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Rückstellungen in von COVID-19 betroffenen Jahresabschlüssen

Bearbeiter: Friedrich Fraberger / Bearbeiter: Viktoria Kraus

UGB: § 198 Abs 8

Abstract

COV ID-19 hat auch Auswirkungen auf die Bilanzierung von Rückstellungen im UGB-Jahresabschluss. Daher wird im Folgenden ein Überblick über den Ansatz/die Bewertung von Rückstellungen im Zusammenhang mit COVID-19 gegeben.

Autoren: Univ.-Doz. Dr. Friedrich Fraberger , LL.M. / Mag. Viktoria Kraus , LL.M. (KPMG)

Nach allgemeiner Ansicht und nach der AFRAC-Fachinformation zu den Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus, die Anfang April veröffentlicht wurde, sind die Auswirkungen von COVID-19 sog wertbegründende Ereignisse und daher in der Bilanzierung bis zum 31. 12. 2019 nicht zu berücksichtigen. Diese Grundregel gilt allerdings nicht ausnahmslos, weil es stets auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Bezieht zum Beispiel ein Unternehmen seine Rohstoffe zu einem überwiegenden Teil aus China oder betreibt ein österreichisches Unternehmen eine Unternehmung in China, so können sich aufgrund der früheren COVID-19 Entwicklungen in China aus diesen bereits Auswirkungen auf die Bilanzierung zum 31. 12. 2019 ergeben (siehe Meldung der chinesischen Gesundheitsbehörden an die WHO vom 31. 12. 2019 über den Ausbruch einer Seuche im Dezember 2019). Das gilt selbst dann, wenn dem bilanzierenden Unternehmen die entsprechenden Tatsachen erst nach dem Bilanzstichtag, jedoch vor Bilanzerstellung bekannt geworden sind. Je nachdem, wie der konkrete Einzelfall gelagert ist, sind daher auch Rückstellungen, die aufgrund der Auswirkungen von COVID-19 gebildet werden müssen, bereits bei der Bilanzierung zum 31. 12. 2019 oder erst bei der Bilanzierung zu späteren Stichtagen zu berücksichtigen.

In Betracht kommen vor allem Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten („Verbindlichkeitsrückstellungen“) und Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften („Drohverlustrückstellungen“), die am Abschlussstichtag wahrscheinlich oder sicher, aber hinsichtlich ihrer Höhe oder des „Zeitpunkts“ ihres Eintritts unbestimmt sind (§ 198 Abs 8 Z 1 UGB).

Folgende Ereignisse können zur Bildung einer Drohverlustrückstellung bzw zur Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung führen:

-Aufwandsüberschüsse aus schwebenden Geschäften: Übersteigen die Kosten der Erfüllung von Verträgen die daraus erzielbaren Erlöse, so ist in Höhe der Differenz zwischen den Kosten der Erfüllung und den vereinbarten Erlösen eine Drohverlustrückstellung zu bilden. Ist ein Vertragsausstieg günstiger, können auch die Kosten des Vertragsausstiegs (zB Höhe der Pönale) herangezogen werden.
-Nichterfüllung von Verträgen: Können Verträge nicht erfüllt werden, kann die Nichterfüllung auch zu Schadenersatzverpflichtungen oder Konventionalstrafen führen, die ebenfalls zur Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten oder Drohverlustrückstellungen führen können. Gleiches gilt hingegen für Verzugszinsen, die anfallen, weil empfangene Leistungen nicht oder nicht zum Fälligkeitstag bezahlt werden können.
-Unbenutzbarkeit von angemieteten Räumlichkeiten (beispielsweise aufgrund behördlicher Anordnungen): Eine Drohverlustrückstellung ist möglicherweise auch dann zu bilden, wenn angemietete Räumlichkeiten (zB aufgrund behördlicher Anordnungen) nicht mehr genutzt werden, die Mietzahlungen jedoch nicht ausgesetzt werden können. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Verluste aus der Unbenutzbarkeit des Mietobjekts die Überschüsse, die mit dem Mietobjekt in der Restlaufzeit erzielt werden können, übersteigen. Eine Gegenrechnung der etwaigen Rückstellung mit denkbaren Mietzinsreduktionen nach § 1104 ABGB („saldierende Betrachtungsweise“) dürfte aufgrund des von der Rsp verlangten hohen Sicherheitserfordernisses für den Eintritt des positiven Ereignisses (zB VwGH 20. 12. 2016, Ro 2014/15/0012 Rz 16 ff) scheitern, zumal die Anwendung des § 1104 ABGB mit größeren Rechtsunsicherheiten behaftet ist.
-Drohende Inanspruchnahme aus einer Garantie oder Bürgschaft (zB für die Schuld einer Tochtergesellschaft): Die Bildung einer Rückstellung für drohende Verluste kann aber auch durch eine drohende Inanspruchnahme aus einer Garantie oder Bürgschaft (zB für die Schuld einer Tochtergesellschaft) erforderlich sein, die vor COVID-19 aufgrund der Unsicherheit, ob und wann sie zu echten Verbindlichkeiten werden, als Eventualverbindlichkeit ausgewiesen wurden.
-Restrukturierungsmaßnahmen: Führen die Auswirkungen von COVID-19 zu Restrukturierungsmaßnahmen (Stilllegung von Teilbetrieben, Mitarbeiterabbau etc), ist darauf zu achten, dass die daraus resultierenden Verpflichtungen (zB Ansprüche von Vertragspartnern oder Mitarbeitern) bereits im jeweiligen Jahresabschluss in Form einer Verbindlichkeitsrückstellung zu berücksichtigen sind, sofern sie bereits ausreichend präzise festgelegt und beschlossen sind.

Neben den Auswirkungen von COVID-19 auf die Bewertung von Verbindlichkeitsrückstellungen oder Drohverlustrückstellungen können sich auch Auswirkungen auf die Bewertung von Abfertigungs-, Pensions- oder Urlaubsrückstellungen ergeben, weil einerseits Abfertigungen aufgrund von Kündigungen ausbezahlt werden müssen, andererseits Pensionsverpflichtungen (zB als Einmalabgeltung) abgegolten werden oder weil Mitarbeiter aus Gründen der Unterauslastung (oder aufgrund des zwingenden Verbrauchs von Alturlauben vor der Beantragung von Kurzarbeit) Urlaube verbrauchen. Abgesehen von den Auswirkungen auf Urlaubsrückstellungen hat die Kurzarbeit keine Auswirkungen auf andere Rückstellungen, da mit der Kurzarbeit keine faktische Verpflichtung des Arbeitgebers verknüpft ist; der Arbeitgeber muss zwar das volle Gehalt zahlen, hat aber in Höhe der Mehrkosten eine Forderung gegenüber dem AMS.

Conclusio

Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass COVID-19 erhebliche Auswirkungen auf den Ansatz bzw die Bewertung von Rückstellungen haben kann, die genau zu prüfen sind.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 28902 vom 15.04.2020