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IFRIC Update Februar 2022

Bearbeiter: Philipp Hummer / Bearbeiter: Jennifer Wedl

Abstract

Das IFRS Interpretation Committee (IFRS IC) beantwortet Anwendungsfragen zu IFRS Standards. Im letzten Meeting wurde eine vorläufige Agenda-Entscheidung und eine finale Agenda-Entscheidung getroffen.

Das nächste Meeting findet am 15. und 16. März 2022 statt.

Einleitung

In seinem Meeting am 1. Februar 2022 beschloss das IFRS IC

-eine vorläufige Agenda-Entscheidung (Tentative Agenda Decision) und
-eine finale Agenda-Entscheidung, die zuvor im Juni 2021 vorläufig veröffentlicht wurde und die bei Zustimmung des IASB im März 2022 endgültig wird.

Überdies erhielt das IFRS IC im Rahmen des Meetings Informationen zu einer Anfrage iZm IFRS 17, die in einer künftigen Sitzung erörtert werden soll.

Tentative Agenda Decision

Negative Low Emission Vehicle Credits (IAS 37 Provisions, Contingent Liabilities and Contingent Assets)

Zur Diskussion gestellt wurde, ob ein negatives Emissionsguthaben zu einer gegenwärtigen Verpflichtung iSd Definition nach IAS 37 führt. Der konkrete Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:

Unternehmen, die Fahrzeuge produzieren oder importieren, erhalten aufgrund staatlicher Maßnahmen zur Emissionsreduktion in einer Jahresbetrachtung entweder

-positive Emissionspunkte „Emissionsguthaben“, wenn die durchschnittlichen Emissionen ihrer produzierten oder importierten Fahrzeuge unter den festgelegten Emissionsgrenzen liegen, oder
-negative Emissionspunkte „negatives Emissionsguthaben“, wenn die durchschnittlichen Emissionen ihrer produzierten oder importierten Fahrzeuge über den festgelegten Emissionsgrenzen liegen.

Ein negatives Emissionsguthaben ist durch den Zukauf von Emissionspunkten von anderen Unternehmen oder durch die Generierung eines positiven Emissionsguthabens (indem mehr Fahrzeuge importiert oder produziert werden, die die Emissionsgrenzen nicht überschreiten) in der Folgeperiode auszugleichen. Wird ein negatives Emissionsguthaben nicht ausgeglichen, können staatliche Sanktionen, wie bspw Marktzugangsbeschränkungen verhängt werden.

Geltende Vorschriften

Nach IAS 37.10 ist eine Schuld eine gegenwärtige Verpflichtung des Unternehmens, die aus Ereignissen der Vergangenheit entsteht und deren Erfüllung für das Unternehmen erwartungsgemäß mit einem Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen verbunden ist. Ein verpflichtendes Ereignis ist ein Ereignis, das eine rechtliche oder faktische Verpflichtung schafft, aufgrund derer das Unternehmen keine realistische Alternative zur Erfüllung der Verpflichtung hat.

Nach IAS 37.17 ist ein Ereignis der Vergangenheit, das zu einer gegenwärtigen Verpflichtung führt, ein verpflichtendes Ereignis. Ein Ereignis ist ein verpflichtendes Ereignis, wenn ein Unternehmen keine realistische Alternative zur Erfüllung der durch dieses Ereignis entstandenen Verpflichtung hat. Das ist nur der Fall, (a) wenn die Erfüllung einer Verpflichtung rechtlich durchgesetzt werden kann; oder (b) wenn, im Falle einer faktischen Verpflichtung, das Ereignis (das aus einer Handlung des Unternehmens bestehen kann) gerechtfertigte Erwartungen bei anderen Parteien hervorruft, dass das Unternehmen die Verpflichtung erfüllen wird.

Nach IAS 37.19 werden Rückstellungen nur für diejenigen aus Ereignissen der Vergangenheit resultierenden Verpflichtungen angesetzt, die unabhängig von der künftigen Geschäftstätigkeit eines Unternehmens entstehen.

Analyse und Schlussfolgerung

Das IFRS IC kam für den vorliegenden Fall vorläufig zum Schluss, dass bei einem negativen Emissionsguthaben

(1)grundsätzlich eine rechtliche Verpflichtung iSd IAS 37 besteht,
(2)es sei denn, die Akzeptanz der staatlichen Sanktionen stellt eine realistische Alternative für das Unternehmen zur Eliminierung des negativen Guthabens dar.

Das IFRS IC begründet seine vorläufige Schlussfolgerung (1) damit, dass das die Verpflichtung schaffende Ereignis – der Import oder die Produktion von Fahrzeugen – ein Ereignis aus der Vergangenheit darstellt und die Erfüllung dieser Verpflichtung durch Sanktionen des Staates rechtlich durchgesetzt werden kann, weshalb eine rechtliche Verpflichtung vorliegt. Ein Ausgleich der Verpflichtung ist weiters mit einem Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen verbunden, weil entweder ein Ausgleich durch den Erwerb von positiven Emissionspunkten oder durch die Generierung von positiven Emissionspunkten in der Folgeperiode zu erfolgen hat. Letztlich ist die Verpflichtung aus der Vergangenheit auch unabhängig von der künftigen Geschäftstätigkeit, weil diese einzig durch die Produktion oder den Import von Fahrzeugen mit höheren Emissionswerten als gesetzlich vorgesehen hervorgerufen wurde und künftige Aktivitäten des Unternehmens nur Einfluss auf den Ausgleich der Schuld, aber nicht mehr auf die bereits entstandene Schuld haben.

Für denkbaren Fall (2), dass die Akzeptanz der staatlichen Sanktionen eine realistische Alternative für ein Unternehmen darstellt, hält das IFRS IC vorläufig fest, dass zwar keine rechtliche Verpflichtung vorliegt, aber eine faktische Verpflichtung iSd IAS 37 gegeben sein kann, wenn das Unternehmen durch seine Handlungen gerechtfertigte Erwartungen erweckt hat das negative Emissionsguthaben ausgleichen zu wollen.

Das IFRS IC weist abschließend darauf hin, dass neben dem Bestehen einer gegenwärtigen Verpflichtung noch weitere Ansatzkriterien einer Rückstellung zu erfüllen sind, die jedoch nicht Gegenstand seiner (vorläufigen) IFRS IC Agenda-Entscheidung sind.

Das IFRS IC konkludiert damit vorläufig, dass die Grundsätze und Anforderungen des IAS 37 eine angemessene Grundlage für die Beantwortung dieser Anfrage darstellen und hat vorgeschlagen, die Fragestellung nicht im Rahmen eines Standardsetzungsprojekts weiter zu verfolgen.

Final Agenda Decision

TLTRO III Transactions (IFRS 9 Financial Instruments und IAS 20 Government Grants)

Das IFRS IC finalisierte die vorläufige Agenda-Entscheidung (Tentative Agenda Decision) vom Juni 2021 zur Bilanzierung von Darlehensaufnahmen bei Kreditinstituten, die im Rahmen des dritten Programms der gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte („targeted longer-term refinancing operations" – „TLTROs“) von der Europäischen Zentralbank (EZB) vergeben werden.

Im Rahmen von TLTROs werden Kreditinstituten langfristig Finanzmittel zu attraktiven Konditionen mit dem Ziel, Anreize für die Kreditvergabe an die Realwirtschaft zu schaffen, zur Verfügung gestellt. Der anwendbare Zinssatz ist dabei an das Kreditvergabeverhalten der teilnehmenden Kreditinstitute gekoppelt und ist umso attraktiver, je mehr Kredite die teilnehmenden Kreditinstitute an nichtfinanzielle Unternehmen und private Haushalte vergeben.

Im vorgelegten Fall stellte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) an das IFRS IC ua die Frage, ob es sich bei begebenen Darlehen im Rahmen von TLTRO III um unterverzinsliche Darlehen handelt und falls ja, ob dieser Vorteil aus der Unterverzinslichkeit eine Zuwendung der öffentlichen Hand darstellt, die gemäß IAS 20 zu bilanzieren ist.

Das IFRS IC hat nun final festgehalten, dass ein Vorteil in Form eines unterverzinslichen Darlehens vorliegt, der als Zuschuss der öffentlichen Hand nach IAS 20 zu bilanzieren ist, wenn

a)die EZB eine öffentliche Hand gem IAS 20 darstellt und
b)der erhobene Zinssatz unter dem marktüblichen Zins liegt.

Das IFRS IC hat jedoch keine finale Entscheidung darüber getroffen, ob die EZB eine öffentliche Hand nach IAS 20 darstellt und, ob TLTRO III Darlehen als Zuwendung der öffentlichen Hand nach IAS 20 zu bilanzieren sind. Die Beurteilung erfordert Ermessensentscheidungen auf Basis der spezifischen Fakten und Umstände, weshalb das IFRS IC festhält, nicht in der Lage zu sein, darüber zu entscheiden.

Kommt ein Unternehmen nach Analyse der spezifischen Fakten und Umstände zum Ergebnis, dass es sich bei der EZB um eine öffentliche Hand handelt und die Unterverzinsung eine Zuwendung ebendieser darstellt, so ist dieser Vorteil (Differenz zwischen beizulegenden Zeitwert des Darlehens und Transaktionspreis) bei der Ersterfassung als Zuwendung nach IAS 20.10A zu bilanzieren. Anhangangaben nach IAS 20.39, IAS 1.117, 1.122, 1.125 und IFRS 7.7, 7.21 7.31 sind zu beachten. Die Folgebilanzierung der Zuwendung hat sich laut dem IFRS IC nach IFRS 9 zu richten.

Das IFRS IC konkludiert, dass IAS 20 eine angemessene Grundlage für die Beantwortung dieser Frage darstellt und die Fragestellung daher nicht im Rahmen eines Standardsetzungsprojekts weiter zu verfolgen ist. Die Agenda-Entscheidung wird mit Zustimmung vom IASB endgültig.

Weiterführende (auch an das IFRS IC adressierte) Fragen zur Berechnung des Effektivzinssatzes und zur Folgebewertung der Verbindlichkeit wurden nicht abschließend beurteilt und sollen vom IASB im Rahmen des Post-Implementation Review zu IFRS 9 beurteilt werden.

1

Vgl ECB, Targeted longer-term refinancing operations (TLTROs), https://www.ecb.europa.eu/mopo/implement/omo/tltro/html/index.en.html (abgerufen am 22. 2. 2022).


Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32189 vom 09.03.2022