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Jahresbilanz: Rückstellungen für Prozesskosten

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

UGB: § 198

Künftige Prozesskosten für ein am Bilanzstichtag noch nicht anhängiges Verfahren können grundsätzlich nicht rückgestellt werden, weil die Pflicht zur Kostentragung – mangels entsprechenden Kostenanspruchs – noch nicht rechtlich entstanden und ihr (künftiges) Entstehen nicht im abgelaufenen Geschäftsjahr wirtschaftlich verursacht ist, setzt doch eine wirtschaftliche Verursachung voraus, dass die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale für das Entstehen der Verbindlichkeit bereits am Bilanzstichtag erfüllt sind und das zivilrechtliche Entstehen der Schuld nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt. Wesentliches Tatbestandsmerkmal für das Entstehen von Prozesskostenverpflichtungen für die erste Instanz ist, dass eine Klage (des Unternehmers oder des Prozessgegners) anhängig ist, und für eine spätere Instanz, dass eine der Parteien ein Rechtsmittel erhoben hat.

Nach dem Grundsatz der Einzelbewertung (§ 201 Abs 2 Z 3 UGB) ist zu unterscheiden zwischen der Passivierung einer (ungewissen) Leistungsverpflichtung, für die der Rechtsgrund im abgelaufenen oder in einem früheren Geschäftsjahr gelegt wurde, und der ungewissen Verpflichtung zur Tragung künftiger Kosten eines Prozesses um diese Leistungsverpflichtung. Das Verhalten, das eine (ungewisse) Leistungsverpflichtung begründet, lässt noch keine wirtschaftliche Verpflichtung zur Tragung künftiger Prozesskosten zur Geltendmachung oder Abwehr der Leistungsverpflichtung entstehen.

Von einer wirtschaftlichen Erfüllung der wesentlichen Tatbestandsmerkmale kann allerdings dann auszugehen sein, wenn sich die (spätere) Klagseinbringung oder die tatsächliche Erhebung des Rechtsmittels nur noch als selbstverständliche und daher rein formale Handlung darstellt. Das ist bei einem Rechtsmittelverfahren nicht der Fall, solange die erstinstanzliche Endentscheidung im anhängigen Verfahren noch nicht ergangen ist. Liegt diese aber zum Bilanzstichtag vor, dann kann die tatsächliche Rechtsmitteleinlegung als sogenannter werterhellender Faktor berücksichtigt werden.

OGH 25. 6. 2020, 6 Ob 72/20m

Entscheidung

Das BerufungsG ist aufgrund der Feststellungen zu der zutreffenden Beurteilung gelangt, dass die Bekl eine Rückstellung für Prozesskosten nicht zu bilden hatte, weil zum Bilanzstichtag noch kein Prozess anhängig und eine Klagserhebung auch keine reine Formalität war, hatte doch die Kl über ihren Rechtsanwalt nur mitgeteilt, die Forderungen weiter zu vertreten. In einem Folgegespräch prallten die Meinungen zwar hart aufeinander, auch danach wurden aber noch mehrere Schreiben mit Lösungsvorschlägen unterbreitet.

Die Ansicht, es müsse für die Bildung einer Prozesskostenrückstellung ausreichen, wenn am Bilanzstichtag bereits ein Streit erkennbar sei und nach Lage des Falls damit gerechnet werden müsse, dass der Streit in einem gerichtlichen Verfahren ausgetragen werde, stellt im Ergebnis nur auf die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme ab, nicht aber auf die Rückstellungsvoraussetzung der wesentlichen wirtschaftlichen Verursachung der Verbindlichkeit im abgelaufenen Geschäftsjahr.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 29751 vom 02.10.2020