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Internationale Zuständigkeit - Prospekthaftung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

VO (EG) 44/2001: Art 5

Im vorliegenden Fall stützt eine geschädigte (österreichische) Anlegerin ihre Klage gegen die Emittentin der Inhaberschuldverschreibung (mit Sitz in London und einer Zweigniederlassung in Frankfurt) auf Prospekthaftung. Der Prospekt war in Deutschland erstellt worden.

Der OGH möchte in seinem Vorabentscheidungsersuchen vom EuGH wissen, welches Gericht für außervertragliche Ansprüche wegen Prospekthaftung international zuständig ist, wenn

-der Anleger seine durch den mangelhaften Prospekt verursachte Anlageentscheidung an seinem Wohnsitz getroffen hat und
-er aufgrund dieser Entscheidung den Kaufpreis für das am Sekundärmarkt erworbene Wertpapier von seinem Konto bei einer österreichischen Bank auf ein Verrechnungskonto bei einer anderen österreichischen Bank überwiesen hat, von wo der Kaufpreis in der Folge im Auftrag des Kl an den Verkäufer überwiesen wurde.

OGH 10. 5. 2017, 3 Ob 28/17i

Sachverhalt

Die Bekl ist eine Bank mit Sitz in London und einer Zweigniederlassung in Frankfurt. Sie ist Emittentin der Inhaberschuldverschreibung „X*****“, die institutionelle Investoren zeichneten und ihrerseits am Sekundärmarkt ua an Verbraucher in Österreich weiterverkauften.

Der Wert des Zertifikats richtet sich nach einem Index, der aus einem Portfolio von mehreren Zielfonds gebildet wird; der Wert des Zertifikats ist also unmittelbar mit diesem Portfolio verknüpft. Dieses Portfolio sollte von der X***** GmbH mit Sitz in Deutschland errichtet und verwaltet werden.

Die Emission der Zertifikate erfolgte auf Grundlage eines (deutschen) Basisprospekts vom 22. 9. 2005 und eines Konditionenblatts vom 20. 12. 2005 samt Anhängen. Der Basisprospekt wurde bei der österreichischen Kontrollbank notifiziert.

Das öffentliche Angebot zur Zeichnung lief von 20. 12. 2005 bis 24. 2. 2006, die Emission erfolgte am 31. 3. 2006. Die abwickelnde Clearingstelle war eine AG mit Sitz in Frankfurt am Main. Dort ist auch die Globalurkunde des Zertifikats hinterlegt.

H***** K*****, der Trading Manager und Fonds Advisor der X***** GmbH, nutzte seinen maßgeblichen Einfluss, um durch die Investitionsentscheidungen seinem groß angelegten Schneeball-Betrugssystem neues Kapital zuzuführen. Die Gelder sind großteils verloren, die Zertifikate sind wertlos.

Die Kl ist eine Verbraucherin mit Wohnsitz in Wien; sie hat in zwei Tranchen - über zwei verschiedene österreichische Banken mit Sitz in Salzburg bzw in Graz - insgesamt 28.648,43 € in die Zertifikate investiert. Ihr Klagebegehren stützt sie einerseits auf vertragliche Ansprüche, andererseits insb auf Prospekthaftung, wozu sie vorbringt, die Prospektangaben seien in hohem Maß irreführend und die Bekl habe maßgebliche Risiken und Informationen verschwiegen, die sich aus der besonderen Konstruktion der Anleihe und der Investition in die Fonds ergeben hätten.

Zur internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts stützt sich die Kl hinsichtlich des Prospekthaftungsanspruchs auf Art 5 Nr 3 VO (EG) 44/2001.

Entscheidung

Der OGH hat dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist nach Art 5 Nr 3 der VO (EG) 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen für außervertragliche Ansprüche wegen Prospekthaftung dann, wenn

-der Anleger seine durch den mangelhaften Prospekt verursachte Anlageentscheidung an seinem Wohnsitz getroffen hat
-und er aufgrund dieser Entscheidung den Kaufpreis für das am Sekundärmarkt erworbene Wertpapier von seinem Konto bei einer österreichischen Bank auf ein Verrechnungskonto bei einer anderen österreichischen Bank überwiesen hat, von wo der Kaufpreis in der Folge im Auftrag des Kl an den Verkäufer überwiesen wurde,

(a) jenes Gericht zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich der Anleger seinen Wohnsitz hat,

(b) jenes Gericht zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich der Sitz/die kontoführende Filiale jener Bank liegt, bei der der Kl sein Bankkonto hat, von dem er den investierten Betrag auf das Verrechnungskonto überwiesen hat,

(c) jenes Gericht zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich der Sitz/die kontoführende Filiale der Bank liegt, bei der sich das Verrechnungskonto befindet,

(d) nach Wahl des Kl eines dieser Gerichte zuständig,

(e) keines dieser Gerichte zuständig?

Hinweis:

Das vorliegende Verfahren wurde am 16. 11. 2012 eingeleitet, weshalb noch die VO (EG) 44/2001 (EuGVVO) anzuwenden ist. Die Neufassung der EuGVVO (VO [EG] 2015/2012) gilt gem ihrem Art 66 Abs 1 nur für Verfahren, die nach dem 9. 1. 2015 eingeleitet wurden. Art 5 Nr 3 VO (EG) 44/2001 ist nun in Art 7 Nr 2 VO (EU) 1215/2012 geregelt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 23614 vom 24.05.2017