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Produkttests - strengere Kriterien im Sicherheitsbereich

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB § 1330

AKG § 4

1. Arbeiterkammern sind in Durchführung ihrer Interessenvertretungsaufgabe insb dazu berufen, in Angelegenheiten des Konsumentenschutzes Maßnahmen zu treffen (§ 4 Abs 2 Z 5 AKG). Einer Arbeiterkammer kommt bei Produkttests aufgrund des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung für ihre Veröffentlichungen, ihre Untersuchungsmethoden und die vorgenommenen Wertungen ein erheblicher Spielraum zu, den sie benötigt, um ihrer Aufgabe gerecht werden zu können.

Zu den Aufgaben und Zielen einer sachlichen Verbraucheraufklärung steht es auch nicht außer Verhältnis, wenn die Arbeiterkammer bei ihren Tests (hier iZm Kinder-Tattoos) im Interesse des Verbraucherschutzes gerade im Sicherheitsbereich (Gesundheitsgefährdung) strengere Anforderungen stellt, als sie der Hersteller des getesteten Produkts nach Rechtsvorschriften einhalten muss oder nach unverbindlichen Vorschriften einhalten soll. Es gehört zum Beurteilungsspielraum der Arbeiterkammer, die Bedeutung der Sicherheit für die Beurteilung eines Produkts besonders hoch anzusetzen und mit ihren Bedenken an die Öffentlichkeit zu treten.

2. Dem Ausdruck „erhöht“ bei einem Schadstoff in der veröffentlichten Tabelle kann nicht per se die Bedeutung beigemessen werden, dass diese schädliche Substanz über einem einschlägigen Richtwert liege, dh nicht nur nachgewiesen wurde, sondern auch einen bestimmten Grenzwert überschritten habe. Zu berücksichtigen ist vielmehr der Gesamtzusammenhang, in dem die Tabelle steht.

OGH 30. 8. 2016, 6 Ob 238/15s

Sachverhalt

Die beklagte Arbeiterkammer beauftragte die Umweltbundesamt GmbH mit der Untersuchung von 14 verschiedenen Kinder-Tattoos unterschiedlicher Anbieter, darunter auch die vom Kl vertriebenen Tattoos. Untersucht wurde ua auf Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Phthalate, weitere organische Parameter und Schwermetalle. Bei Positivbefunden forderte die Bekl ein humantoxikologisches Gutachten an.

Ein Mitarbeiter der Bekl bereitete sodann den Text für eine Presseaussendung vor, der von einem Juristen und vom Abteilungsleiter noch einmal überprüft wurde. Dabei ging es der Bekl darum, einen Text zu verfassen, der auch für einen Konsumenten verständlich ist, nicht hingegen etwa darum, (wissentlich) falsche Fakten zu verbreiten.

Der Kl begehrte von der Bekl die Zahlung von Schadenersatz. Obwohl die geltenden Grenzwerte bei Weitem unterschritten wurden und die Kinder-Tattoos ungefährlich seien, habe die Bekl vom Kauf abgeraten. Sie habe das Gutachten des Umweltbundesamts falsch interpretiert und grob fahrlässig falsche Fakten veröffentlicht, wodurch die Produkte unverkäuflich geworden seien.

Der OGH verneinte den geltend gemachten Schadenersatzanspruch und stellte das klagsabweisende Urteil des ErstG wieder her.

Entscheidung

Werturteil

Die deliktische Haftung wegen Rufschädigung (§ 1330 Abs 2 ABGB) erfordert die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen. Wahre Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen (Werturteile) fallen nicht unter diese Gesetzesstelle.

Die Äußerungen, eine Chemikalie sei gesundheitlich bedenklich und Kinder-Tattoos seien „eigentlich ein ungeeignetes Spielzeug“, sind - so der OGH - Wertungen der Testergebnisse und fallen daher nicht unter § 1330 Abs 2 ABGB.

„Erhöhter“ Schadstoff

Hinsichtlich der Angabe „erhöht“ bei bestimmten Schadstoffen in der veröffentlichten Tabelle muss nach Ansicht des OGH weiters der Gesamtzusammenhang betrachtet werden, in dem diese Tabelle steht, hier also der vorgeschaltete Text der Mitteilung der Bekl auf ihrer Homepage. Nach genauer Analyse der Beschreibung der „Ergebnisse im Detail“ kommt der OGH zum Ergebnis, dass „erhöht“ im gegebenen Bezugszusammenhang zum einen dahin zu verstehen ist, dass die Substanz in einer Konzentration über der Nachweisgrenze vorliegt. Insofern liegt eine Tatsachenbehauptung vor, die nach den Feststellungen der Vorinstanzen im Wesentlichen wahr ist.

Zum anderen bringt der Ausdruck „erhöht“ in der Tabelle auch die Wertung der Bekl im vorgeschalteten Text vom Vorliegen einer gesundheitlich bedenklichen Substanz zum Ausdruck. Im Text gab die Bekl die Beurteilung des Umweltbundesamts wieder, dass in allen Proben zwei gesundheitlich bedenkliche Chemikalien enthalten waren. Der Spalte „Gesamtbewertung“ iVm den Zeilen der Tabelle entnimmt der Adressat, dass die Bekl ihrer Gesamtbewertung auch zugrundelegt, ob eine Chemikalie bloß nachgewiesen wurde.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22690 vom 30.11.2016