News

Offenlegungspflicht bei strittigen Forderungen

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

UGB: §§ 277 ff

Die Offenlegungspflicht gem §§ 277 ff UGB sieht keine Ausnahmen für Fälle vor, in denen einzelne Bilanzpositionen mit Unsicherheit behaftet sind. Vielmehr enthält das Rechnungslegungsrecht ausreichend Möglichkeiten, wahrscheinlich bestehende Verbindlichkeiten gegenüber Dritten oder drohende Verluste aus schwebenden Geschäften auszuweisen. In diesem Sinne ordnet § 201 Abs 2 Z 4 UGB an, dass erkennbare Risken und drohende Verluste in die Bilanz aufzunehmen sind, sobald sie entstanden und erkennbar geworden sind, obgleich der endgültige Eintritt oder das endgültige Ausmaß der Belastung ungewiss ist. Nach dieser Bestimmung darf ein Unternehmer in der Bilanz Rückstellungen für zu erwartende Aufwendungen und Verluste sowie für Schulden ansetzen, die am Stichtag bestehen, dem Betrag nach aber noch nicht feststehen. Dabei gebietet das Vorsichtsprinzip, auch solche Schulden auszuweisen, die mit Elementen der Ungewissheit behaftet sind.

Grundsätzlich nichts Anderes gilt für bestrittene Forderungen: Forderungen, die bestritten werden, sind ab rechtlicher Durchsetzbarkeit (Rechtskraft eines Urteils oder Unwiderruflichkeit eines Vergleichs) auszuweisen. Soweit bloß die Fälligkeit bestritten wird, weil zB noch Gewährleistungsarbeiten gefordert werden, oder lediglich die Höhe strittig ist, zB wegen Preisminderungsansprüchen, ist die Forderung grundsätzlich auszuweisen und das Risiko durch eine Rückstellung zu berücksichtigen.

Aus diesen Grundsätzen folgt für den vorliegenden Fall, dass die Gesellschaft die behaupteten Forderungen (derzeit) nicht aktivieren darf, sofern sie – wie es scheint – sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach strittig sind. Jedenfalls ergibt sich aus der Unsicherheit von Forderungen keineswegs die Notwendigkeit, im Jahresabschluss „Fantasiebeträge“ auszuweisen.

OGH 6. 8. 2021, 6 Ob 126/21d

Entscheidung

Die Rechtsansicht der Gesellschaft, sie könne wegen der Unsicherheit von Forderungen keinen Jahresabschluss erstellen und offenlegen, würde dazu führen, dass die Offenlegung des Jahresabschlusses überhaupt unterbleibt und damit die Gläubiger bzw andere interessierte Dritte keinerlei Informationen über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft erhielten. Ein derartiges Verständnis des Gesetzes läuft aber dem Zweck der Bilanzpublizität diametral zuwider (6 Ob 225/11y, RdW 2012/279).

Entgegen der Befürchtung der Gesellschaft kann aus der Aufnahme oder Nichtaufnahme einer Forderung in den Jahresabschluss allein auch keine zivilrechtliche Wirkung gegenüber einem Dritten (wie etwa Anerkenntnis oder Verzicht) abgeleitet werden (8 ObA 340/97a, DRdA 1998, 429 [Geist]; vgl auch 9 ObA 121/00k; Ch. Nowotny in Straube/Ratka/Rauter, UGB II/RLG3 § 194 Rz 4 mwN).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31671 vom 08.11.2021