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Komplementär-AG - Kapitalerhaltungsvorschriften

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AktG § 84

GmbHG: § 25, §§ 82 f

1. Auf Ersatzansprüche einer GmbH & Co KG gegen den Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft kommt analog die fünfjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs 6 GmbHG zur Anwendung (siehe dazu schon 6 Ob 171/15p = RdW 2016/358). Die Verjährungsregelungen des § 84 Abs 6 AktG und des § 25 Abs 6 GmbHG sind vergleichbar; die Grundsätze der E 6 Ob 171/15p zur Komplementärgesellschaft (mit beschränkter Haftung) sind auch auf den Fall einer Komplementär-(aktien-)gesellschaft anzuwenden.

2. Ist an einer KG keine natürliche Person als unbeschränkt haftender Gesellschafter beteiligt, sind die Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 82 f GmbHG nicht nur auf Zuwendungen an die Gesellschafter der Komplementär-GmbH anzuwenden, sondern analog auch auf Zuwendungen der KG an „Nur-Kommanditisten“ (vgl dazu schon 2 Ob 225/07p = RdW 2008/542). Im Hinblick auf die offensichtliche Kenntnis des Gesetzgebers von dieser Rsp, legt sein Schweigen zu dieser Analogie nahe, dass er sie billigt, auch wenn er in einem (anderen) Teilbereich (§ 221 Abs 5 iVm § 229 Abs 4 bis 7 UGB e contrario, Dotierung gebundener Rücklagen) eine Gleichstellung von Kapitalgesellschaft & Co KG mit Kapitalgesellschaften ausdrücklich nicht vorsieht (Ablehnung der Ansicht, durch die Änderungen im Rechnungslegungsrecht mit dem RÄG 2014, BGBl I 2015/22, habe der Gesetzgeber seine Ablehnung der E 2 Ob 225/07p zum Ausdruck gebracht).

Da die Regelungen des Aktien- und des GmbH-Rechts über die Einlagenrückgewähr weitgehend ident sind, kommt es zur analoge Anwendung der Kapitalerhaltungsvorschriften auf Zuwendungen der KG an „Nur-Kommanditisten“ auch, wenn es sich nicht um eine Komplementär-GmbH handelt, sondern um eine Komplementär-AG. Auch macht es keinen Unterschied, ob die Kommanditisten gleichzeitig Gesellschafter der Komplementärgesellschaft sind.

OGH 30. 8. 2016, 6 Ob 198/15h

Ausgangslage

Die klagende Kommanditgesellschaft (A***** AG & Co KG, nunmehr A***** GmbH & Co KG) wirft den Bekl (Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft sowie Aufsichtsratsvorsitzender und Stellvertreter) einen Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften der § 52 AktG, §§ 82 f GmbHG iZm dem Abschluss eines Einbringungs- und Sacheinlagevertrags vor, wodurch die KG geschädigt worden sei. Sie begehrt die Verpflichtung der Bekl zur Zahlung von 10 Mio € zur ungeteilten Hand.

Die Bekl erhoben ua den Verjährungseinwand und bestritten nicht nur die Anwendbarkeit der Kapitalerhaltungsvorschriften auf die KG, sondern auch ihr Verschulden.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ohne Beweisverfahren ab, weil ihrer Ansicht nach ein Durchgriff der KG auf die Vertretungsorgane der Komplementärgesellschaft ohne das Hinzutreten besonderer Umstände wie va Personenidentität von vornherein nicht in Betracht komme.

Der OGH hob das angefochtene Urteil auf und trug dem ErstG die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Entscheidung

Kapitelerhaltung

Zur analogen Anwendung der Kapitalerhaltungsvorschriften auf die Kapitalgesellschaft & Co KG hält der OGH ua noch fest, dass deren Folge auch die Anwendbarkeit der inhaltlichen Schranken dieses Verbots ist, womit sämtliche Zuwendungen der KG an ihre Gesellschafter unzulässig sind, die nicht Gewinnverwendung sind. Dass die KG - anders als eine GmbH oder AG - kein Mindestkapital aufweisen muss, hindert die Anwendbarkeit der Kapitalerhaltungsvorschriften nicht. Die Kapitalerhaltungsvorschriften knüpfen nämlich (anders als in Deutschland) nicht an die Stammeinlagen der Gesellschafter an, sondern es ist das gesamte Vermögen der Gesellschaft geschützt.

Verstöße gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften liegen jedenfalls immer dann vor, wenn für die Zuwendung keine Gegenleistung erbracht wird (offene Einlagenrückgewähr). Das Verbot der offenen Einlagenrückgewähr erstreckt sich auf jegliche Zuwendungen der Gesellschaft an den Gesellschafter, die nicht durch den Jahresgewinn gedeckt sind. Einbringungen, bei denen Vermögen einer Kapitalgesellschaft & Co KG im Rahmen eines Sacheinlagevertrags ohne Gegenleistung auf den Kommanditisten übertragen werden, sind offene Verstöße gegen das Kapitalerhaltungsgebot.

Verschulden

Zur Frage eines Verschuldens der Bekl hält der OGH zusammengefasst weiters fest:

-Die Bekl (Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft bzw Aufsichtsratsvorsitzender/Stellvertreter) sind zwar keine Juristen und schon gar nicht Rechtsanwälte oder Notare, im Hinblick auf § 25 Abs 1 GmbHG haften sie jedoch für die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns. Darunter versteht die herrschende Auffassung die Sorgfalt, die Fähigkeiten und die Kenntnisse, die von einem Geschäftsführer in dem betreffenden Geschäftszweig und nach der Größe des Unternehmens üblicherweise erwartet werden können. Die Geschäftsführer schulden dabei eine branchen-, größen- und situationsadäquate Bemühung, wobei sich die Situationsadäquanz des Verhaltens bei Transaktionen (auch) nach dem Transaktionswert zu richten hat: Bei Umstrukturierungen der vorliegenden Größenordnung sind gerade bei nicht einschlägig ausgebildeten Vorständen, Aufsichtsräten und Geschäftsführern wohl regelmäßig spezialisierte Berater beizuziehen, um eine (auch) gesetzeskonforme Abwicklung zu gewährleisten.
-Die objektive Sorgfaltswidrigkeit kann zwar durch Einholung fachlichen Rats ausgeschlossen werden, Voraussetzung dafür jedoch ist, dass dies bei einer verlässlichen, sachlich kompetenten Stelle erfolgte, die über den gesamten Sachverhalt informiert war. Voraussetzung ist auch, dass die Anfrage entsprechend ergebnisoffen formuliert war; bloße Gefälligkeitsgutachten exkulpieren nicht, wobei die (extrem geringe oder auffallend hohe) Höhe des Honorars ein Indiz für mangelnde Seriosität sein kann.
-Bei der Beurteilung des Sachverständigengutachtens, dessen Vertretbarkeit im vorliegenden Fall und dessen Eignung, die Bekl zu exkulpieren, wird es auch maßgeblich darauf ankommen, inwieweit das Sachverständigengutachten die damals vorhandenen Rechtserkenntnisquellen darlegte (insbesondere auch die allenfalls sogar in der Tagespresse diskutierte E 2 Ob 225/07p und die diese stützenden Vorarbeiten).
Sollte dies der Fall gewesen sein, wird zu beurteilen sein, weshalb sich das Sachverständigengutachten offensichtlich dennoch für eine Zulässigkeit der geplanten Umstrukturierungen ausgesprochen hat und ob die gegen die Maßgeblichkeit der Entscheidung des OGH ins Treffen geführten Argumente - aus der Sicht eines ordentlichen Geschäftsmanns - bei Anlegung eines strengen Maßstabs tatsächlich so überzeugend waren, um den von der Kl erhobenen Schuldvorwurf gegenüber den Bekl zu entkräften. An die Beurteilung von Rechtsunkenntnis und Rechtsirrtum ist grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen, weil jedermann verpflichtet ist, sich Kenntnis von den ihn nach seinem Lebenskreis treffenden Gesetzesvorschriften zu verschaffen.
Die Beweislast obliegt derjenigen Person, die sich auf die Unkenntnis der Rechtslage berufen möchte.
-Wenn sich die Bekl auf die betriebliche Notwendigkeit der Umstrukturierung berufen, könnte ihnen ein Konflikt zwischen ihren daraus resultierenden Verpflichtungen als Organe der KG und einem allenfalls für sie noch nicht sicher erkennbaren Verbot nur insoweit zum Vorteil gereichen, als ihre Abwägungsentscheidung nicht durch sachfremde - etwa eigene - Interessen beeinflusst wurde.
Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22772 vom 13.12.2016