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Kündigungsfristen für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe

Bearbeiter: Manfred Lindmayr

KV-Hotel- und Gastgewerbe/Arbeiter: § 21 lit a

ABGB: § 1159

Mit 1. 10. 2021 wurden die für Arbeiter geltenden Kündigungsfristen an jene der Angestellten angeglichen (für Dienstgeberkündigung grundsätzlich 6 Wochen; § 1159 ABGB idF BGBl I 2017/153). Die Norm ermöglicht aber, dass durch Kollektivvertrag „für Branchen, in denen Saisonbetriebe iSd § 53 Abs 6 ArbVG überwiegen, abweichende Regelungen festgelegt“ werden können. Zur strittigen Frage, ob die bisherigen Kündigungsbestimmungen des Kollektivvertrags für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe (14-tägige Kündigungsfrist) auch nach Inkrafttreten des § 1159 ABGB, sohin über den 30. 9. 2021 hinaus weitergelten, hat nun der OGH über einen Feststellungsantrag der Wirtschaftskammer Österreich festgestellt, dass aus dem von den Antragstellern vorgelegten Datenmaterial für die Branche Hotellerie und Gastgewerbe in einer Gesamtbetrachtung insgesamt kein Überwiegen von Saisonbetrieben iSd § 1159 ABGB ersichtlich ist.

OGH 24. 3. 2022, 9 ObA 116/21f

Sachverhalt

Mit seinem Feststellungsantrag nach § 54 Abs 2 ASGG begehren der Fachverband Hotellerie und der Fachverband Gastronomie der WKÖ die Feststellung, dass die im Kollektivvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe enthaltene Kündigungsregel (§ 21a KV), wonach (nach Ablauf der Probezeit) das unbefristete Arbeitsverhältnis nur nach vorheriger 14-tägiger Kündigungsfrist gelöst werden kann, über den 30. 9. 2021 hinaus wirksam ist.

§ 1159 ABGB idF BGBl I 2017/153 ermögliche für Saisonbranchen ein Abweichen von den neuen gesetzlichen Kündigungsmodalitäten für Arbeiter durch KV. Die Mehrheit der gewerblichen österreichischen Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe unterliege regelmäßig erheblichen saisonalen Schwankungen entlang der Jahreszeiten, wobei hier zwei Hochsaisonen charakteristisch seien, nämlich die Sommer- und die Wintersaison. Saisonale Schwankungen würden sich auch erheblich auf die Beschäftigung im Tourismus auswirken. Eine umfassende Analyse habe ergeben, dass im Zeitraum von 2014 bis 2018 sowohl bei den Beherbergungsbetrieben als auch bei den Gastronomiebetrieben die Schwankung zwischen höchstem und niedrigstem Beschäftigungsstand bei der Mehrzahl der Betriebe während des Jahres mehr als 33,33 % betragen habe. Die Mehrzahl der vom KV erfassten Betriebe würden daher ihrer Art nach nur zu bestimmten Jahreszeiten arbeiten bzw regelmäßig zu bestimmten Zeiten des Jahres erheblich verstärkt arbeiten. Auch eine Analyse der Nächtigungsdaten zeige regelmäßige erhebliche saisonale Schwankungen iSd § 53 Abs 6 ArbVG. Damit seien die Voraussetzungen für die kollektivvertragliche Abweichung von der Neuregelung erfüllt und kürzere Fristen möglich.

Dem hielt der Österreichische Gewerkschaftsbund als Antragsgegner entgegen, dass in der Branche des Hotel- und Gastgewerbes Saisonbetriebe iSd § 53 Abs 6 ArbVG nicht überwiegen würden. Die Daten der Antragsteller ergäben keine entsprechenden witterungsabhängigen Schwankungen. Es sei keine (aggregierte) Darstellung der gesamten Branche, sondern nur der beiden Teilbereiche Gastronomie und Beherbergung vorgelegt worden. Im Übrigen seien sämtliche alten kollektivvertraglichen Bestimmungen mit kürzeren Kündigungsfristen, die vor Inkrafttreten des § 1159 Abs 2 ABGB idF BGBl I 2017/153 vereinbart worden seien, gesetzwidrig.

Der OGH hat nun den Feststellungsantrag abgewiesen:

Entscheidung

Der OGH stellte fest, dass im Zeitpunkt des Inkrafttretens bestehende kollektivvertragliche Kündigungsbestimmungen für Arbeiter nicht ihre Geltung verlieren, wenn sie den Vorgaben der neuen gesetzlichen Ermächtigung entsprechen.

Er prüfte daher, ob sich der KV-Hotel- und Gastgewerbe/Arbeiter auf eine „Branche, in der Saisonbetriebe iSd § 53 Abs 6 ArbVG überwiegen“ bezieht. Nach dieser Norm sind Saisonbetriebe Betriebe, „die ihrer Art nach zu bestimmten Jahreszeiten arbeiten“ oder die „regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres erheblich verstärkt arbeiten“.

In Auslegung dieser unbestimmten Gesetzesbegriffe kam der OGH zum Ergebnis,

-dass der Begriff „Branche“ grundsätzlich nach dem fachlichen Anwendungsbereich eines Kollektivvertrags bestimmt werden kann, das Hotel- und Gastgewerbe daher als eine Branche anzusehen ist,
-dass es für das „Überwiegen“ von Saisonbetrieben innerhalb der Branche auf die zahlenmäßige Mehrheit der Betriebe ankommt (nicht: Überwiegen nach Betriebsgröße, Umsatz, Anzahl der Beschäftigten oä),
-dass „regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres erheblich verstärktes Arbeiten“ Zeiten mit einem geringeren „normalen“ Arbeitsaufkommen voraussetzt (nicht: ganzjährige Auslastung eines Betriebes mit nur für kurze Zeit erheblich reduzierter Arbeit),
-dass für das „verstärkte“ Arbeiten auf einen erhöhten Personalstand abzustellen ist (nicht: Umsatzsteigerungen oder Überstundenleistungen),
-dass ein „erheblich“ verstärktes Arbeiten bei einem Anstieg des Beschäftigtenstandes im Ausmaß von mindestens einem Drittel jedenfalls gegeben ist.

Bundesweit gesehen, konnte anhand der von den Antragstellern dargelegten Zahlen allerdings nicht festgestellt werden, dass im Hotel- und Gastgewerbe die Saisonbetriebe überwiegen und damit die gesetzlichen Voraussetzungen für die kollektivvertragliche Ermächtigung erfüllt sind. Der Antrag wurde daher abgewiesen, sodass die (längeren) gesetzlichen Kündigungsfristen des § 1159 ABGB anzuwenden sind.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32528 vom 12.05.2022