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LSD-BG: Vertragsrücktritt nach Zahlungsstopp und Sicherheitsleistung

Bearbeiter: Manfred Lindmayr

AVRAG: § 7m idF vor BGBl I 2016/44

LSD-BG: § 34

Bestehen der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung durch den ausländischen Auftragnehmer und Gründe für die Annahme einer erschwerten Strafverfolgung, kann die Behörde gegenüber dem inländische Auftraggeber betr „den noch zu leistenden Werklohn“ einen „Zahlungsstopp“ verhängen und dessen Erlag als Sicherheit auftragen; diese Sicherheitsleistung wirkt für den inländischen Auftraggeber dem ausländischen Werkunternehmer gegenüber „schuldbefreiend“ (§ 7m Abs 5 AVRAG idF vor BGBl I 2016/44 bzw nunmehr § 34 Abs 6 LSD-BG). Weitergehende Einschränkungen der Privatautonomie sieht das Gesetz jedoch nicht vor: Insbesondere verhindert es nicht, dass der Auftraggeber etwa wegen bestehender Mängel oder wegen Verzugs Wandlung bzw Rücktritt erklärt, Preisminderungsansprüche geltend macht oder den Vertrag wegen Irrtums oder Täuschung anficht. Reduziert eine derartige einseitige Erklärung des Auftraggebers bzw eine Vertragsänderung oder -auflösung den Anspruch auf (restlichen) Werklohn, ist dies im Verfahren auf Erlag einer Sicherheitsleistung (uU auch erst im Beschwerdeverfahren) von der Behörde zu beachten, auch wenn die Reduktion des Werklohns erst nach Verhängung des Zahlungsstopps erfolgt ist.

VwGH 27. 4. 2017, Ra 2016/11/0123

Sachverhalt

Das Ehepaar M**** erteilte dem tschechischen Unternehmen P**** den Auftrag, gegen einen Werklohn von € 5.500,- bei ihrem privaten Haus einen Gartenzaun zu errichten. Bei einer Kontrolle der Baustelle am 18. 4. 2016 durch Organe der Finanzpolizei wurde festgestellt, dass entgegen der Bestimmungen im AVRAG bestimmte Unterlagen nicht vorgewiesen werden konnten. Noch vor Ort wurde ein Zahlungsstopp gemäß § 7m Abs 1 AVRAG (idF vor BGBl I 2016/44) verfügt und in der Folge mit Bescheid vom 21. 4. 2016 dem Ehepaar M**** eine Sicherheitsleistung nach § 7m Abs 3 AVRAG vorgeschrieben.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid brachte das Ehepaar M**** vor, dass sie am 22. 4. 2016 vom Vertrag zurückgetreten seien, und zwar wegen der nicht vollständig vorhandenen Unterlagen und wegen des Umstands, dass Liefer- und Montagetermine nicht eingehalten werden hätten können. Mit P**** sei vereinbart worden, dass bereits geliefertes Material abgeholt werde und die bereits erbrachten Teilleistungen entschädigungslos in das Eigentum der M**** übergehen. Wegen der Rückabwicklung des Vertrags sei kein Werklohn bezahlt worden und werde auch keiner mehr geschuldet, was aber Voraussetzung für den Erlag einer Sicherheitsleistung sei.

Das Verwaltungsgericht gab der Beschwerde statt und hob den Bescheid auf. Der VwGH ließ die Amtsrevision des Finanzamts zu, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage vorliegt, welche Rechtsfolgen eine Vertragsauflösung nach dem Zahlungsstopp und dem Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung hat. Die Revision war aber nicht begründet:

Entscheidung

Zahlungsstopp und Sicherheitsleistung

§ 7m Abs 3 AVRAG (idF vor BGBl I 2016/44) ermächtigt die Behörde dazu - bei begründetem Verdacht einer näher genannten Verwaltungsübertretung durch den Auftragnehmer und Gründen für die Annahme, Strafverfolgung oder Strafvollzug seien unmöglich oder wesentlich erschwert - dem Auftraggeber durch Bescheid aufzutragen, „den noch zu leistenden Werklohn“ binnen einer angemessenen Frist als Sicherheit zu erlegen.

§ 7m Abs 1 AVRAG sichert mit der Verhängung eines Zahlungsstopps die Wirksamkeit des späteren Auftrags zum Erlag einer Sicherheitsleistung insofern ab, als ein entgegen dem Zahlungsstopp entrichteter Werklohn im Verfahren nach Abs 3 als nicht geleistet gilt; auch der nach Abs 1 zu verhängende Zahlungsstopp bezieht sich auf den „noch zu leistenden Werklohn“.

Schuldbefreiende Wirkung der Zahlung

Zahlungsstopp und Sicherheitsleistung dienen der Sicherung des Strafverfahrens: In Ermangelung einer unmittelbar vom verdächtigen Werkunternehmer einhebbaren vorläufigen Sicherheit nach § 7l AVRAG (gegenüber der die Sicherheitsleistung nach § 7m AVRAG subsidiär ist) soll Erschwernissen bei Strafverfolgung oder -vollzug dadurch begegnet werden, dass auf die Forderung des Werkunternehmers gegenüber seinem Auftraggeber gegriffen werden kann. Durch die Ermöglichung eines Zahlungsstopps durch die kontrollierenden Organe wird die Effektivität des Sicherungsinstruments weiter erhöht, weil die „Sperrwirkung“ verbotswidriger Zahlungen früher einsetzt: Entgegen dem Zahlungsstopp geleistete Zahlungen des Werkbestellers an den Werkunternehmer gelten im Verfahren nach § 7m Abs 3 AVRAG als „nicht geleistet“, reduzieren also die Maximalhöhe der möglichen Sicherheitsleistung nicht. Die Sicherheitsleistung kann (grundsätzlich) den gesamten Werklohn erfassen, ist aber jedenfalls mit dem Höchstausmaß der angedrohten Geldstrafe begrenzt.

Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Werkbesteller und Werkunternehmer normiert § 7m Abs 5 AVRAG, dass die Überweisung nach Abs 3, also der Erlag der auferlegten Sicherheitsleistung, im Ausmaß der Überweisung „schuldbefreiend“ wirkt. Die damit insoweit verbundene Sicherung der Rechtsposition des Werkbestellers wird in den Gesetzesmaterialien auch bei den Erläuterungen zur Begrenzung der Sicherheitsleistung mit dem „noch zu leistenden Werklohn“ angesprochen: Es solle dadurch „sichergestellt“ werden, dass der Auftraggeber „keine höheren Zahlungen als den ursprünglich vereinbarten Werklohn“ zu leisten habe (RV 319 BlgNR 25. GP).

Vertragsrücktritt ist zu beachten

§ 7m AVRAG greift also in die Rechtsstellung des Auftraggebers (als Vertragspartner des verdächtigen Werkunternehmers) insofern ein, als ihm mit Verhängung des Zahlungsstopps bei sonstiger Unwirksamkeit verboten wird, weitere Zahlungen an seinen Vertragspartner zu leisten. Die Zahlungen an die Behörde in Erfüllung des Auftrags zum Erlag einer Sicherheitsleistung wirken schuldbefreiend im Verhältnis zum Werkunternehmer (vergleichbar mit Zahlungen nach § 67a Abs 4 ASVG bzw § 82a Abs 4 EStG).

Weitergehende Einschränkungen der Privatautonomie, im Besonderen der (zivilrechtlichen) Verfügungsmöglichkeit des Auftraggebers, enthält das AVRAG aber nicht: Insbesondere verhindert es nicht, dass der Auftraggeber etwa in Ausübung zivilrechtlicher Gestaltungsrechte wegen bestehender Mängel oder wegen Verzugs Wandlung bzw Rücktritt erklärt, Preisminderungsansprüche geltend macht oder den Vertrag wegen Irrtums oder Täuschung anficht. Reduziert eine derartige einseitige Erklärung des Auftraggebers bzw eine daran geknüpfte einvernehmliche Vertragsänderung oder -auflösung den Anspruch auf (restlichen) Werklohn, ist dies - auch wenn es nach Verhängung des Zahlungsstopps erfolgt ist - im Verfahren nach § 7m Abs 3 AVRAG, das auf Erlag (höchstens) des „noch zu leistenden Werklohn(s)“ gerichtet ist, zu beachten.

Dieses Ergebnis stimmt im Übrigen mit dem Grundsatz überein, dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung an der Sach- und Rechtslage auszurichten hat, die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblich ist; allfällige Änderungen des maßgeblichen Sachverhalts sind also zu berücksichtigen.

Gegenteilige Ansicht nicht haltbar

Die gegenteilige Sichtweise führte zudem zu einem überschießenden Ergebnis: § 7m AVRAG begrenzt die Sicherheitsleistung, die nicht (primär) als Sanktion gegen den Auftraggeber konzipiert ist, mit dem zu leistenden Werklohn. Nicht von ungefähr verpflichtet Abs 6 den Auftraggeber zur Bekanntgabe von „Höhe und Fälligkeit des Werklohnes“ an die Bezirksverwaltungsbehörde, die für den Erlag der Sicherheitsleistung entsprechend Abs 3 eine „angemessene(n) Frist“ festzulegen hat. Der Auftraggeber soll also davor geschützt werden, mehr zahlen zu müssen als er aufgrund des Werkvertrags schuldet.

§ 7m Abs 1 fünfter Satz AVRAG ordnet zwar an, dass entgegen dem Zahlungsstopp geleistete Zahlungen auf den Werklohnanspruch des Werkbestellers im Verfahren nach Abs 3 als nicht geleistet gelten, also einem Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung nicht entgegen gehalten werden können. Ihm ist aber kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass darüber hinaus andere Parameter mit Einfluss auf die Höhe des Werklohnanspruchs des Werkunternehmers nicht zu berücksichtigen wären.

Auch beim Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung nach § 7m AVRAG wird letztlich (mittelbar) auf einen Vermögenswert des Verdächtigen zugegriffen, nämlich auf eine Forderung gegen seinen Vertragspartner. Besteht im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über einen Auftrag nach Abs 3 keine solche Forderung, besteht auch deshalb kein Raum für einen Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung.

Entgegen der Auffassung des Finanzamts hatte das Verwaltungsgericht daher darauf Bedacht zu nehmen, dass - nach Verhängung des Zahlungsstopps und nach Erlassung des Bescheids, der die Mitbeteiligten zum Erlag einer Sicherheitsleistung verpflichtet - der noch nicht vollständig erfüllte Werkvertrag einvernehmlich aufgelöst wurde, was zum Entfall des Werklohnanspruchs des ausländischen Auftragnehmers geführt hat. Die Aufhebung des behördlichen Bescheids entspricht daher dem Gesetz.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 23773 vom 27.06.2017