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GRC: Art 50
Auch die neuere Judikatur des EuGH bietet keinen Anlass, von der gefestigten Rsp des OGH abzugehen, wonach gegen § 283 UGB (idF Budgetbegleitgesetz 2011) keine unions- oder verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen und die Offenlegungspflicht auch nach Inkrafttreten der GRC keinen Verstoß gegen Unions-(Grund-)Recht(e) bildet. Diese Rsp wurde nicht zuletzt durch die EuGH-E in der Rs Texdata Software untermauert.
Die Offenlegungspflichten gem §§ 277 ff UGB sind mit dem Grundrecht auf Datenschutz vereinbar. Dem Verweis der Antragsteller auf eine Verschärfung der inhaltlichen Anforderungen an den vorzulegenden Lagebericht in den vergangenen Jahren, insb auf die mittlerweile gebotenen Angaben zum Themenbereich „Forschung und Entwicklung“ (vgl § 243 Abs 3 Z 2 UGB), hält der OGH entgegen, dass unter diesem Gesichtspunkt ohnedies keine Angaben gefordert werden, die die berechtigten Geheimhaltungsinteressen des Offenlegungspflichtigen verletzen könnten; insb ist eine Offenlegung konkreter Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte und die Aufteilung des Aufwands auf diese ebenso wenig geboten wie die Darlegung konkreter Ergebnisse. Warum sich aus den Angaben im Lagebericht Rückschlüsse auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ergeben sollten, legen die Rechtsmittelwerberinnen nicht dar.
Es bedarf hier keiner abschließenden Beurteilung, ob infolge des materiellen Strafcharakters der Zwangsstrafen nach § 283 UGB der Anwendungsbereich des Doppelbestrafungsverbots gem Art 50 GRC eröffnet ist. Die Verhängung von Zwangsstrafen in Abständen von zwei Monaten kann von vornherein nicht gegen den Grundsatz ne bis in idem verstoßen, liegt doch keine Identität des Sachverhalts vor, weil die bestraften Handlungen verschieden sind: Die erste Zwangsstrafe wird für die Unterlassung der Offenlegung des Jahresabschlusses innerhalb der Frist von neun Monaten nach dem Bilanzstichtag verhängt, während in den folgenden Fällen die unterlassene Offenlegung dieser Unterlagen binnen der weiteren vom Gesetz vorgesehenen Zweimonatsfristen bestraft wird. Die aufeinanderfolgenden Strafen ahnden daher unterschiedliche Verstöße, die zu unterschiedlichen Zeiten stattfinden. Tatsächlich geht es nicht primär um eine Bestrafung eines Fehlverhaltens in der Vergangenheit, sondern vielmehr um wiederkehrende Maßnahmen, um den (weiterhin) säumigen Offenlegungspflichtigen zu einem vorschriftsgemäßen Verhalten zu veranlassen (Beugemittel).
OGH 14. 9. 2021, 6 Ob 136/21z (6 Ob 137/21x)
Entscheidung
Die Anknüpfung des § 283 Abs 3 UGB an Größenkriterien, die auch sonst das Rechnungslegungsrecht prägen, schafft eine sachgerechte Differenzierung.
Wieso es bedenklich sein sollte, bei Nichtvorlage von Jahresabschlüssen und Unterlassung der Bekanntgabe der Größenmerkmale iSd § 282 Abs 2 UGB vom Vorliegen einer großen Gesellschaft auszugehen und die Strafe danach zu bemessen, wenn auch aus dem Firmenbuchakt die Größenklassen nicht verlässlich beurteilt werden können, ist nicht ersichtlich (vgl dazu 6 Ob 119/07d, RdW 2008/41; RS0113285 [T9]).
Es liegt auf der Hand, dass sich durch die Kumulierung periodisch verhängter Zwangsstrafen letztlich eine hohe Gesamtbelastung an Strafbeträgen ergeben kann, wenn sich die säumigen Offenlegungspflichtigen – wie hier – über rund zwei Jahrzehnte hinweg ungeachtet der wiederkehrenden Strafen zu keiner Verhaltensänderung bewegen lassen. Die Beugemaßnahmen müssen aber, will man die intendierte Beugewirkung rasch und effektiv herbeiführen, nicht nur in regelmäßigen, kurzen Abständen getroffen werden, sondern jeweils im Einzelnen auch eine spürbare Sanktion mit sich bringen. Eine absolute Höchstgrenze bezogen auf die Gesamtstrafsumme würde der Effektivität des Sanktionensystems zuwiderlaufen.
Desgleichen dürfen auch die zuvor verhängten Zwangsstrafen nicht bloß deshalb wegfallen, weil die zunächst verletzte Offenlegungspflicht letztlich doch erfüllt wird oder aber – wie im Fall der Erstrevisionsrekurswerberin – nachträglich wegfällt. Ein Entfall der zuvor verhängten Zwangsstrafen wäre doch der Glaubwürdigkeit der Androhung von vornherein abträglich (idS bereits 6 Ob 8/08g, RdW 2008/277; 6 Ob 235/11v, RdW 2012/280; vgl weiters 6 Ob 152/12i [ErwGr 5.], zum Einwand, die offenzulegenden Daten seien mittlerweile „obsolet“ geworden).
Darauf, dass sich die Gesellschaften aufgrund des Eingreifens der Ablaufhemmung nach § 212 Abs 1 HS 2 UGB auch nicht auf den Ablauf der siebenjährigen Aufbewahrungsfrist nach HS 1 berufen können, hat schon das RekursG zutreffend hingewiesen.