News

Mitverschulden an unbegründeter Entlassung: Kürzung der Jahresremuneration nach dem KV-Gastgewerbe

Bearbeiter: Bettina Sabara

ABGB § 1162c

KV-Hotel- und Gastgewerbe: Art 14 lit g

Nach dem Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe behält ein Arbeitnehmer im Fall einer unberechtigten Entlassung grundsätzlich seinen Anspruch auf Jahresremuneration. Trifft den Arbeitnehmer aber ein Mitverschulden an der unberechtigten Entlassung (hier: Verletzung der Mitteilungs- und Nachweispflichten im Krankenstand), so ist sein Anspruch auf die anteiligen Sonderzahlungen entsprechend der Mitverschuldensquote zu kürzen. Die Mitverschuldensregel des § 1162c ABGB umfasst nämlich nicht nur Schadenersatzansprüche wie die Kündigungsentschädigung, sondern sämtliche von der Art der Beendigung abhängige Ansprüche, die auf Gesetz oder KV beruhen.

OGH 28. 5. 2015, 9 ObA 6/15w -> zu OLG Wien 10 Ra 70/14h, ARD 6432/9/2015 (Bestätigung)

Sachverhalt

Der Kläger war vom 12. 10. 2011 bis 16. 12. 2011 beim beklagten Arbeitgeber als Kellner beschäftigt; auf das Dienstverhältnis fanden die Bestimmungen des KV für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe Anwendung. Das Dienstverhältnis endete durch unbegründete Entlassung, doch wurde vom Gericht ein Mitverschulden des Arbeitnehmers an der Entlassung im Ausmaß von 50 % festgestellt, weil er den Grund für seine Abwesenheit vom Arbeitsplatz (Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit) dem Arbeitgeber schuldhaft nicht mitgeteilt hat.

Strittig ist, ob der aliquote Sonderzahlungsanspruch des Klägers aufgrund seines Mitverschuldens an der unberechtigten Entlassung entsprechend der Mitverschuldensquote um 50 % zu kürzen ist.

Der OGH erachtet die ordentliche Revision für zulässig, weil die Frage der Berechnung der kollektivvertraglichen Jahresremuneration sowie der Kürzung des Anspruchs nach einer unberechtigten aber vom Arbeitnehmer mitverschuldeten Entlassung in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgeht.

Entscheidung

Der OGH führt aus, dass eine Entlassung zwar ungerechtfertigt sei, wenn der Arbeitgeber sie bei Fernbleiben des Arbeitnehmers von der Arbeit trotz Vorliegens einen rechtmäßigen Hinderungsgrundes ausgesprochen hat, ein Mitverschulden des Arbeitnehmers jedoch dann anzunehmen sei, wenn er dem Arbeitgeber einen Rechtfertigungsgrund wie zB Krankheit nicht bekannt gibt.

In diesem Sinn sind im vorliegenden Fall auch die Vorinstanzen (unbekämpft) von einem gleichteiligen Verschulden der Parteien ausgegangen. Die Revision des Klägers wendet sich nur gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, dass auch die Jahresremuneration und die Sonderzahlung zur Urlaubsersatzleistung der Mitverschuldensregel des § 1162c ABGB unterliegt.

Der OGH verweist dazu auf seine Rechtsprechung, wonach die Mitverschuldensregel nicht nur für Schadenersatzansprüche iSd §§ 1162a und 1162b ABGB gelte, sondern auch für andere beendigungsabhängige Ansprüche, insbesondere Abfertigung oder Urlaubsentschädigung bzw Urlaubsersatzleistung (vgl zB OGH 26. 4. 2001, 8 ObA 76/01m, ARD 5275/23/2002). Diese Rechtsprechung sei jedoch in der Literatur nicht unumstritten.

Trotz divergierender Literaturansichten, die der OGH kurz darstellt, sieht er letztendlich keine Veranlassung, von seiner bisherigen Judikatur, dass nach dem Gesetz oder dem KV beendigungsabhängige Ansprüche der „Mitverschuldensregelung“ unterliegen, abzugehen.

Im Fall einer ungerechtfertigten Auflösung, die vom Vertragspartner vorwerfbar mitverursacht wurde, gebiete der Zweck des § 1162c ABGB, nicht nur allfällige aus der Auflösung resultierende Schadenersatzansprüche entsprechend dem „Mitverschulden“ zu teilen. Gerade wenn eine Vertragspartei die - wenn auch ungerechtfertigte - vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den anderen durch ihr Verhalten provoziert habe, sei es gerechtfertigt, sämtliche von der Art der Beendigung abhängige Ansprüche in die Verschuldensteilung einzubeziehen.

Nach Art 14 lit g des KV für das Hotel- und Gastgewerbe (Arbeiter) entfalle der Anspruch auf Jahresremuneration bei Entlassung gemäß § 82 GewO 1859 oder bei Austritt ohne wichtigen Grund oder bei Ausscheiden des Arbeitnehmers ohne Einhaltung der Kündigungsfrist. Der OGH betont, dass es den KV-Parteien unbenommen sei, das Entstehen des Anspruchs auf Sonderzahlungen, auf die kein gesetzlicher Anspruch besteht, an bestimmte Bedingungen zu knüpfen. Ist vorgesehen, dass bei einer Entlassung nach § 82 GewO 1859 der Anspruch entfällt, bedeute dies, dass dieser Anspruch bei einer gerechtfertigten Entlassung des Arbeitnehmers gar nicht erworben ist. Da in einem solchen Fall die KV-Parteien den Erwerb des Anspruchs davon abhängig gemacht haben, dass den Arbeitnehmer gerade kein Verschulden an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (dem unberechtigten Austritt, der berechtigten Entlassung) trifft, sei auch auf diese Ansprüche die „Mitverschuldensregel“ des § 1162c ABGB anzuwenden.

Zu Recht habe daher das Berufungsgericht die anteilige Jahresremuneration entsprechend dem unstrittigen Mitverschulden des Klägers von 50 % gekürzt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19918 vom 22.07.2015