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Mittlerweiliger Stellvertreter auch als Insolvenzverwalter?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

IO § 80b

RAO: § 28, § 34

Wurde ein Rechtsanwalt zum mittlerweiligen Stellvertreter eines anderen Rechtsanwalts bestellt, so kann er nicht gleichzeitig auch zum Insolvenzverwalter dieses Rechtsanwalts bestellt werden. Auch wenn sich die Aufgaben und die Interessenlage von mittlerweiligem Stellvertreter und Insolvenzverwalter durchaus überschneiden können, ist die Gefahr einer Interessenkollision bei Ausübung einer solchen Doppelfunktion nicht auszuschließen. Die vom Gesetz geforderte Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters scheint daher nicht sichergestellt.

OGH 30. 7. 2015, 8 Ob 75/15k

Sachverhalt

Der Schuldner war bis ca Mitte 2014 als Rechtsanwalt tätig. In der Folge verzichtete er auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft und der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer für Kärnten bestellte für ihn einen mittlerweiligen Stellvertreter.

Mit Beschluss vom 18. 12. 2014 eröffnete das ErstG über das Vermögen des Schuldners das Schuldenregulierungsverfahren und entzog ihm die Eigenverwaltung. Gleichzeitig bestellte es den mittlerweiligen Stellvertreter (als Rechtsanwalt) zum Insolvenzverwalter.

Das RekursG gab dem Rekurs des Schuldners gegen die Bestellung des Insolvenzverwalters Folge und hob den Bestellungsbeschluss auf. Gleichzeitig trug es dem ErstG die Bestellung eines anderen Insolvenzverwalters auf. Diese Entscheidung wurde vom OGH bestätigt.

Entscheidung

Bisherige Beratertätigkeit

Der OGH erinnert zunächst daran, dass § 80b IO die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters sowohl gegenüber dem Schuldner als auch gegenüber den Gläubigern sicherstellen soll; der Insolvenzverwalter soll objektiv und unbeeinflusst seiner Verpflichtung nachkommen können, die gemeinsamen Interessen gegenüber den Sonderinteressen einzelner Beteiligter zu wahren (§ 81 Abs 2 IO). Wegen der Gefahr einer Interessenkollision gefährdet daher jede Nahebeziehung zwischen dem potentiellen Insolvenzverwalter und dem Schuldner die im Interesse aller Beteiligten erforderliche Unabhängigkeit. Eine solche Nahebeziehung besteht auch bei einer gemeinsamen beruflichen Interessenlage, insb dann, wenn der Insolvenzverwalter den Schuldner rechtsfreundlich vertritt oder berät oder dies in den letzten (fünf) Jahren getan hat (siehe dazu die Anzeigepflicht nach § 80b Abs 2 Z 1 IO), so der OGH.

Dass der bisherige Rechtsvertreter oder Berater des Schuldners daher idR nicht geeignet ist, das Amt des Insolvenzverwalters auszuüben, gelte insb dann, wenn die Vertretungs- oder Beratungstätigkeit auch iZm dem Insolvenzverfahren stand; aus derartigen Erwägungen sei im Gesetz (seit dem IRÄG 1997) etwa ausdrücklich festgehalten, dass der Reorganisationsprüfer in einem dem Insolvenzverfahren vorangegangenen Reorganisationsverfahren nicht zum Insolvenzverwalter bestellt werden darf (§ 80b Abs 1 IO).

Mittlerweiliger Stellvertreter

Zur Stellung eines mittlerweiligen Stellvertreters (§ 34 Abs 4 und § 28 Abs 1 lit h RAO) hält der OGH fest, dass dieser einen gesetzlichen Auftrag zur Fortführung der Rechtsanwaltskanzlei hat und insoweit Vertreter des Unternehmensträgers ist. Der mittlerweilige Stellvertreter habe im Rahmen seiner Abwicklungstätigkeit zweifellos va die Interessen des Rechtsanwalts (hier des Schuldners) und dessen früheren Klienten zu vertreten hat (§ 60 RL-BA) und sei eine Art gesetzlicher Vertreter (hier) des Schuldners. Nach der Wertung des § 80b Abs 2 Z 1 IO sei schon aus diesem Grund von der Gefahr einer Interessenkollision auszugehen. Im Anlassfall kam weiters hinzu, dass die Tätigkeit des mittlerweiligen Stellvertreters auch einen Zusammenhang zum letztlich eröffneten Insolvenzverfahren aufwies.

Außerdem steht der mittlerweilige Stellvertreter - so der OGH - etwa bei der Einziehung von Forderungen jedenfalls gegenüber Dritten nach der Interessenlage dem früheren Rechtsanwalt näher, während auch für die Führung von Rechtsstreitigkeiten, die die Masse betreffen, das Postulat der Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen gelte (8 Ob 291/98x), was zB für die Einschätzung des Kostenrisikos Bedeutung haben könne.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20384 vom 13.10.2015