News

Online-Shop – Kenntnis von Patentverletzungen im Ausland?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

PatG: § 147

Nach dem vorliegenden Impressum eines Online-Shops mit der Topleveldomain .de besteht ein „Auslieferungslager für Österreich“. Dies bedeutet jedoch noch nicht zwingend, dass alle auf der Website angebotenen Waren (somit auch der Verletzungsgegenstand) in Österreich angeboten oder in Verkehr gebracht werden. Mit der bloßen Kenntnis vom Impressum allein ist noch keine positive Kenntnis über Patentrechtsverletzungen in Österreich verbunden.

Bringt der Patentinhaber daher zunächst (innerhalb der Verjährungsfrist ab Kenntnis von der Patentrechtsverletzung in Deutschland) eine Klage in Deutschland (ua) auf Rechnungslegung und Auskunft ein (§ 140b dPatG), kommt er einer (allfälligen) Erkundigungsobliegenheit ausreichend nach. § 140b dPatG dient nämlich der Umsetzung des Art 8 der RL 2004/48/EG (DurchsetzungsRL) und das Auskunftsrecht nach Art 8 DurchsetzungsRL ist nicht territorial auf das Gebiet eines Mitgliedstaats beschränkt; dementsprechend ist nach § 140b dPatG Auskunft auch über im Ausland ansässige Dritte zu erteilen, auch wenn sie keinerlei Handlungen im (deutschen) Inland vorgenommen haben. Dass der Kl keine andere (raschere) Alternative als den Klagsweg beschritten hat, ist ihm nicht vorzuwerfen.

OGH 9. 11. 2017, 4 Ob 159/17m

Sachverhalt

Die Kl ist Inhaberin eines europäischen Patents (Klagspatent) betreffend eine Spritzpistole für Handwerker. Das Klagspatent steht auch mit Wirkung für Österreich in Kraft.

In Verletzung des Klagspatents bot die erstbekl P entsprechende Spritzpistolen in Österreich und Deutschland an. Die kl P hat ihren Sitz in Deutschland und erfuhr 2010, dass die erstbekl P den Verletzungsgegenstand in ihrem Onlineshop mit der Topleveldomain .de in Deutschland anbietet. Sie beauftragte einen deutschen Patentanwalt mit einem Testkauf. Dabei druckte dieser am 13. 4. 2010 das Impressum aus, in dem unter „Auslieferungslager für Österreich & EU“ die erstbekl P mit dem Zusatz „c/o G***** GmbH“ und einer Adresse in Österreich (Feldkirch) angeführt war.

Aufgrund einer 2011 erhobenen Klage verbot das Landgericht Mannheim der erstbekl P und einer Vertriebstochter der zweitbekl P mit rechtskräftigem Urteil vom 14. 1. 2014 ua, die geschützten Spritzpistolen in Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen etc. Zudem wurden die bekl P zur Rechnungslegung, Auskunftserteilung, Vernichtung und Rückrufung der Erzeugnisse verurteilt.

Im Juni 2016 brachte die Kl auch in Österreich Klage ein, warf den bekl P Verletzungshandlungen auch in Österreich vor und begehrte, den bekl P zu untersagen, den Verletzungsgegenstand in Österreich anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen. Gleichzeitig begehrte sie Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Zahlung (Stufenklage).

Die bekl P bestritten die Patentverletzungen nicht, wandten aber Verjährung ein. Aufgrund des Ausdrucks des Impressums vom 13. 4. 2010 habe die kl P bereits seit diesem Tag gewusst, dass die Produkte auch in Österreich ausgeliefert würden. Damit sei die dreijährige Frist des § 1489 ABGB bereits abgelaufen.

Dem hielt die kl P entgegen, dass aus dem Impressum keine konkreten Hinweise für eine Patentverletzung in Österreich ersichtlich seien. Ihr sei erst im Zuge der zwangsweisen Durchsetzung ihres Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs gem dem Urteil des Landgerichts Mannheim mitgeteilt worden, dass die bekl P auch in Österreich Schutzrechtsverletzungen begangen haben.

Entscheidung

Während das BerufungsG davon ausging, dass die kl P mangels zumutbarer Nachforschungen gegen ihre Erkundungsobliegenheit verstoßen habe, ist nach Ansicht des OGH ein Verstoß gegen eine (allfällige) Erkundungsobliegenheit hier schon deshalb zu verneinen, weil die kl P nach Kenntnis vom Impressum ohnedies mit ihrer Klage beim Landgericht Mannheim (ua) auf Rechnungslegung und Auskunft (§ 140b dPatG) die vom BerufungsG vermissten „weiteren Nachforschungen“ durchgeführt hat.

Der Auskunftsanspruch nach § 140b dPatG umfasst die Auskunft über Herkunft und Vertriebsweg der benutzten Erzeugnisse und erstreckt sich auch auf patentverletzende Gegenstände und Vorgänge im Ausland (OLG Karlsruhe, 6 U 160/13 = GRUR-RS 2015, 06021).

Außerdem dient § 140b dPatG der Umsetzung des Art 8 der RL 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (DurchsetzungsRL). Diese RL verfolgt va das Ziel, die wirksame Durchsetzung des materiellen Immaterialgüterrechts auf Gemeinschaftsebene zu stärken und die diesbezüglichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten anzugleichen (Erwägungsgrund 9 DurchsetzungsRL). Das Auskunftsrecht nach Art 8 DurchsetzungsRL ist dabei nicht territorial auf das Gebiet eines Mitgliedstaats beschränkt. Nach dem Normzweck des Auskunftsrechts soll dem Verletzten vielmehr eine umfassende eigenverantwortliche Überprüfung von Herkunft und Vertriebsweg ermöglicht werden. Dementsprechend ist nach § 140b dPatG Auskunft auch über im Ausland ansässige Dritte zu erteilen, auch wenn sie keinerlei Handlungen im (deutschen) Inland vorgenommen haben (Rogge/Grabinski in Benkard, PatG10 § 140b Rz 5; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung8 Rz 438; vgl für das Urheberrecht: OLG Köln NJOZ 2012, 1327; Czychowski in Nordemann/Nordemann, UrhR11 § 101 UrhG Rz 91; für das Markenrecht Ingerl/Rohnke, MarkenG3 § 19 Rz 30, 32).

Mit ihrer in Deutschland eingebrachten Klage hat die kl P einer (allfälligen) Erkundigungsobliegenheit jedenfalls ausreichend entsprochen. Die Klagsführung hat letztlich auch zum Erfolg geführt und die kl P in Kenntnis von den hier gegenständlichen Verletzungen gesetzt.

Der kl P könnte auch nicht vorgeworfen werden, dass sie eine andere (raschere) Alternative als den Klagsweg hätte beschreiten müssen, zumal der Verletzer gegenüber dem Verletzten die Auskunft gem § 140b dPatG unverzüglich, daher ohne schuldhaftes Zögern schuldet (Mes in Mes, Patentgesetz4, § 140b Rz 37). Der OGH hat im Fall, dass der Geschädigte ein Gutachten einholen muss, um seiner Erkundigungspflicht nachzukommen, ausgesprochen, dass keine Pflicht besteht, den Sachverständigen zu urgieren (7 Ob 96/10h, Rechtsnews 9863). Dies muss umso mehr gelten, wenn der Schädiger selbst zur Auskunft verpflichtet ist: Es kann den bekl P nicht zum Vorteil gereichen, wenn sie sich dem berechtigten Auskunftsanspruch der kl P über Jahre in einem Gerichtsverfahren widersetzten, in dem sie schlussendlich unterlagen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 25104 vom 14.03.2018