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Insolvenz-Entgelt für Konventionalstrafe?

Bearbeiter: Manfred Lindmayr

IESG § 1 Abs 2

Ein Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers ist nur dann durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds gesichert, wenn der Entstehungsgrund des Anspruchs unmittelbar im Arbeitsverhältnis gelegen ist und bereits ein konkreter Schaden eingetreten ist. Dies gilt auch dann, wenn dem geltend gemachten Anspruch die Vereinbarung einer Konventionalstrafe (Vertragsstrafe) zugrunde liegt.

Verstößt ein Arbeitgeber gegen die nach Beendigung des Dienstverhältnisses in einem Vergleich vereinbarte und mittels Konventionalstrafe abgesicherte Verpflichtung, nachteilige Aussagen über den Arbeitnehmer zu unterlassen, ist die vom Arbeitnehmer geltend gemachte Vertragsstrafe nicht nach dem IESG gesichert. Da die Konventionalstrafenvereinbarung, aus der der Arbeitnehmer seinen Anspruch ableitet, erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeschlossen wurde, handelt es sich um einen gesonderten Verpflichtungsgrund, der außerhalb des Arbeitsverhältnisses gelegen ist.

OGH 24. 3. 2015, 8 ObS 1/15b

Sachverhalt

Aus der Pressemitteilung des OGH ergibt sich, dass der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses über seine noch offenen Ansprüche mit dem Arbeitgeber einen Vergleich abgeschlossen hat. In diesem Vergleich verpflichtete sich der Arbeitgeber ua dazu, nachteilige Aussagen über den Arbeitnehmer zu unterlassen. Die Einhaltung dieser Pflicht wurde mit einer Vertragsstrafe gesichert. In der Folge verstieß der Arbeitgeber gegen diese Verpflichtung, weshalb die Vertragsstrafe fällig wurde.

Aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers begehrte der Kläger die Zahlung der Vertragsstrafe durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds. Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Vom IESG gesicherte Ansprüche

Der Zweck des IESG besteht in einer sozialversicherungsrechtlichen Sicherung von Entgeltansprüchen und sonstigen aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenden Ansprüchen von Arbeitnehmern im Fall der Insolvenz ihres Arbeitgebers. Versichertes Risiko ist demnach im Kernbereich die von den Arbeitnehmern typischerweise nicht selbst abwendbare und absicherbare Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlusts ihrer Entgeltansprüche, auf die sie typischerweise zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts sowie des Lebensunterhalts ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen sind.

Mit Rücksicht auf diese Zielsetzung hat der Gesetzgeber bestimmte Kategorien von Ansprüchen als gesicherte Ansprüche anerkannt und in § 1 Abs 2 IESG aufgenommen. Daraus folgt, dass ein geltend gemachter Anspruch einer in § 1 Abs 2 IESG normierten Anspruchsart zugeordnet werden muss; eine Umgehung ist unzulässig.

Sicherung von Schadenersatzansprüchen

In Bezug auf (sonstige) Schadenersatzansprüche (abgesehen von der Kündigungsentschädigung) hat der OGH in der Grundsatzentscheidung OGH 25. 6. 2001, 8 ObS 141/01w, ARD 5302/1/2002, ausgesprochen, dass die in § 1 Abs 2 Z 2 IESG vorgesehene Sicherung von Schadenersatzansprüchen „aus einem Arbeitsverhältnis“ keine Ansprüche erfasst, die vor dem vorgesehenen Arbeitsbeginn entstehen, etwa aus einem davor liegenden unberechtigten Rücktritt vom Arbeitsvertrag. Auch die Sicherungsfähigkeit von (sonstigen) Schadenersatzansprüchen setzt demnach grundsätzlich voraus, dass sie aus dem Vollzug des Arbeitsverhältnisses resultieren.

Zudem muss der Schadenersatzanspruch aus der Verletzung einer Haupt- oder Nebenpflicht des Dienstverhältnisses ableitbar sein. Dementsprechend sind nur jene Ansprüche gesichert, die mit den ein Arbeitsverhältnis kennzeichnenden Haupt- und Nebenpflichten in einem solchen Zusammenhang stehen, dass davon ausgegangen werden kann, die Ansprüche hätten ihren Entstehungsgrund im Arbeitsverhältnis.

Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn dem geltend gemachten Anspruch eine Konventionalstrafenvereinbarung zugrunde liegt. Für die Beurteilung der Sicherungsfähigkeit nach dem IESG muss in einem solchen Fall am dahinterstehenden, mit dem pauschalierten Ersatzanspruch abgegoltenen Schaden angeknüpft werden, weil durch eine Vereinbarung keine zusätzlichen Anspruchskategorien in den gesetzlichen Katalog gesicherter Ansprüche eingeführt werden können.

Die Sicherungsfähigkeit eines (sonstigen) Schadenersatzanspruchs setzt also ua voraus, dass der Anspruch auf Ersatz seinen Entstehungsgrund im Arbeitsverhältnis hat (vgl OGH 16. 11. 2005, 8 ObS 24/05w, ARD 5658/8/2006). Der Entstehungsgrund des Anspruchs muss demnach unmittelbar im Dienstverhältnis gelegen sein. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Anspruch aus einem gesonderten, außerhalb des Arbeitsverhältnisses gelegenen Verpflichtungsgrund abgeleitet wird.

Außerdem muss ein konkreter Schaden eingetreten sein und dementsprechend vom Kläger behauptet und bewiesen werden, weil ein bloßer Pflichtverstoß des Arbeitgebers selbst im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung mit einem Zahlungsversprechen des Arbeitgebers nicht als Schadenersatzanspruch „aus einem Arbeitsverhältnis“ iSd § 1 Abs 2 Z 2 IESG angesehen werden kann. Die Regelung über die Sicherung von „Schadenersatzansprüchen“ ist ausgehend von der Zweckbestimmung des IESG eng auszulegen. Davon ausgehend setzt der Begriff „Schadenersatz“ notwendig den Eintritt eines Schadens voraus.

Kein Anspruch auf Insolvenz-Entgelt

Der Verpflichtungsgrund, aus dem im vorliegenden Fall der Kläger seinen Anspruch, den er gesichert haben möchte, ableitet, besteht in der Vereinbarung einer Konventionalstrafe, die erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers abgeschlossen wurde. Dabei handelt es sich um einen gesonderten Verpflichtungsgrund, der außerhalb des Arbeitsverhältnisses gelegen ist.

Auch den Eintritt eines konkreten Schadens aus der behaupteten Verletzung der nachwirkenden Fürsorgepflicht des Arbeitgebers hat der Kläger nicht dargelegt. Er hat auch nicht behauptet, inwieweit er durch das Verhalten des Arbeitgebers in seinem Fortkommen beeinträchtigt worden wäre oder sonstige Nachteile erlitten hätte.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen mit diesen Grundsätzen im Einklang. Ihre Beurteilung, dass die geltend gemachten Ansprüche des Klägers nicht als Schadenersatzansprüche iSd § 1 Abs 2 Z 2 IESG gesichert sind, erweist sich als nicht korrekturbedürftig.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19562 vom 27.05.2015