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Für die fristgerechte außerordentliche Auflösung des Lehrverhältnisses zum Ablauf des 12. oder 24. Monats „der Lehrzeit“ iSd § 15a BAG (= Ausbildungsübertritt) ist auf die Lehrzeit abzustellen, die für den Lehrberuf generell festgelegt ist, und nicht auf die Dauer des individuell vereinbarten Lehrvertrags beim jeweiligen Lehrherrn.
Hat demnach ein Lehrling etwa seine dreijährige Lehre am 1. 9. 2011 begonnen, endet das 1. Lehrjahr (12. Monat der Lehrzeit) mit 31. 8. 2012 und das 2. Lehrjahr (24. Monat der Lehrzeit) am 31. 8. 2013. Auch wenn der Lehrling in der Zwischenzeit bereits einmal den Lehrherrn gewechselt hat (hier: Fortsetzung der Lehre bei einem anderen Lehrherrn am 10. 9. 2012), muss dieser neue Lehrberechtigte die außerordentliche Auflösung zum Ablauf des 24. Monats der Lehrzeit zum 31. 8. 2013 erklären (und nicht zum 9. 9. 2013).
Sachverhalt
Die Klägerin begann am 1. 9. 2011 die dreijährige Lehre zur Floristin. Am 10. 9. 2012 setzte sie die Lehrjahre beim beklagten Lehrberechtigten fort. Mit Schreiben vom 27. 5. 2013 teilte dieser der Klägerin „die Absicht einer außerordentlichen Auflösung des Lehrverhältnisses und die Aufnahme eines Mediationsverfahrens gemäß § 15a Abs 3 BAG“ mit, wobei als Lehrzeitende der 9. 9. 2013 eingetragen war.
Die Klägerin erschien krankheitsbedingt nicht beim anberaumten Mediationstermin. Ihr wurden die entsprechenden Formulare mit dem Beendigungsdatum 9. 9. 2013 zugesandt.
Die Klägerin verlangte vom Lehrberechtigten Schadenersatz und weitere beendigungsabhängige Ansprüche, weil ihrer Ansicht nach die Auflösung zu spät, nämlich nach Ablauf von 24 Monaten ihrer Lehrzeit (= 31. 8. 2013) erfolgt sei.
Ihrem Begehren wurde von den Vorinstanzen stattgegeben.
Der OGH erachtete die außerordentliche Revision des Lehrberechtigten aufgrund der eindeutigen und klaren Gesetzeslage nicht für zulässig und verwies zur Gänze auf die zutreffende Beurteilung der Vorinstanzen.
Maßgebliche gesetzliche Grundlage:
§ 15a Abs 1 BAG lautet: „Sowohl der Lehrberechtigte als auch der Lehrling können das Lehrverhältnis zum Ablauf des letzten Tages des 12. Monats der Lehrzeit und bei Lehrberufen mit einer festgelegten Dauer der Lehrzeit von drei, dreieinhalb oder vier Jahren überdies zum Ablauf des letzten Tages des 24. Monats der Lehrzeit unter Einhaltung einer Frist von einem Monat einseitig außerordentlich auflösen.“
Entscheidung
Generell-abstrakte Lehrzeit
Das BerufungsG hatte ua damit argumentiert, dass sich aus den Materialien (RV 505 BlgNR 23. GP 7) und dem Gesetzeswortlaut bereits klar ergebe, dass bei Anwendung des § 15a BAG von der für den jeweiligen Lehrberuf generell festgelegten Lehrzeit auszugehen sei. Ein erstes Lehrjahr gebe es für jeden Lehrberuf nur einmal. Setze der Lehrling seine Ausbildung bei einem zweiten Lehrberechtigten fort, so könne schon begrifflich nicht davon ausgegangen werden, dass er sich damit wieder (nunmehr bezogen auf den zweiten Lehrberechtigten) im ersten Lehrjahr befinde.
Es ergebe sich unzweifelhaft, dass der Gesetzgeber in § 15a BAG unter der Wortfolge „der Lehrzeit“ die generell-abstrakte Dauer der Lehrzeit iSd § 6 BAG und keinesfalls die individuell-konkrete Dauer des Lehrverhältnisses verstehe. Da die außerordentliche Auflösung des Lehrverhältnisses der Klägerin danach spätestens zum 31. 8. 2013 erfolgen hätte müssen, sei die vorzeitige Beendigung mit 9. 9. 2013 rechtsunwirksam. Darüber hinaus hätte auch das Mediationsverfahren am 26. 7. 2013 abgeschlossen sein müssen.
Unterschied Lehrzeit/Lehrverhältnis
Der OGH hebt dazu ergänzend hervor, dass der Gesetzgeber des BAG zwischen der festgesetzten Lehrzeit und dem Lehrverhältnis unterscheidet (§§ 6 ff bzw §§ 12 ff BAG):
- | Die Dauer der Lehrzeit ist durch Verordnung festzusetzen (§ 7 Abs 1 lit b BAG) und beträgt idR drei Jahre. Sie darf innerhalb eines Zeitraumes von zwei bis höchstens vier Jahren nur in ganzen oder halben Jahren festgesetzt werden (§ 6 Abs 1 erster Satz BAG). Davon abweichend kann es bei gleichzeitiger Ausbildung in zwei Lehrberufen (§ 6 Abs 2 BAG), bei verwandten Lehrberufen (§ 6 Abs 3 bis 5 BAG) oder aufgrund einer Verordnung (§ 6 Abs 6 BAG) zu einer kürzeren Lehrzeit kommen. Die für den jeweiligen Lehrberuf festgesetzte Dauer der Lehrzeit ist auch im Lehrvertrag anzuführen (§ 12 Abs 3 Z 3 BAG). |
- | Die Dauer des Lehrverhältnisses richtet sich nach der Dauer der festgesetzten Lehrzeit (siehe § 13 Abs 1 erster Satz BAG). Das Lehrverhältnis endet daher grundsätzlich mit ihrem Ablauf (§ 14 Abs 1 BAG). Die Vereinbarung einer anderen Dauer - zB infolge Anrechnung einer in demselben Lehrberuf absolvierten Lehrzeit - unterliegt den in § 13 Abs 1 lit a bis d BAG enthaltenen Beschränkungen. |
Der Gesetzgeber verstehe folglich unter „Lehrzeit“ die auf den Lehrling bezogene Ausbildungsdauer, die von einem Wechsel des Lehrberechtigten nicht berührt wird.
Im Übrigen verweist der OGH auch auf die Materialien, die von einer Auflösung am Ende des 1. bzw 2. „Lehrjahres“ ausgehen (505 BlgNR 23. GP 7), sowie auf den üblichen Sprachgebrauch, nach dem sich der Lehrling auch dann im z2. eiten Lehrjahr befindet, wenn es zwischenzeitig zu einem Wechsel der Lehrberechtigten gekommen ist.
Auflösung zum 9. 9. 2013 nicht berechtigt
Als irrelvant verwarf der OGH auch die Hinweise des Lehrberechtigten auf die individuelle Verkürzbarkeit oder Verlängerbarkeit der Lehrzeit nach § 6 Abs 6 BAG bzw § 8b Abs 1 BAG, weil auch eine solche verkürzte oder verlängerte Lehrzeit nur den Lehrling betrifft, sowie auf die Möglichkeit zur jederzeitigen einseitigen Auflösung eines Lehrverhältnisses während der ersten drei Monate gem § 15 Abs 1 erster Satz BAG, ua weil diese Bestimmung gerade keine Anknüpfung an die Lehrzeit vorsieht.
Das am 1. 9. 2011 begonnene Lehrverhältnis der Klägerin hätte daher nach § 15a Abs 1 BAG nur zum 31. 8. 2012 oder zum 31. 8. 2013 (Ende des 12. bzw 24. Monats ihrer Lehrzeit) gelöst werden können und der Lehrberechtigte war zur Auflösung des Lehrverhältnisses zum 9. 9. 2013 nicht berechtigt.
Auf die Frage, ob die Fristen des Mediationsverfahrens eingehalten wurden und ob die Klägerin dieses Verfahren - so der Lehrberechtigte - „boykottierte“, braucht danach nicht weiter eingegangen zu werden.