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KV-Handelsangestellte: Verfall einer Abfertigungsdifferenz

Bearbeiter: Bettina Sabara

KV-Handelsangestellte: Pkt XX

Der Kollektivvertrag für Handelsangestellte sieht vor, dass Ansprüche des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers - bei sonstigem Verfall - binnen sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich dem Grunde nach geltend zu machen sind. Zur Fristwahrung reicht es dabei grds aus, wenn das Verlangen nur dem Grunde nach erhoben wird („mir wurde zu wenig gezahlt“) und erkennbar ist, welche Ansprüche ihrer Art und Höhe nach gemeint sind; eine allfällige ergänzende Entgeltabrechnung obliegt dann jedenfalls dem Arbeitgeber.

Hat sich der Arbeitnehmer hingegen bei der Geltendmachung bereits auf einen exakten Betrag festgelegt, kann der Arbeitgeber einer Erhöhung der Forderung nach Ablauf der Verfallsfrist den Einwand des Verfalls entgegenhalten.

Diese Grundsätze sind auch auf den vorliegenden Fall zu übertragen, in dem der Abfertigungsanspruch des Arbeitnehmers zwischen den Streitteilen dem Grunde nach unstrittig und die vom Arbeitgeber errechnete Höhe dem Arbeitnehmer aus der Endabrechnung bekannt war. Auch in diesem Fall ist Verfall eingetreten, wenn der Arbeitnehmer eine Abfertigungsdifferenz erst nach Ablauf der Verfallsfrist geltend macht, hier also mehr als 6 Monate nach der Fälligkeit des ersten Teilbetrags der Abfertigung.

OGH 27. 1 .2017, 8 ObA 75/16m

Sachverhalt

Der Kläger war beim beklagten Arbeitgeber rund 28 Jahre als Angestellter im Außendienst beschäftigt. Das Dienstverhältnis unterlag dem KV für Handelsangestellte und wurde durch Arbeitgeberkündigung zum 30. 6. 2015 beendet. Mit der Endabrechnung wurde dem Kläger ua auch eine Abfertigung abgerechnet.

Im Juli 2015 forderte der Kläger vom Arbeitgeber die Begleichung weiterer Ansprüche aus dem Dienstverhältnis, darunter eine Urlaubsersatzleistung und die Fortzahlung von Provisionen für eine frühere Dienstfreistellung. Über Grund und Höhe dieser Forderungen wurde in der Folge zwischen dem Arbeitgeber und dem durch die Arbeiterkammer vertretenen Kläger verhandelt. Das Thema Abfertigung fand dabei keine Erwähnung.

Mit Schreiben vom 23. 2. 2016 erklärte der Kläger dann erstmals, dass die abgerechnete Abfertigung nicht nachvollziehbar sei und ihm unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen weitere € 8.661,54 brutto zustünden.

Mit seiner Klage begehrt der Arbeitnehmer jene drei Zwölftel dieses Betrags, die auf den ersten Teilbetrag der Abfertigung entfallen, der bei DV-Ende am 30. 6. 2015 fällig war.

Der Arbeitgeber wandte dagegen ein, die Klagsforderung sei mangels schriftlicher Geltendmachung binnen 6 Monaten ab Fälligkeit nach Pkt XX des KV für Handelsangestellte verfallen.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Der OGH ließ die Revision zu, weil noch keine höchstgerichtliche Rsp zur Frage vorliegt, ob eine Abfertigungsdifferenz der Verfallsbestimmung des KV für Handelsangestellte auch dann unterliegt, wenn der Anspruch dem Grunde nach unstrittig ist. Die Revision war im Ergebnis aber nicht berechtigt.

Entscheidung

Geltendmachung der Art nach ausreichend?

Gemäß Pkt XX des KV für Handelsangestellte sind Ansprüche des Arbeitgebers sowie des Arbeitnehmers grds bei sonstigem Verfall innerhalb von 6 Monaten nach Fälligkeit schriftlich dem Grunde nach geltend zu machen. Bei rechtzeitiger Geltendmachung bleibt die gesetzliche Verjährungsfrist gewahrt.

Der Arbeitnehmer interpretiert diese Bestimmung dahingehend, dass es zur Abwehr des Verfalls ausreiche, Ansprüche lediglich ihrer Art nach geltend zu machen, wogegen eine ziffernmäßige Aufgliederung nicht erforderlich sei. Im Allgemeinen trifft das nach Ansicht des OGH auch zu: Das Erfordernis der Geltendmachung innerhalb einer bestimmten Frist hat den Zweck, dem Zahlungspflichtigen in diesem Zeitraum erkennbar zu machen, welche Ansprüche ihrer Art und Höhe nach gemeint sind (vgl zB OGH 28. 8. 1990, 9 ObA 180/90, ARD 4241/5/91; OGH 17. 11. 2004, 9 ObA 99/04f, ARD 5571/4/2005). Die Erstellung einer allfälligen ergänzenden Entgeltabrechnung obliegt jedenfalls dem Arbeitgeber.

Anders stellt sich der Fall dar, wenn sich der Arbeitnehmer bei seiner Forderung bereits auf einen exakten Betrag festgelegt hat. Dann macht er diesen, aber nicht gleichzeitig auch eine höhere Forderung geltend. Der Arbeitgeber kann sich auf die ihm bekannt gegebene Höhe einstellen und einer Erhöhung der Forderung nach Ablauf der Verfallsfrist den Einwand des Verfalls entgegenhalten (vgl zB OGH 2. 4. 2009, 8 ObA 90/08f, ARD 6021/1/2010).

Abfertigungsdifferenz verfallen

Der Abfertigungsanspruch des Klägers war zwischen den Streitteilen dem Grunde nach unstrittig und die vom Arbeitgeber errechnete Höhe war dem Arbeitnehmer aus der Endabrechnung zum 30. 6. 2015 bekannt. Auch wenn es daher hier nicht der Arbeitnehmer war, der sich zuerst auf eine bestimmte Forderung der Höhe nach festgelegt hatte, sondern der Arbeitgeber, liegt im Ergebnis ein zu den genannten Entscheidungen gleichartiger Sachverhalt vor.

Im Lichte des Zwecks der Verfallsbestimmung macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob der Dienstnehmer selbst zunächst zu wenig verlangt und seine Forderung zu spät nach oben korrigiert hat, oder ob er den vom Arbeitgeber errechneten und bezahlten Betrag zunächst unbeanstandet angenommen und erst nach Ablauf der Frist eine Nachforderung erhoben hat. In beiden Fällen kann von der Geltendmachung einer offenen Differenz nicht die Rede sein, so lange nicht ein konkretes Verlangen gestellt wird.

Es reicht nach der hier maßgeblichen KV-Bestimmung zur Fristwahrung völlig aus, wenn dieses Verlangen nur dem Grunde nach („mir wurde zu wenig gezahlt“) erhoben wird. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat der Kläger die Abfertigungsberechnung aber erstmals im Februar 2016 und damit mehr als sechs Monate nach der Fälligkeit des ersten Teilbetrags beanstandet. Die Vorinstanzen haben unter diesen Voraussetzungen ohne Rechtsirrtum eine fristgerechte Geltendmachung verneint. Der Arbeitnehmer hat somit die Verfallsfrist nicht gewahrt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 23332 vom 27.03.2017