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OGH: Anfechtung des Glücksspielmonopols beim VfGH

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

B-VG Art 7

GSpG: § 2, § 3,

GSpG idF BGBl I 2010/54: § 52

NÖ Spielautomatengesetz 2011: § 5, § 8, § 30

Das GSpG und das NÖ Spielautomatengesetz 2011 sind davon geprägt, dass nur der Bund bzw wenige Inhaber einer Konzession oder Bewilligung Glücksspiel anbieten dürfen. Da die Voraussetzungen nicht erfüllt werden, die der EuGH für die Zulässigkeit eines solchen Glücksspielmonopols fordert (va bloß maßvolle Werbung), geht der OGH von der Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols aus. Sind die Bestimmungen aber nicht anwendbar, wenn ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen, das nach dem Recht seines Sitzstaates Glücksspiele anbieten darf, sein Angebot im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit auf Österreich erstrecken will, begründet die weitere Anwendbarkeit der Bestimmungen des Glücksspielrechts in Fallgestaltungen, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, eine gegen Art 7 B-VG verstoßende Inländerdiskriminierung.

Zur Vermeidung einer solchen Diskriminierung hält der OGH die Aufhebung der in den konkreten Fällen präjudiziellen Einzelnormen für geboten, hilfsweise - bei Annahme eines untrennbaren Zusammenhangs - die Aufhebung des gesamten GSpG und des niederösterreichischen Landesgesetzes. Der OGH hat daher einen entsprechenden Aufhebungsantrag an den VfGH gerichtet.

OGH 30. 3. 2016, 4 Ob 31/16m ua

Sachverhalt

Der Entscheidung liegen sechs, nunmehr verbundene Verfahren nach dem UWG zugrunde.

Die jeweils klagende A***** AG verfügt über eine Bewilligung der NÖ LReg und eine Bewilligung der OÖ LReG zur Durchführung von Glücksspielen in Form der „Landesausspielung“ mit Automaten. Sie betreibt solche Geräte an mehreren Standorten in NÖ und in OÖ.

Die jeweils bekl P betreiben Lokale, in denen sich Glücksspielautomaten befinden bzw befanden. Die Bekl bzw jene Unternehmen, die die Automaten aufstellen und wirtschaftlich betreiben, verfügen über keine entsprechende Bewilligung oder Konzession.

Die kl P stützt sich bei ihren Unterlassungsklagen va darauf, dass die jeweils Bekl mangels einer solchen Bewilligung illegales Glücksspiel betreiben und ua dadurch gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG verstoßen (Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch).

Die jeweils Bekl wandten ua die Unionsrechtswidrigkeit des Monopolsystems des GSpG ein (Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit) bzw dessen Verfassungswidrigkeit wegen Inländerdiskriminierung.

Entscheidung

Nach Auseinandersetzung mit der Rsp des EuGH und den Feststellungen der Vorinstanzen ist der erk 4. Senat der Auffassung, dass das Glücksspielmonopol samt den damit verbundenen Verbotsbestimmungen gegen die Dienstleistungsfreiheit des Unionsrechts verstößt, weil im Sinne der Judikatur des EuGH „damit keine maßvolle Werbung vor[liegt], die sich darauf beschränkt, Verbraucher zu den kontrollierten Spielernetzwerken zu lenken. In dieses Bild fügt sich der Umstand, dass § 56 Abs 1 GSpG eine Überprüfung des unionsrechtlich gebotenen Maßstabs bei Werbeauftritten im Weg einer Klage von Mitbewerbern oder klagebefugten Verbänden nach dem UWG ausschließt. Damit fehlt dem Glücksspielmonopol die unionsrechtlich erforderliche Rechtfertigung.“

Dies führt jedoch in den konkreten Fällen nicht zur Unanwendbarkeit dieser Bestimmungen, weil die jeweiligen Bekl nicht in den Schutzbereich des Unionsrechts fallen. Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass wegen der damit verbundenen Inländerdiskriminierung Bedenken in Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit der für die Unterlassungsansprüche präjudiziellen Normen des österreichischen Glücksspielrechts bestehen, was ihn zur Anfechtung nach Art 89 Abs 2 B-VG verpflichte.

Der OGH stellt daher gem Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) an den VfGH den

Antrag,

a)§ 2 Abs 2 GSpG idF BGBl I 2010/54,
b)§ 2 Abs 4 GSpG idF BGBl I 2010/54,
c)§ 3 GSpG idF BGBl I 2010/54,
d)§ 52 Abs 1 Z 1 GSpG idF BGBl I 2010/54,
e)die §§ 5 und 8 NÖ Spielautomatengesetz 2011 jeweils idF LGBl 2013/98 7071-3, und
f)in § 30 Abs 1 Z 2 NÖ Spielautomatengesetz 2011 idF LGBl 2013/98 7071-3 die Ziffern „5“ und „8“

als verfassungswidrig aufzuheben.

In eventu stellt der OGH den Antrag,

a)das Glücksspielgesetz (GSpG) idF BGBl I 2015/118, sowie
b)das NÖ Spielautomatengesetz 2011 idF LGBl 2013/98 7071-3

jeweils zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21433 vom 12.04.2016