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Kfz als Abgabestelle iSd ZustG?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

ZustG § 2

Gemäß § 2 Z 4 ZustG kommt als Abgabestelle auch die Betriebsstätte in Betracht. Darunter ist der Ort zu verstehen, an dem der Inhaber sein Unternehmen betreibt und an dem er sich daher auch regelmäßig aufhält. Ob der Empfänger zum Zeitpunkt der Zustellung dort anwesend war, ist rechtlich ohne Bedeutung. Es handelt sich bei einer Betriebsstätte um jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, in der regelmäßig und andauernd betriebliche Tätigkeiten ausgeführt werden.

Da eine Betriebsstätte gem § 2 Z 4 ZustG somit ua durch eine feste, örtliche Einrichtung gekennzeichnet ist, an der der Inhaber sein Unternehmen betreibt, kommt ein PKW als Abgabestelle iS einer Betriebsstätte nicht in Betracht, und zwar auch dann nicht, wenn er vor dem landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäude abgestellt ist. Ebensowenig fällt der abgestellte Pkw unter eine der sonstigen Formen einer Abgabestelle iSd § 2 Z 4 ZustG (Wohnung, Geschäftsraum, Arbeitsplatz etc).

VwGH 1. 3. 2016, Ra 2015/11/0079

Sachverhalt

Mit Mandatsbescheid vom 20. 1. 2015 entzog die BH Gänserndorf dem Revisionswerber die Lenkberechtigung auf die Dauer von 6 Monaten ab Zustellung des Bescheides.

Nach mehreren erfolglosen Versuchen, den Entziehungsbescheid dem Revisionswerber an dessen Wohnadresse auszufolgen, wurde ihm bei einer Verkehrskontrolle am 5. 3. 2015 der Führerschein abgenommen. Als der Polizeibeamte darauf hinwies, dass ein Entziehungsbescheid vorliege, verließ der Revisionswerber umgehend den Ort der Amtshandlung in seinem PKW. Kurz darauf wurde er von zwei Polizeibeamten vor dem Wirtschaftsgebäude seines landwirtschaftlichen Betriebes angetroffen. Nach einem kurzen Gespräch mit den Polizeibeamten ging er in das Gebäude und verschloss das Tor.

In weiterer Folge trafen zwei weitere Polizeibeamte ein, die den Entziehungsbescheid mitbrachten. Ihr Versuch, mit dem Revisionswerber durch Klopfen und Rufen Kontakt aufzunehmen, um ihm den Bescheid zu übergeben, blieb erfolglos. Schließlich legte einer der Polizeibeamten dem Bescheid auf den Fahrersitz des unmittelbar vor dem Wirtschaftsgebäude abgestellten PKW des Revisionswerbers (dazu öffnete er die geschlossene, jedoch nicht verschlossene Fahrertür und schloss sie danach auch wieder). Die Beamten fuhren daraufhin weg. Eine knappe Stunde später befand sich der PKW nicht mehr vor dem Wirtschaftsgebäude.

Das Verwaltungsgericht sah die Aussage des Revisionswerbers als völlig unglaubwürdig an, er habe keinen Bescheid in seinem Wagen vorgefunden. Das VwG ging sowohl von einer Zustellung am Ort einer Amtshandlung aus als auch von einer Zustellung an der Betriebsstätte des Empfängers. Da der Revisionswerber die Annahme des Bescheides ohne gesetzlichen Grund verweigert habe, seien die Polizeibeamten iSd § 20 Abs 1 ZustG berechtigt gewesen, das Dokument an der Abgabestelle zurückzulassen. Da am Wirtschaftsgebäude ein Briefkasten fehle, sei das Ablegen des Schriftstückes auf dem Fahrersitz des unmittelbar vor dem Gebäude abgestellten PKW des Revisionswerbers als zulässige Art des Zurücklassens an der Abgabestelle anzusehen.

Selbst wenn jedoch in diesem Vorgang ein Zustellmangel erblickt werden könne, wäre spätestens mit der Rückkehr des Revisionswerbers zu seinem PKW eine Heilung des Mangels erfolgt, weil ihm der Bescheid dann iSd § 7 ZustG tatsächlich zugekommen sei.

Dieses Erkenntnis des VwG wurde vom VwGH wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Entscheidung

So wie eine Zustellung an der Betriebsstätte verneint der VwGH auch andere Arten der Zustellung:

Keine Zustellung am Ort der Amtshandlung

Eine Zustellung am Ort der Amtshandlung (§ 2 Z 4 ZustG) setzt voraus,

-dass es sich um eine hoheitliche Amtshandlung handelt, in deren Verlauf zugestellt werden soll, und
-dass der Empfänger bei dieser Amtshandlung anwesend ist.

Nach den Feststellung ging der Revisionswerber kurz nach Erscheinen der Polizeibeamten in das Wirtschaftsgebäude hinein, verschloss das Tor und die Polizeibeamten versuchten erfolglos, mit ihm Kontakt aufzunehmen.

Somit war der Revisionswerber - wie der VwGH festhält - bei der Ablage des Bescheides in sein Fahrzeug nicht (mehr) tatsächlich anwesend - unabhängig davon, ob es sich um eine (fortdauernde) Amtshandlung gehandelt hat (die Führerscheinabnahme war bereits abgeschlossen, eine weitere Amtshandlung wurde den Feststellungen nach nicht geführt). Aus diesem Grund kommt eine wirksame Zustellung „anlässlich einer Amtshandlung“ an deren Ort am 5. 3. 2015 nicht in Betracht.

Keine Zustellung gem § 20 ZustG

Auch die Ansicht, dass der Bescheid jedenfalls auch gem § 20 ZustG nach Annahmeverweigerung zugestellt worden sei, verwarf der VwGH:

§ 20 ZustG normiert, dass im Falle der Verweigerung der Annahme das Dokument entweder „an der Abgabestelle zurückzulassen“ oder, soweit dies nicht möglich ist, nach § 17 ZustG ohne schriftliche Verständigung zu hinterlegen ist. Unterbleibt die Zurücklassung bzw Hinterlegung, treten die Zustellwirkungen nicht ein.

Bei dem vor dem Wirtschaftsgebäude abgestellten PKW handelt es sich nicht um eine Abgabestelle iSd § 2 Z 4 ZustG (siehe bereits oben). Da der Bescheid vom 20. 1. 2015 somit weder „an einer Abgabestelle“ zurückgelassen noch hinterlegt wurde, waren die Voraussetzungen des § 20 ZustG nicht erfüllt, weshalb auch eine Zustellung nach dieser Gesetzesstelle nicht in Betracht kam.

Keine Heilung des Mangels

Für die Annahme des VwG, es sei eine Heilung allfälliger Zustellmängel durch tatsächliches Zukommen des Schriftstücks iSd § 7 ZustG eingetreten, fand der VwGH in den Feststellungen keine Basis.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21521 vom 26.04.2016