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KSW veröffentlicht Fachliche Hinweise zu den Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Durchführung von Abschlussprüfungen

Bearbeiter: Kerstin Brandstetter / Bearbeiter: Verena Nitschinger

Abstract

Die Russische Föderation hat am 24. Februar 2022 einen breit angelegten Angriff auf die Ukraine begonnen. Der seither andauernde Kriegszustand führt zu wirtschaftlichen Auswirkungen auf lokale und westliche Unternehmen. Neben Fragen der Unternehmensberichterstattung können sich in diesem Zusammenhang auch inhaltliche und organisatorische Fragen bei der Durchführung von Abschlussprüfungen ergeben. Zu letzteren hat eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe des Fachsenats für Unternehmensrecht und Revision entsprechende Fachliche Hinweise erarbeitet.

Auswirkungen auf die Prüfungsplanung und Risikobeurteilung

Der Kriegsausbruch sowie die mit ihm einhergehenden Sanktionen können unterschiedliche Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens haben. Die gesetzlichen Vertreter müssen evaluieren, ob sich das Unternehmen in einer Krise befindet oder ob eine derartige droht. Der Abschlussprüfer hat sich über Risiken sowie die Reaktionen und ggf getroffenen Maßnahmen in Bezug auf die Unternehmenssituation zu informieren.1 Unter Umständen erhöht der Ukraine-Krieg auch das Risiko wesentlicher (un)beabsichtigter falscher Darstellungen. Neue erhebliche Risiken können bspw in Bezug auf die Liquidität des Unternehmens drohen. Aufgrund der hohen Unsicherheit über den weiteren Kriegsverlauf sind diese Risiken auch während der Prüfung laufend zu beurteilen.2

Sanktionen können als Teil des gesetzlichen und regulatorischen Rahmens, in dem ein Unternehmen tätig ist, Auswirkungen auf den Abschluss haben. Solche Auswirkungen sind zB Geschäftseinschränkungen, Geldbußen oder andere Konsequenzen bei Verstoß gegen die Sanktionen. Der Abschlussprüfer hat entsprechende Prüfungshandlungen zur Identifizierung von Verstößen gegen Sanktionen zu setzen, zB Gewinnung eines Verständnisses über die einzuhaltenden Sanktionen, Befragungen, etc.3

Wenn dem Abschlussprüfer Verstöße gegen Sanktionen bekannt werden, hat er über diese ein Verständnis zu erlangen und weitere Informationen zur Beurteilung der möglichen Auswirkungen auf den Abschluss einzuholen.4 Tatsächliche Verstöße gegen Sanktionen haben zwar keine Auswirkungen auf Abschlüsse zum 31. 12. 2021 und damit das Prüfungsurteil, können aber ggf Redepflicht auslösen.5 Demgegenüber können sich im Fall festgestellter Verstöße gegen Sanktionen Auswirkungen auf den Abschluss und das Prüfungsurteil bei der Prüfung von Abschlüssen mit Stichtag nach dem 23. 2. 2022 ergeben. 6

Auswirkungen auf die Durchführung der Prüfungshandlungen

Im Zuge des Prüfungsprozesses können sich infolge des Kriegsausbruchs und den damit einhergehenden Sanktionen Schwierigkeiten bei der Durchführung geplanter Prüfungshandlungen ergeben. Wenn Prüfungshandlungen nicht die geplanten Nachweise liefern, kann eine Anpassung des Prüfungsansatzes erforderlich sein. Schwierigkeiten können bspw in Bezug auf externe Bestätigungen auftreten, wenn der Rücklauf drastisch abnimmt oder nur unter erheblicher zeitlicher Verzögerung erfolgen kann. Auswirkungen auf den Prüfungsprozess können sich zudem ergeben, wenn durch den Ukraine-Krieg zusätzliche Risiken identifiziert wurden. Zur Reaktion auf diese Risiken können alternative oder zusätzliche Prüfungshandlungen erforderlich sein.7 Im Fall temporärer Prüfungshindernisse kann die Abschlussprüfung ggf zu unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen und abzuschließen sein.8

Der Abschlussprüfer ist dazu verpflichtet, Prüfungsnachweise über die Angemessenheit der Going Concern-Prämisse einzuholen. Dabei sind auch die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Geschäftstätigkeit und den möglichen Fortbestand des Unternehmens zu würdigen.9 Bestehen Zweifel in Bezug auf die Fortführungsfähigkeit, hat der Abschlussprüfer weitere Prüfungsnachweise zu erlangen, um beurteilen zu können, ob wesentliche Unsicherheiten vorliegen.10 Sollte der Abschlussprüfer feststellen, dass der Fortbestand des Unternehmens gefährdet oder seine Entwicklung wesentlich beeinträchtigt ist, hat er darüber unverzüglich zu berichten.11

Für Abschlüsse mit Stichtagen vor dem 23. 2. 2022 stellt der Ukraine-Krieg ein Ereignis nach dem Abschlussstichtag dar. In Bezug auf die Prüfungshandlungen zur Feststellung derartiger Ereignisse ist unter anderem Folgendes zu beachten:12

-Der Abschlussprüfer muss ein Verständnis davon erlangen, wie die vollständige Erfassung der Auswirkungen des Ukraine-Krieges sichergestellt ist.
-Protokolle von Versammlungen und Sitzungen der Eigentümer, gesetzlichen Vertreter und/oder Aufsichtsorgane, die seit Kriegsausbruch stattgefunden haben, sind kritisch zu lesen.
-Der Abschlussprüfer muss die gesetzlichen Vertreter und die für die Überwachung Verantwortlichen bezüglich der Auswirkungen des Ukraine-Krieges befragen.

Herausforderungen bei Konzernabschlussprüfungen

Der Kriegsausbruch sowie die mit ihm einhergehenden Sanktionen konfrontieren Konzernabschlussprüfer mit Schwierigkeiten hinsichtlich der Anweisung, Überwachung und Durchsicht der Arbeiten von Teilbereichsprüfern:13

-Eine engere Abstimmung mit den Teilbereichsprüfern in Bezug auf die Auswirkungen auf die einzelnen Teilbereiche sowie den Konzern als Ganzes kann notwendig sein.
-Wenn die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Geschäftstätigkeit der Teilbereiche für den Konzernabschluss und -lagebericht bedeutsam sind, ist das Konzernprüfungsteam über diese Auswirkungen zu unterrichten.
-Möglicherweise ist eine Ergänzung der Konzern-Prüfungsanweisungen hinsichtlich der Auswirkungen des Ukraine-Krieges erforderlich, insb im Bereich des subsequent events reporting.
-Problematisch kann die Prüfung der Finanzinformationen von Teilbereichen sein, die in den Kriegsregionen liegen. Wenn die Teilbereichsprüfer keine Möglichkeit mehr haben, den Teilbereich zu prüfen, bspw weil keine Ansprechpartner mehr vor Ort sind, hat der Konzernabschlussprüfer dies zu würdigen. Daraus könnte sich ein Prüfungshemmnis ergeben.
-Wenn sich durch den Ukraine-Krieg und die zusätzlich erforderlichen Prüfungshandlungen Auswirkungen auf den zeitlichen Ablauf der Abschlussprüfung ergeben, ist dies den für die Überwachung Verantwortlichen zu kommunizieren.

Auswirkungen auf die Berichterstattung und Kommunikationspflichten des Abschlussprüfers

Für die im Kontext des Ukraine-Krieges möglichen Auswirkungen auf die Berichterstattung und die Kommunikationspflichten des Abschlussprüfers wird auf die Kapitel 4 und 5 der Fachlichen Hinweise verwiesen.

1

Vgl KSW, Fachliche Hinweise zu den mit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges verbundenen Auswirkungen auf die Durchführung von Abschlussprüfungen (2022) Rz 5 f.


2

Vgl KSW, Fachliche Hinweise Ukraine-Krieg (2022) Rz 7 f.


3

Vgl KSW, Fachliche Hinweise Ukraine-Krieg (2022) Rz 10 f.


4

Vgl KSW, Fachliche Hinweise Ukraine-Krieg (2022) Rz 12.


5

Vgl KSW, Fachliche Hinweise Ukraine-Krieg (2022) Rz 13.


6

Vgl KSW, Fachliche Hinweise Ukraine-Krieg (2022) Rz 14.


7

Vgl KSW, Fachliche Hinweise Ukraine-Krieg (2022) Rz 15.


8

Vgl KSW, Fachliche Hinweise Ukraine-Krieg (2022) Rz 16.


9

Vgl KSW, Fachliche Hinweise Ukraine-Krieg (2022) Rz 17.


10

Vgl KSW, Fachliche Hinweise Ukraine-Krieg (2022) Rz 18.


11

Vgl KSW, Fachliche Hinweise Ukraine-Krieg (2022) Rz 20.


12

Vgl KSW, Fachliche Hinweise Ukraine-Krieg (2022) Rz 23.


13

Vgl KSW, Fachliche Hinweise Ukraine-Krieg (2022) Rz 25.


Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32502 vom 06.05.2022