbeitung des IDW-Standards IDW ES 1 (n.F.) markiert nach langer Zeit einen bedeutenden Schritt zur Modernisierung und Anpassung der Bewertungspraxis an die aktuellen Anforderungen der Unternehmensbewertung. Durch die Einführung neuer Wertkonzepte und die Präzisierung zentraler Bewertungsparameter reagiert der Entwurf sowohl auf die zunehmende Komplexität der Bewertungslandschaft als auch auf internationale Entwicklungen. Die finale Verabschiedung des Standards hängt maßgeblich von den Rückmeldungen der Fachöffentlichkeit ab.