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Keine Schwerarbeit durch regelmäßige 24-Stunden-Schichten

Bearbeiter: Manfred Lindmayr / Bearbeiter: Barbara Tuma

Schwerarbeitsverordnung: § 1 Abs 1 Z 1

Verrichtet ein Dienstnehmer seine Arbeit in 24-Stunden-Schichten, die jeweils um 6:30 Uhr morgens beginnen und bis 6:30 Uhr am nächsten Tag dauern, ist die Tätigkeit trotz regelmäßiger Nachtarbeit nicht als Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 1 der Schwerarbeitsverordnung zu qualifizieren. Schwerarbeit liegt nur bei Ausübung unregelmäßiger Nachtarbeit im Sinn dieser Bestimmung vor, wofür der Wechsel einzelner Tagesdienste und Nachtdienste erforderlich ist. Eine 24-Stunden-Schicht kann auch nicht gedanklich unterbrochen werden, sodass es auch nicht maßgeblich ist, dass Nachtarbeit und Tagesarbeit innerhalb einer 24-Stunden-Schicht abwechseln.

OGH 20. 12. 2017, 10 ObS 104/17t

Sachverhalt

Der Kläger ist im Tierspital einer Universitätsklinik als Tierkrankenpfleger beschäftigt und verrichtet dort seine Arbeit nach einem Dienstplan, der vorsieht, dass er einen „24/48 Stunden Schicht-/Wechseldienst“ zu erbringen hat. Der Dienst beginnt um 6:30 Uhr früh und dauert bis zum nächsten Tag um 6:30 Uhr morgens. Danach wird der Kläger von einem Kollegen abgelöst und hat 48 Stunden frei. Er beginnt dann wieder – um 6:30 Uhr morgens – einen 24-Stunden-Dienst. Die Dienste des Klägers enthalten keine Zeiten der Arbeits- oder Rufbereitschaft; auch nachts wird von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr im Ausmaß von 8 Stunden, Arbeit verrichtet. Durchschnittlich leistet der Kläger zehn solcher Dienste im Monat

Strittig ist, ob diese Tätigkeit Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 1 der Schwerarbeitsverordnung (BGBl II 2006/104) ist. Anders als die beklagte Pensionsversicherungsanstalt bejahten die Vorinstanzen diese Rechtsfrage. Ihrer Ansicht nach macht es keinen Unterschied, ob zwischen Tages- und Nachtarbeit eine Pause liegt oder nicht.

Der OGH ließ die Revision wegen des Fehlens von Rsp zur Frage zu, ob Dienste, wie sie vom Kläger geleistet wurden, als Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV zu qualifizieren seien. In der Sache teilt der OGH aber nicht die Rechtsansicht der Vorinstanzen:

Entscheidung

Wechsel zwischen Tag- und Nachtarbeit

Als Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht werden, gelten nach § 1 Abs 1 Z 1 der Schwerarbeitsverordnung alle Tätigkeiten, die „in Schicht- oder Wechseldienst auch während der Nacht (unregelmäßige Nachtarbeit), dh zwischen 22 Uhr und 6 Uhr, jeweils im Ausmaß von mindestens 6 Stunden und zumindest an 6 Arbeitstagen im Kalendermonat“ geleistet werden, sofern nicht in diese Arbeitszeit überwiegend Arbeitsbereitschaft fällt.

In der Rsp wurde dazu ua bereits geklärt, dass reine Nachtarbeit nicht ausreicht, dh dass zwischen oder nach den sechs Nachtdiensten pro Monat zumindest ein Wechsel zu einem Tagdienst stattfinden muss (vgl OGH 25. 4. 2017, 10 ObS 39/17h, ARD 6559/13/2017).

Auch nach dem Schrifttum berücksichtige die Verordnung nur Nachtarbeit im Wechsel zwischen Tag- und Nachtarbeit als besonders belastende Tätigkeit (vgl zB Teschner/Widlar/Pöltner, MGA-ASVG, [108. ErgLfg], SchwerarbeitsV Anm 3; Milisits, Schwerarbeitsverordnung – Ein Leitfaden für die Praxis [2007], 22). Werde ausschließlich in der Nacht gearbeitet, liege auch bei unterschiedlicher zeitlicher Lagerung einzelner Nachtschichten keine Schwerarbeit vor (Beantwortung der Frage 10 im Fragen-Antworten-Katalog Schwerarbeitsverordnung der Krankenversicherungsträger).

Dem Argument des BerufungsG, es finde im vorliegenden Fall ein Wechsel zwischen Tages- zu Nachtarbeit innerhalb einer 24-Stunden-Schicht statt, hält der OGH va entgegen, dass § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV auf „einzelne“ Dienste abstellt und der Wortlaut der Bestimmung eine Teilung eines Dienstes in verschiedene Teile nicht zulässt (vgl OGH 22. 2. 2016, 10 ObS 118/15y, ARD 6504/12/2016).

Die besonders belastenden Arbeitsbedingungen iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV liegen nach Ansicht des OGH in der unregelmäßigen Nachtarbeit im Rahmen eines Schicht- oder Wechseldienstes, die notwendigerweise einen Wechsel von einzelnen Tag- und Nachtdiensten voraussetzt.

An einem solchen Wechsel einzelner Dienste im Rahmen eines Schichtplans fehlt es im Fall des Klägers, weil dessen Dienste immer am Tag (zu gleicher Zeit) beginnen. Der Umstand allein, dass diese 24 Stunden dauern, wird von § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV ebenso wenig als besonders belastender Umstand berücksichtigt, wie reine Nachtarbeit, die vom Kläger überdies nicht unregelmäßig, sondern in jedem seiner Dienste erbracht wird.

Unterschied Schichtdienst/Wechseldienst

Weiters hält der OGH in seinen Entscheidungsgründen fest, dass der Wortfolge „Schicht- oder Wechseldienst“ in § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV nicht die Bedeutung zukommt, die ihr von den Vorinstanzen beigelegt wurde.

Der OGH stellt diesbezüglich zunächst die Herkunft dieses Begriffspaars aus dem Beamten-Dienstrecht dar: Unverändert seit der Stammfassung des BDG 1979 ist Schichtdienst nach § 48 Abs 4 BDG 1979 „jene Form der Dienstzeit, bei der aus organisatorischen Gründen an einer Arbeitsstätte der Dienstbetrieb über die Zeit des Normaldienstplans hinaus aufrechterhalten werden muss und ein Beamter den anderen ohne wesentliche zeitmäßige Überschneidung an der Arbeitsstätte ablöst. Bei wesentlichen zeitmäßigen Überschneidungen liegt Wechseldienst vor.“

Auch nach der Rsp des VwGH sind für das Vorliegen eines Schichtdienstes iSd § 48 Abs 4 BDG 1979 kumulativ die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs über die Zeit des Normaldienstplans hinaus und die Ablöse eines Beamten durch einen anderen (ohne wesentliche zeitmäßige Überschneidung) erforderlich (vgl VwGH 26. 5. 1999, 94/12/0299, ZfV 2000, 585).

Nach § 4a AZG ist unter Schichtarbeit (mehrschichtige Arbeitsweise) ebenfalls eine Arbeitszeiteinteilung zu verstehen, bei der an einem oder mehreren Arbeitsplätzen innerhalb eines Tages verschiedene Arbeitnehmer in zeitlicher Aufeinanderfolge ihre Tagesarbeitszeit absolvieren. Ein Schichtwechsel iSd § 4a Abs 3 AZG liegt vor, wenn sich die Lage der Schicht nach dem Schichtplan ändert (Grillberger, AZG3 § 4a Rz 16).

Nach Ansicht des OGH ist somit erkennbar, dass der Unterschied zwischen beiden Begriffen lediglich in der zeitlichen Überlappung des Dienstes des ablösenden Arbeitnehmers mit jenem des Abgelösten liegt.

Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, dass für die besondere Belastung der Tätigkeit iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV nicht allein maßgeblich ist, ob die Arbeit „im Schicht- oder Wechseldienst“ erbracht wird, weil es für die Frage der Schwerarbeit nach dem Wortlaut dieser Bestimmung nicht auf den Zeitpunkt der Ablösung eines Schichtdienst leistenden Dienstnehmers durch einen anderen ankommt. Schwerarbeit liegt vielmehr nur bei Ausübung unregelmäßiger Nachtarbeit vor, wofür wie ausgeführt der Wechsel einzelner Tages- und Nachtdienste im Rahmen des Schicht- oder Wechseldienstes erforderlich ist.

Ausgehend davon ist die Tätigkeit des Klägers nicht als Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV zu qualifizieren.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 25002 vom 22.02.2018